IVA zu Öko-Test: „Sind wir mit 0,005 Promille betrunken, Herr Stellpflug?“

Sicherheitsfaktor 100. Bei der Festlegung von Rückstands-Höchstgehalten steht an erster Stelle der Schutz der Gesundheit. / Öko-Test macht sich die Skandale selbst / Seriöser Journalismus bleibt auf der Strecke

Jeder weiß: Mit einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 0,5 Promille ist man fahruntüchtig. Man stelle sich vor, eine Zeitung bittet für Recherchen einige Autofahrer zum Alkoholtest und stellt bei den meisten gar nichts und bei wenigen Werte von, sagen wir, 0,00051 Promille bis 0,0057 Promille fest. Daraufhin veröffentlicht die Zeitung einen Artikel mit der Überschrift „Skandal! Betrunkene im Straßenverkehr“, weil sich das am Kiosk besser verkauft.

Nach diesem Muster hat die Zeitschrift „Öko-Test“ in ihrer aktuellen Ausgabe (September 2012) wieder das Thema Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in der Nahrung aufgegriffen. Zielscheibe diesmal: Glyphosat. Ein in der Landwirtschaft weit verbreiteter Wirkstoff zur Unkrautbekämpfung. Bei eigenen Proben stellten sie Rückstände in Getreideprodukten zwischen 0,017 mg/kg bis 0,12 mg/kg fest.

Im Gegensatz zu den Alkohol-Grenzwerten im Straßenverkehr sind die sogenannten Rückstands-Höchstgehalte in Lebensmitteln wenig bekannt, zumal sie nach wissenschaftlichen Untersuchungen für die jeweiligen Wirkstoffe ganz individuell von den Behörden festgelegt werden. Um den Verbraucher bestmöglich zu schützen, werden hohe Sicherheiten in diese Werte eingerechnet, meist der Faktor 100. (Beispiel: Würden in Versuchen 50 mg/kg als unbedenklich ermittelt, setzt man den Höchstgehalt zur Sicherheit dennoch bei 0,5 mg/kg an.)

Glyphosat wird von Landwirten in aller Welt eingesetzt – und von Behörden in aller Welt überwacht. EU-weit gilt für Weizen, der in Deutschland am häufigsten angebauten Getreideart, ein Rückstands-Höchstgehalt von 10 mg/kg. Mit den von Öko-Test gemessenen Rückständen würde dieser gerade einmal zwischen 0,17 und 1,2 Prozent ausgeschöpft.

Und wo, bitteschön, liegt jetzt der Skandal?

Öko-Test ist Wiederholungstäter, wenn es darum geht, mit der Angst der Verbraucher die Auflage zu steigern. Schon die Mai-Ausgabe der Zeitschrift („Unser täglich Gift“, 05/2012) sollte dem Käufer suggerieren, seine Lebensmittel wären nicht sicher. Das Titelblatt zeigte eine breite Auswahl gängiger Lebensmittel; gefunden hatte Öko-Test Überschreitungen der zulässigen Höchstgehalte aber nur bei exotischen Importprodukten wie Okraschoten, Weinblättern und Chili aus Uganda.

Vom TV-Magazin „Panorama“ des Norddeutschen Rundfunks (NDR) mit diesem Widerspruch konfrontiert, wies Öko-Test-Chefredakteur Jürgen Stellpflug den Vorwurf, mit Angst die Auflage steigern zu wollen, weit von sich. Dennoch musste er eingestehen, dass keines der von ihm auf der Titelseite der Zeitschrift gezeigten Lebensmittel in den Tests erhöhte Rückstände von Pflanzenschutzmitteln aufwies.

Panikmache als Verkaufsmasche? Nach Ansicht des Industrieverbands Agrar e. V. (IVA) ist das ein unverantwortliches Spiel mit den verständlichen Sorgen der Menschen. „Verbraucher reagieren sehr sensibel auf Meldungen zu Rückständen von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln. Zu den häufigsten Missverständnissen gehört die Vorstellung, diese seien ganz verboten. Statt aber aufzuklären, will Öko-Test wieder einmal nur die Auflage steigern. Seriöser Journalismus bleibt da auf der Strecke.“, kommentiert IVA-Hauptgeschäftsführer Volker Koch-Achelpöhler.

Quelle zur Recherche:
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Fragen und Antworten zu Pflanzenschutzmittel-Rückständen in Lebensmitteln:
http://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_pflanzenschutzmittel_rueckstaenden_in_lebensmitteln-8823.html

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Quelle: IVA