Stellungnahme Nr. 007/2010 des BfR vom 18. August 2009 – veröffentlicht am 4.03.2010
Bei Untersuchungen von tiefgefrorenem Spinat haben die zuständigen Behörden der Bundesländer in einigen Proben erhöhte Nitritgehalte festgestellt. Nitrit (NO2-) ist das Anion der anorganischen Nitritsalze. Nitrit ist ein Zwischenprodukt bei der Versorgung der Pflanze mit Stickstoff. Nitrat ist die Speicherform des Stickstoffs in der Pflanze. Unter bestimmten Bedingungen kann es nach der Ernte durch mikrobiologische bzw. enzymatische Einwirkungen in Abhängigkeit von Temperatur und Zeit zu einer Umwandlung des in den Pflanzen vorhandenen Nitrats zu Nitrit kommen.
Nitrit hat eine verhältnismäßig geringe akute Toxizität, daher ist eine akute gesundheitliche Gefährdung von Erwachsenen durch Nitrit in Spinat selbst bei höheren Gehalten praktisch ausgeschlossen. Säuglinge hingegen reagieren in den ersten Lebensmonaten empfindlich auf Nitrit, weil es den Sauerstofftransport durch die roten Blutkörperchen stört, was zu Sauerstoffmangel führen kann (Blausucht). Für Säuglinge ist deshalb bei einer erhöhten Nitritaufnahme über nitrit- und nitrathaltige Lebensmittel in den ersten Lebensmonaten ein gesundheitliches Risiko denkbar. In der Praxis nehmen sie in dieser Zeit aber kaum nitrit- oder nitratbelastete Nahrung auf.
Problematisch ist jedoch eine langfristige Aufnahme größerer Mengen von Nitrit über Lebensmittel. Es besteht der begründete Verdacht, dass Nitrit im Körper mit körpereigenen Aminen zu N-Nitroso-Verbindungen (z.B. Nitrosaminen) umgebaut wird. Viele dieser Verbindungen haben sich im Tierversuch als krebserzeugend erwiesen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung ist deshalb der Auffassung, dass die Nitritzufuhr beim Menschen auf das geringst mögliche Maß reduziert werden sollte. Gleiches gilt für Nitrat, das im Körper zu Nitrit umgewandelt werden kann. Folglich sollten die Nitrit- und die Nitratgehalte in Lebensmitteln soweit wie möglich reduziert werden.
Das BfR benennt einige Maßnahmen, durch die der Nitrat- und Nitritgehalt in Gemüse reduziert werden kann. Gleichzeitig weist das Institut daraufhin, dass die Nitrit- und Nitratproblematik nicht zu einer Einschränkung des Verzehrs von Gemüse führen darf. Der Nutzen eines hohen Anteils von Gemüse in der Nahrung überwiegt das potenzielle Risiko leicht erhöhter Nitrat- und Nitritgehalte um ein Vielfaches.
Gegenstand der Bewertung
Im Zuge der amtlichen Lebensmittelüberwachung haben die zuständigen Behörden der Bun-desländer tiefgefrorenen Spinat auf Nitrit untersucht. In einigen Proben wurden dabei erhöh-te Werte gefunden. Die gemessenen Nitritgehalte lagen zwischen 5,5 mg Nitrit/kg Frischge-wicht (FG) bis 21,1 mg Nitrit/kg FG. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wurde vom zuständigen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) gebeten, eine gesundheitliche Bewertung von Nitrit in Spinat vorzunehmen:
Ergebnis
Die gesundheitlichen Bedenken gegen eine überhöhte alimentäre Nitritaufnahme beziehen sich in erster Linie auf die mögliche Reaktion des aufgenommenen Nitrits mit nitrosierbaren Substanzen im Organismus mit der Folge, dass es zur Bildung von Nitrosaminen kommen kann. In Tierversuchen haben sich Nitrosamine als kanzerogen erwiesen. Deshalb sollte bis zur Klärung noch offener Fragen zum Gefährdungspotential des Nitrits für den Menschen alles unternommen werden, die Nitrit- bzw. Nitratzufuhr auf das geringst mögliche Maß zu reduzieren. Eine akute gesundheitliche Gefährdung Erwachsener durch Nitrit in Lebensmitteln ist praktisch ausgeschlossen. Für Säuglinge hingegen ist ein gesundheitliches Risiko möglich.
Allerdings nehmen Säuglinge in den ersten Lebensmonaten kaum nitrat- bzw. nitritbelastete Nahrung auf. Industriell hergestellte gemüsehaltige Beikost für Kleinkinder wird auf ihren Gehalt an Nitrat geprüft. Durch die Sterilisierung werden Verderbniskeime abgetötet. Bei im Haushalt zubereiteten/gekochten Kindermahlzeiten ist auf sachgerechte Lagerung sowohl der Zutaten als auch der zubereiteten Mahlzeit sowie auf eine gute Hygienepraxis bei der Zubereitung zu achten.
Die Frage einer kritischen Nitratmenge bzw. Nitritmenge in der Nahrung ist bis heute nicht abschließend beantwortet. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) unterstützt die Forderung der FAO/WHO nach Etablierung einer akuten oralen Referenzdosis für Nitrit, da eine Methämoglobinämie bereits nach einer einmalig verabreichten Dosis ausgelöst werden kann.
Eine modellhafte Berechnung der prozentualen anteiligen Ausschöpfung des ADI1 über den Verzehr von Spinat ergibt für Kinder Werte zwischen 1,4% bei einem mittleren Spinat-Verzehr (d.h. 3 g pro Tag) und bei gleichzeitig mittleren Gehaltswerten an Nitrit im Spinat (entsprechend 5 mg Nitrit/kg Spinat) und 34,8% bei hohem Spinat-Verzehr (d.h. 19 g pro Tag) und gleichzeitig hohen Nitritgehalten im Spinat (d.h. 20,8 mg Nitrit/kg Spinat). Für Erwachsene liegt die prozentuale anteilige Ausschöpfung des ADI zwischen einem Wert von 0,4% bei mittlerem Spinat-Verzehr (d.h. 4 g pro Tag) und mittleren Gehaltswerten an Nitrit im Spinat (d.h. 5 mg Nitrit/kg Spinat) und einem maximalen Wert von 6,9% bei hohem Spinat-Verzehr (d.h. 18 g pro Tag) und gleichzeitig hohen Nitritgehalten im Spinat (entsprechend 20,8 mg Nitrit/kg Spinat).
Es gilt allerdings zu berücksichtigen, dass Spinat zu den gering verzehrten Lebensmitteln zählt und deshalb eine Umrechnung auf die pro Tag aufgenommene Menge nicht sinnvoll erscheint. Geht man stattdessen von einer Spinatmahlzeit pro Monat aus, so könnten kurzzeitig – bei entsprechender Belastung des Gemüses – relativ hohe Mengen an Nitrit aufgenommen werden.
Die Kontamination des Gemüses mit Verderbniskeimen, welche zur einer Steigerung der Reduktionsrate von Nitrat zu Nitrit führen können, sollten durch gute Herstellungs- und Hygienepraxis, eine ununterbrochene gekühlte Lagerung sowie eine Begrenzung der Verwendungsdauer zu minimieren sein.
Vollständiges Dokument:
http://www.bfr.bund.de/cm/208/nitrit_in_spinat_und_anderen_lebensmitteln.pdf
Quelle: BfR