Auffällige Ethephon-Rückstande in spanischen Paprika (Januar 2011)

Hintergrund der Untersuchungen

Der Wirkstoff Ethephon (2-Chlorethyl-phosphonsäure) ist ein Pflanzenwachstumsregulator, der vielseitig zur Steuerung biologischer Prozesse eingesetzt wird. Ethephon dient z.B. der Blühinduzierung im konventionellen Ananas-Anbau, der Ertragsregulierung und Förderung der Reife vor der Ernte bei Äpfeln, Zitrusfrüchten, Feigen und Tomaten, es erleichtert die Ernte durch Loslösen der Früchte bei Kirschen und Stachelbeeren, es wird benutzt zur Reifebeschleunigung nach der Ernte bei Paprika, Bananen und Mangos und dient auch der Hemmung des Längenwachstums sowie als Halmstabilisator bei Getreide. Ethephon dringt in das pflanzliche Gewebe ein und zerfällt dort unter Abspaltung von Ethylen, was sich auf den Wachstumsprozess auswirkt.

Das CVUA Stuttgart hat in seiner Eigenschaft als EU-Referenzlabor für Pestizidanalytik im Jahr 2009 ein neues Analyseverfahren entwickelt, da sich Rückstände von Ethephon nicht mit den etablierten Multimethoden zur Pestizidrückstandsanalytik erfassen lassen, und verstärkt pflanzliche Lebensmittel auf Ethephonrückstände untersucht (siehe Bericht vom 07.12.2009). Die Untersuchungen wurden 2010 fortgesetzt.

Aufgrund von aktuellen Meldungen, dass gegenwärtig vermehrt Ethephon zur Reiferegulierung in spanischen Paprika eingesetzt wird, haben die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden Mitte Januar diesen Jahres schwerpunktmäßig Proben von Gemüsepaprika mit Herkunft Spanien entnommen, die im CVUA Stuttgart in einem gezielten Untersuchungsprogramm auf Ethephon-Rückstände untersucht wurden.

Ergebnisse

Mitte Januar wurden 44 Paprikaproben mit Herkunft Spanien am CVUA Stuttgart auf Ethephon-Rückstände untersucht. Davon war eine Probe aus ökologischer Erzeugung. Die Probenahme erfolgte im Großhandel und Einzelhandel vom 11. bis 19. Januar. 16 Proben bestanden aus Fertigpackungen, die ein Gemisch aus Paprika diverser Farben enthielten (z.B. jeweils 1x grün, gelb und rot) – in diesem Fall wurden die einzelnen Farben getrennt voneinander untersucht.

* In 8 von 44 Proben (18,2 %) konnten Rückstände des Wachstumsregulators Ethephon nachgewiesen werden (detaillierte Ergebnisse siehe Tabelle1).
* In 6 (13,6 %) Proben lagen die festgestellten Ethephon-Rückstände über der EU weit gültigen gesetzlich festgelegten Höchstmenge von 0,05 mg/kg Paprika.
* Zwei Proben wurden als „nicht sicheres und damit nicht zum Verzehr geeignetes Lebensmittel“ gemäß Verordnung (EG) Nr. 178/2002 beurteilt, da der festgestellte Rückstandsgehalt an Ethephon zu einer Überschreitung der toxikologisch noch akzeptablen Aufnahmemenge, der sogenannten akuten Referenzdosis (ARfD), führen kann (Erläuterung siehe *1). Eine gesundheitliche Beeinträchtigung kann insbesondere bei Kleinkindern mit hohem Paprikaverzehr nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

Durch die schnelle Untersuchung auf Rückstände an Ethephon konnte frühzeitig belastete Ware aus dem Verkehr genommen werden. Von den Behörden werden die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet. Die Befunde und Maßnahmen werden auch an das europäische Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel (RASFF) gemeldet.

Tabelle:
http://www.cvuas.de/pub/beitrag.asp?subid=1&Thema_ID=5&ID=1382

Fazit und Bewertung

Die Ergebnisse der Rückstandsuntersuchungen zeigen, dass Ethephon-Rückstände in spanischen Paprikaproben z.T. über der Höchstmenge nachgewiesen wurden. Da nach wie vor einige Paprikaproben erhöhte Ethephon-Rückstände aufweisen, sind die Inverkehrbringer aufgefordert durch verstärkte Eigenkontrollen zu gewährleisten, dass nur Ware in den Verkehr kommt die die rechtlichen Vorgaben einhalten.

Bei zwei Proben (1x grüne und 1x rote Paprika) war der Ethephongehalt so hoch, dass dies bei einem erhöhten Paprikaverzehr zu einer Überschreitung der toxikologisch noch akzeptablen Aufnahmemenge, der sogenannten akuten Referenzdosis (ARfD), führen kann. Gemäß einer toxikologischen Beurteilung des Bundesinstituts für Risikobewertung ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand eine akute Gesundheitsgefährdung für Kinder durch Ethephon-Rückstände in Paprika in Höhe von 1,3 und 2,0 mg/kg möglich. Das Ausmaß einer gesundheitlichen Beeinträchtigung wird jedoch als leicht bis geringfügig eingeschätzt (vorübergehende Symptome wie Harndrang und Durchfall). Eine Gesundheitsgefährdung für Erwachsene ist bei diesen Ethephongehalten unwahrscheinlich.

Bei Fertigpackungen mit verschiedenfarbigen Paprika konnte ein Unterschied der Ethephon-Rückstände in Abhängigkeit der Farbe festgestellt werden. So wiesen z.B. bei einer Probe gemischte Paprika die roten und grüne Paprika keine Ethephon-Rückstände auf, während die gelben Früchte ein Rückstandsgehalt von 0,42 mg/kg aufweisen.

*1 = Akute Referenzdosis (Acute Reference Dose, ARfD)

Zur Bewertung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen, die eine hohe akute Toxizität aufweisen und schon bei einmaliger oder kurzzeitiger Aufnahme gesundheitsschädliche Wirkungen auslösen können, eignet sich der ADI-Wert (acceptable daily intake) nur eingeschränkt. Da er aus längerfristigen Studien abgeleitet wird, charakterisiert er eine akute Gefährdung durch Rückstände in der Nahrung möglicherweise unzureichend. Deshalb wurde neben dem ADI-Wert ein weiterer Expositionsgrenzwert eingeführt, die sogenannte acute reference dose (akute Referenzdosis, ARfD). Die Weltgesundheits­organisation hat die ARfD als diejenige Substanzmenge definiert, die über die Nahrung innerhalb eines Tages oder mit einer Mahlzeit aufgenommen werden kann, ohne dass daraus ein erkennbares Gesundheitsrisiko für den Verbraucher resultiert. Anders als der ADI- wird der ARfD-Wert nicht für jedes Pflanzenschutzmittel festgelegt, sondern nur für solche Wirkstoffe, die in ausreichender Menge geeignet sind, die Gesundheit schon bei einmaliger Exposition schädigen zu können.

Das für die toxikologische Bewertung von Pflanzenschutzmittelrückstände zugrunde liegende Modell basiert auf einer konservativen Betrachtung der maximalen Verzehrsmengen (VELS-Studie¹) bei Kleinkindern (2 bis < 5 Jahre, durchschnittliches Körpergewicht 16,15 kg) und auf den aktuellen akuten Referenzdosen (ARfD) des Wirkstoffs.

1) Banasiak et al., Abschätzung der Aufnahme von Pflanzenschutzmittel-Rückständen in der Nahrung mit neuen Verzehrsmengen für Kinder, BGBl. 1, 2005.

Pressekontakt:
CVUA Stuttgart
Schaflandstraße 3/ 2 und 3/ 3
70736 Fellbach
Poststelle@cvuas.bwl.de
http://www.cvuas.de

Quelle: CVUA Stuttgart