Vielfalt und Nutzen von Streuobstwiesen

Streuobstwiesen – das ist ein Thema über das in den letzten Wochen viel berichtet wird. Die juice news Redaktion hat recherchiert, was dahinter steckt und warum Streuobstwiesen heute auf so großes Interesse stoßen. Öffentliche Gelder werden bereitgestellt, um Streuobstwiesenprojekte zu finanzieren. Schulen und Museen zeigen anhand von Streuobstwiesen, wer sich in diesem Lebensraum tummelt, denn sie sind heute für zahlreiche Tiere und Pflanzen eine entscheidende Lebensgrundlage, überhaupt existieren zu können. Auch Fruchtsaftunternehmen engagieren sich in der Erhaltung und sogar Verbreitung von Streuobstanlagen, um entsprechende Fruchtsäfte anbieten zu können. Für Wanderer und Spaziergänger werden Streuobstlehrpade und Streuobstrouten sowie Apfelwanderwege eingerichtet und genutzt, um sich über seltene Obstsorten und das Mosten zu informieren. Gerade jetzt im Herbst ist es zudem sehr beliebt, das Obst zu pflücken und es in lokalen Keltereien zu Saft pressen zu lassen. Kurzum: Streuobstwiesen sind wieder gefragt!

Der deutsche Streuobstanbau hat eine lange Geschichte (Download), die bereits im Mittelalter beginnt. Damals waren die Siedlungen noch von Obstwiesen umgeben. Sie wurden von den Bauern sowohl für den Obstanbau als auch für die Viehhaltung genutzt, denn dank der hohen Stämme, konnte das Vieh hier gut weiden. Im 18. und 19. Jahrhundert erlebte der Streuobstanbau einen richtigen Aufschwung. Der systematische Aufbau des Obstbaus begann, als auf Basis so genannter Generalskripte vorgeschrieben wurde, an welchem Standort jeder Bürger wie viele Obstbäume zu pflanzen hatte. Dies war die Basis des heutigen Steuobstanbaus, der sich aus reihenförmigen Obstpflanzungen entwickelte und erst durch die Entnahme einzelner Bäume den Eindruck eines „verstreut“ über die Landschaft gelegten Obstbaus vermittelte. Seit Beginn der 50er-Jahre nahm der Steuobstanbau in Deutschland zu Gunsten des Plantagenanbaus kontinuierlich ab. Heute gibt es allein in Baden-Württemberg, lt. baden-württembergischem Ministerium für Ländlichen Raum, 9,3 Mio. Streuobstbäume auf 116.000 Hektar Fläche. Dies entspricht ungefähr der Hälfte des bundesdeutschen Streuobstes (Download „Streuobstanbau Baden-Württemberg“). Heute besinnt man sich wieder auf Streuobstwiesen, weil damit wichtige Voraussetzungen gegeben sind, seltene Pflanzen, Tiere und Obstsorten zu erhalten. Zahlreiche Initiativen, Naturschützer, Landwirte, Keltereien und kommunale oder staatliche Einrichtungen bemühen sich um den Erhalt und die Förderung, d. h. auch den Ausbau traditioneller Streuobstwiesen, um den ökologischen Reichtum zu bewahren. Mit Aktionen wie „Auslobung der Streuobstsorte des Jahres“ werden aufmerksamkeitsstarke Maßnahmen umgesetzt. Verschiedene Organisationen benennen die jeweilige Streuobstsorte für ihre Region, die sie für besonders gefährdet halten. Dieses Jahr sind es z. B. die Apfelsorten Metzrenette in Hessen (Download), Kaiser Wilhelm in Saarland/Rheinland-Pfalz, Martini in Hamburg oder die Birnensorte Herzogin Elsa in Baden-Württemberg.

Charakteristisch für Streuobstwiesen sind unterschiedlich alte, hochstämmige und großkronige Obstbäume. Die Bäume scheinen auf der Wiese „verstreut“ zu sein, einheitliche Abstände oder etwa gerade Reihen sind nicht auszumachen. Aufgrund des sich entwickelnden Klimas durch das Miteinander von Bäumen und Wiesen, der relativen Ungestörtheit durch allenfalls extensive Bewirtschaftung zählen Streuobstwiesen heute zu den artenreichsten Biotopen Mitteleuropas. Insekten, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere finden hier einen Ort zum Leben – nicht selten mehr als 5.000 Tier- und Pflanzenarten, die teilweise vom Aussterben bedroht sind..

Die Vielfalt neuer und alter Obstsorten von Streuobstwiesen nutzen heute viele Keltereien, um ganz spezielle Fruchtsäfte herzustellen. Ihre Markenzeichen sind Regionalität, evtl. Sortenreinheit und eben ein besonders charakteristischer Geschmack. Insgesamt sind es mehr als 1.000 verschiedene Obstsorten, die heute auf den Streuobstwiesen in Deutschland zu finden sind. Das sind, regional unterschiedlich, Äpfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen oder auch Quitten.

Am häufigsten zu finden ist der Streuobstwiesenapfelsaft – ein naturtrüber Saft der aus unterschiedlichsten Sorten gepresst wird. Dazu kommt eine stetig wachsende Auswahl an sortenreinen, naturtrüben Apfelsäften wie Kaiser-Wilhelm oder Rubinette. Fast jeder zweite Liter Apfelsaft der in Deutschland produziert wird, enthält Streuobstapfelsaft, öfter jedoch vermischt mit Saft von Äpfeln aus Tafelobstplantagen. Reiner Streuobstsaft ist häufig als solcher ausgelobt. Die diesjährige Apfelernte aus Streuobstanlagen wird auf rund 800.000 Tonnen geschätzt, dies entspricht ungefähr 500 Mio. Liter Saft. Für jeden von uns stehen also ca. 6,5 Liter Streuobstapfelsaft zur Verfügung. Das müsste doch zu trinken sein. Wir dürfen also gespannt sein, welche Fruchtsäfte von den Streuobstwiesen in diesem Jahr die Renner der Saison werden.

Quelle: VdF