Untersuchung zu Kinderlebensmitteln: Bärchenwurst, Gespenstersuppe und Milchmäuse sind überflüssig

„Mit wertvollen Vitaminen“, „mit dem Besten aus einem Glas Milch“, „31 % Vollkorn“ – so werben Hersteller für Lebensmittel, die sie als besonders gut für Kinder anpreisen. Bunte Sammelbilder, Comicfiguren und – ganz zeitgemäß – spezielle Internetauftritte locken die jungen Konsumenten direkt an. Denn nicht nur ihre Eltern, auch sie selber haben Kaufkraft – und das nicht zu knapp. Nach der Kids Verbraucheranalyse 2011 des Egmont Ehapa Verlages stehen den Sechs- bis 13jährigen in Deutschland jährlich 2,6 Milliarden Euro zur Verfügung. So ist es aus Sicht der Industrie ziemlich schlau, beide Generationen, und nimmt man noch Großeltern dazu, sogar drei, zu umwerben. Gesund und bunt – besser geht’s doch gar nicht. Oder?

Die Verbraucherzentrale Bremen hat sich die Produktpalette einmal genauer angesehen und 39 verschiedene Kinderlebensmittel eingekauft: Milchprodukte, Fertiggerichte, Wurst, Desserts, Getränke, Kekse und Snacks. Sie alle scheinen von ihrer Aufmachung und Werbung her besonders für Kinder geeignet zu sein. Bis auf zwei Produkte enthielten sie Nährwertangaben, die bislang freiwillig sind. Eine neue EU-Vorschrift verpflichtet die Hersteller zukünftig, den Energiegehalt, Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz in einer übersichtlichen Tabelle anzugeben.

Die Verbraucherzentrale hat in ihrer Untersuchung unter anderem die Gehalte an Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren und Salz nach den Kriterien des Ampelchecks der Verbraucherzentralen bewertet.

Der Ampelcheck ergab, dass 41 % der eingekauften Produkte zu viel Zucker, fast ein Drittel (32 %) zu viele gesättigte Fettsäuren und über ein Viertel (27 %) zu viel Fett enthalten.

Beispiele

Bei den „Cini Minis“ von Nestlé handelt es sich um ein Vollkornprodukt, das zusammen mit Milch verzehrt werden soll. „Gut und genussvoll“ kann man so laut Werbeaussagen in den Tag starten. Der Haken: Der Anteil an „wertvollem Vollkorngetreide“ (31 %) wird vom Zuckergehalt (32,8 %) noch übertroffen – wohl kaum ein guter Start für den Kindergarten oder die Schule.

Schon Kinder nehmen zu viele tierische Fette und gesättigte Fettsäuren auf. Den höchsten Gehalt an gesättigten Fettsäuren entdeckte die Verbraucherzentrale mit 22,5 % bei dem Kinder (Schoko-)Riegel von Ferrero. Vor allem die Schokoladenprodukte, aber auch Wurst oder Schmelzkäse haben zu hohe Gehalte.

Zu viel Fett und ein ungünstiges Verhältnis zwischen den verschiedenen Fettsäuren gelten als ein mögliches Risiko für Herzkreislauferkrankungen.

Die Verbraucherzentrale kritisiert auch, dass einige Kinderlebensmittel zu salzig sind und umstrittene Zusatzstoffe enthalten. Zudem sollen die Anreicherung mit Vitaminen und Mineralstoffen sowie Clean Label (zum Beispiel „ohne künstliche Aromen“) Gesundheit suggerieren. „Dabei handelt es sich um reine Augenwischerei, die die starke Verarbeitung und die ungünstige Nährstoffzusammensetzung vertuschen soll“, so Irmgard Czarnecki, Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale. Sie empfiehlt Eltern, die Werbesprüche der Hersteller schlicht zu ignorieren.

Aufschlussreicher sei es, sich auf den Lebensmittelverpackungen die Zutatenlisten und Nährwertangaben genau anzusehen und insbesondere fette und süße Lebensmittel oder solche mit umstrittenen Zusatzstoffen möglichst selten zu kaufen. Irmgard Czarnecki fordert zudem Gesetzesänderungen, die solche Täuschungsmöglichkeiten unterbinden.

Frisches Obst und Gemüse, naturbelassene Milchprodukte und Vollkornbrot schmecken auch Kindern gut – und sie sind viel gesünder, als die stark verarbeiteten Industrieprodukte.

Dr. Gruhl, Abteilungsleiter des Gesundheitsressorts: „Die Lebensmittelindustrie hat eine Verantwortung für ihre Werbestrategien, insbesondere wenn diese an Kinder und Jugendliche gerichtet sind. Verführende Desinformationen sind kein Beleg, dass Verantwortung korrekt wahrgenommen wird.“ Die Untersuchung wurde von der Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit gefördert.

Die gesamte Untersuchung mit den einzelnen Produktergebnissen (PDF, 3.5 MB):

Quelle: Verbraucherzentrale Bremen