Baby-Probleme mit Spucken, Pupsen, Bauchweh

Stiftung Kindergesundheit gibt Tipps für den Umgang mit übermäßig schreienden Säuglingen

Alle Babys schreien. Das ist ihre einzige Möglichkeit, mitzuteilen, dass sie Hilfe brauchen. Das verzweifelte Weinen, herzzerreißende Wimmern oder markerschütternde Schreien eines jungen Babys lässt niemanden kalt. Alle Eltern, die das eindringliche Geräusch hören, verspüren den Drang, irgendetwas zu tun, damit endlich wieder Ruhe ist. Bleiben ihre eigenen Bemühungen ohne Erfolg, wird das Baby meist mit dem Verdacht auf „Bauchkrämpfe“ oder „Blähungen“ dem Kinder- und Jugendarzt vorgestellt. Dabei liegen in vielen Fällen der so genannten „Drei-Monats-Koliken“ gar keine Verdauungsstörungen vor, sagt die Stiftung Kindergesundheit.

Kinder- und Jugendärzte zählen Bauchschmerzen zu den so genannten funktionellen Erkrankungen. Mit „funktionell“ wird in der Medizin alles bezeichnet, das Beschwerden macht, ohne dass eine Organerkrankung nachgewiesen werden kann. „Funktionelle Störungen des Verdauungstraktes sind am Anfang des Lebens besonders häufig, denn das Verdauungsapparat eines Babys ist noch unreif und wird jeden Tag mit neuen Herausforderungen konfrontiert – es ‚übt’ noch“, sagt Professor Dr. Sibylle Koletzko, pädiatrische Gastro enterologin der Universitätskinderklinik München und Mitbegründerin der Stiftung Kindergesundheit. „Bei der Beobachtung von 2.879 italienischen Babys über die ersten sechs Monate hinweg registrierten die dortigen Pädiater bei 55 Prozent der Kinder derartige Symptome. Am häufigsten war Speien mit 23 Prozent, gefolgt von Koliken mit 20 Prozent und Verstopfung mit 17 Prozent der betroffenen Kinder“.


„Speien“ – meist kein Grund zur Sorge

Das Problem kann unterschiedlich sein. Professor Sibylle Koletzko: „Manches Baby lässt nur ab und zu nach der Mahlzeit ein paar Teelöffel Milch wieder herauslaufen, andere spucken jedes Mal nach dem Trinken. Dennoch: In den meisten Fällen handelt es sich beim Speien – im Gegensatz zum regelrechten Erbrechen – um einen völlig harmlosen Vorgang, medizinisch ‚Regurgitation’ (flüssiges Aufstoßen) genannt. Es wächst sich fast immer einfach aus“. Die Ursache ist eine verzögerte Reifung des Schließmechanismus zwischen Magen und Speiseröhre. Bei den Eigenbewegungen des Magens wird die Milch nicht nur in den Darm, sondern auch nach oben in die Speiseröhre gedrückt – das Baby speit. Auch bei älteren Kindern und Erwachsenen ist es ganz normal, dass mehrmals täglich Speisebrei aus dem Magen zurück in die Speiseröhre gelangt, nur fasst die Speiseröhre dann schon so viel Menge dass der Rückfluss (Reflux) nicht zutage tritt und als „Spucken“ sichtbar wird. Dagegen ist die Speiseröhre bei einem Baby so klein, dass die zurücklaufende Milch sehr schnell in den Mund oder als Gespucktes nach außen gelangt.

Die Milchmenge, die das Kind dabei ausspuckt, ist meistens viel geringer, als sie erscheint. Deshalb ist es typisch für das „flüssige Bäuerchen“, dass sich die Kinder sonst bester Gesundheit erfreuen, zufrieden sind und auch an Gewicht zunehmen. Hinter dem „ständigen Speien“ kann sich allerdings auch eine nicht ganz so harmlose Störung verbergen: Kommt es zu häufig zum Aufstoßen, kann der saure Mageninhalt die Speiseröhre so stark reizen, dass sie sich entzündet. Das Baby hat Sodbrennen, mag nur kurz trinken, bekommt zu wenig und nimmt nicht mehr ausreichend zu. Oft schreit das betroffene Baby besonders in Flachlagerung schon kurze Zeit nach den Mahlzeiten oder hüstelt im Schlaf. Die medizinische Bezeichnung dieser Störung lautet Reflux-Ösophagitis (Reflux = Rückfluss, Ösophagus = Speiseröhre). Wenn das vermehrte Spucken oder Erbrechen erst nach Beginn der Flaschenfütterung beginnt oder vermehrt auftritt, kann auch eine Kuhmilcheiweißallergie die Ursache sein.


Blähungen manchmal ohne Luft im Bauch

Die Wissenschaft spricht von „Darmgasen“ die als „Winde“ abgehen. Doch ob bei Babys, die unter schmerzhaften Püpsen leiden, die Menge der Darmgase tatsächlich erhöht ist, gilt keineswegs als erwiesen. „Der Abgang von Winden könnte eher die Folge des Schreiens sein als ihre Ursache“, sagt Kinder- und Jugendärztin Professor Sibylle Koletzko. Wenn Kinder dieses Alters schreien, so krümmen und strecken sie sich ganz normalerweise und auch das Anziehen der Beine gehört zu den normalen Bewegungen beim Schreien. Während des Schreiens gehen auch Winde ab, daher die Vermutung, dass das Kind unter Blähungen leiden müsse. Auch der harte Bauch kann ganz normal sein: Die Kinder spannen zum Schreien ihre Bauchmuskulatur stark an.


Wie viel Schreien ist noch normal?

Für Schrei-Babys gilt die so genannte „Dreier-Regel“. Sie lautet nach Angaben der Stiftung Kindergesundheit: Wenn ein Baby im Alter von zwei Wochen bis vier Monaten mindestens drei Stunden pro Tag, an mehr als drei Tagen pro Woche schreit und dieser Zustand länger als drei Wochen anhält, handelt es sich um exzessives Schreien. Ein derartig übermäßiges Schreien ist – sehr zum Leidwesen der geplagten Eltern – gar nicht so selten, sagt Professor Dr. Sibylle Koletzko: „Jedes achte bis zehnte Baby ist davon in den ersten drei Monaten betroffen!“

Für junge Eltern gibt es kaum etwas Schlimmeres als ein schreiendes Baby, das sich nicht beruhigen lässt. Ein über mehrere, insbesondere nächtliche Stunden schreiender Säugling bedeutet eine enorme seelische und körperliche Belastung. Der Stress führt oft zum Streit zwischen den Eltern, kann so zu Störungen der Paarbeziehung führen und manche Eltern lassen sich in ihrer Verzweiflung sogar zu unbedachtem Schütteln mit Verletzung ihres Kindes hinreißen.

Das übermäßige Schreien wird häufig als „Dreimonatskolik“ bezeichnet – ein eigentlich irreführender Begriff, denn mit Koliken bezeichnet man Verdauungsstörungen, die aber bei Schreikindern nur sehr selten tatsächlich vorliegen.


Normales Babygeschrei oder eine Dreimonatskolik?

„Die meisten Mütter können schon bald nach der Geburt ihres Babys den Charakter des Schreis unterscheiden“, sagt Professor Sibylle Koletzko: „Sie erkennen, ob das Baby Hunger hat oder müde ist, Schmerzen verspürt oder einfach nur Sehnsucht nach Kontakt mit der Mutter hat. Der Kontaktschrei verstummt, wenn das Baby die Stimme der Mutter hört. Das müde Kind lässt sich in den Schlaf wiegen, das hungrige Kind wird in des Wortes schönster Bedeutung gestillt, das gelangweilte Kind durch Zuspruch und Herumtragen beruhigt“.

Anders dagegen die heftigen, stundenlangen Schreiattacken eines Babys mit Dreimonatskoliken:

o Das Kind schreit plötzlich und herzzerreißend, oft unmittelbar aus scheinbarem Wohlbefinden heraus und ohne erkennbare Ursache.

o Die Symptome beginnen meist zwei bis drei Wochen nach der Geburt, verstärken sich häufig zwischen der sechsten und achten Woche und nehmen danach allmählich ab. Meist hört das Schreien bis zum vierten Monat auf. Allerdings nicht immer, denn Kinder funktionieren nicht nach „Schema F“.

o Typischerweise schreit das Baby nachmittags oder in den Abendstunden. Im Volksmund hat sich dafür der Begriff „Schreistunde“ eingebürgert. Die tägliche Schrei –und Quengeldauer kann über fünf Stunden betragen!


Was sind die Ursachen von Dreimonatskoliken?

Das Wichtigste vorweg: Die Koliken werden nicht durch elterliche Fehler im Umgang mit dem Baby hervorgerufen! Eltern sollten sich also nicht von Vorwürfen ihrer Umgebung irritieren lassen, sie würden ihr Kind falsch behandeln. Die genaue Entstehung der Koliken ist nun einmal nicht bekannt. Aus Untersuchungen weiß man:

o Das exzessive Schreien ist keine Zivilisationskrankheit, Schreibabys gibt es auch bei Naturvölkern.

o Die Babys schreien nicht deshalb länger und häufiger, weil sie vielleicht zuviel herumgetragen worden sind.

o Schreiattacken sind bei gestillten Kindern und Flaschenkindern gleich häufig.

o Die meisten betroffenen Babys sind gesund. Sie leiden später nicht häufiger unter Allergien oder anderen Krankheiten als andere Kinder.

o Eine Allergie gegen Milcheiweiß oder eine Unverträglichkeit von Milchzucker steckt nur in sehr seltenen Fällen hinter dem übermäßigen Schreien. Auch ein Rückfluss der Magensäure lässt sich nur selten als tatsächliche Ursache finden.

Eine der möglichen Ursachen lässt sich allerdings leicht eliminieren: Die Belastung des Babys durch Passivrauchen. In Haushalten, in denen geraucht wird, sind Schreibabys häufiger. Die Eltern sollten deshalb für eine komplett rauchfreie Umgebung sorgen.


Wie hilft man einem Schreibaby?

Wichtig ist es, dem Kind Ruhe und Geborgenheit zu vermitteln. Schreibabys sind häufig sehr empfindlich gegenüber zu viel Anregung und Unruhe. Die Stiftung Kinderge sund – heit verweist auf die – unter Mitarbeit von Professor Dr. Sibylle Koletzko erarbeiteten – Elternempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Sie lauten:

o Wenn Ihr Kind unruhig wird oder schreit, klopfen Sie ihm nicht auf den Rücken, vermeiden Sie unruhige, rasche Bewegungen, laute Musik und lärmende Spielgeräte.

o Wenn Sie es schaukeln, dann ruhig und langsam.

o Springen Sie nicht immer sofort auf, wenn Ihr Kind schreit, besonders wenn es die Zeit des Einschlafens ist.

o Nehmen Sie Ihren Säugling nicht in Ihr Bett. Legen Sie sich nicht zu Ihrem Säugling, um ihm damit beim Einschlafen zu helfen.

o Für manche Kinder ist es hilfreich, wenn das Kinderzimmer nicht total dunkel ist und Ihr Kind Sie noch im benachbarten Raum sprechen hört.

o Bleiben Sie gelassen und ausgeglichen, auch wenn es schwer fällt.


Bitte keine Bauchlage mehr!

Eltern sollten ihr Baby auch bei Blähungen und Bauchschmerzen zum Schlafen nicht auf den Bauch legen, warnt die Stiftung Kindergesundheit, es sei denn, ihr Kinder- und Jugendarzt hat dieses ausdrücklich empfohlen. Die Bauchlage gilt nämlich in diesem Alter als eine riskante Schlafstellung, denn die meisten Babys, die dem plötzlichen Säuglingstod zum Opfer fallen, werden in dieser Lage aufgefunden.

Ist das Baby wach, kann ein warmes Kirschkernsäckchen eine nützliche Alternative sein. Sie darf aber niemals bei schlafenden Babys eingesetzt werden, weil das Kind während des Schlafes durch ein solches Wärmesäckchen überwärmt werden könnte.

Kräutertees, zum Beispiel mit Fenchel, Kümmel, Anis oder Melisse verschaffen dem Kind manchmal Linderung, weil sie entkrampfend wirken.

Ein letzter, besonders wichtiger Hinweis der Stiftung Kindergesundheit: Auf keinen Fall darf ein schreiendes Baby geschüttelt oder geschlagen werden, wenn die Eltern das Schreien nicht mehr ertragen können! Schütteln kann zur schwersten, lebenslangen Behinderungen durch Hirnblutungen führen. Wenn Eltern das Gefühl haben, die Kontrolle ihrer Nerven zu verlieren, sollten sie lieber für fünf Minuten das Zimmer verlassen, sich besinnen und die lebenslangen Folgen einer Affekthandlung für ihr Kind bedenken.
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Quelle: Stiftung Kindergesundheit