Grundlegende Umgestaltung gefordert: Landwirtschaft als eierlegende Wollmilchsau?

„Landwirtschaft steht in den kommenden Jahrzehnten vor der historischen Herausforderung, die Welternährung zu sichern, die Umwelt zu schützen und zudem das wirtschaftliche Wachstum anzuregen.“ So lautete das Eingangsstatement von Professor Christian Henning im Rahmen der 66. Öffentlichen Hochschultagung der Kieler Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät. Um diesen Zielen gerecht zu werden, sei eine grundlegende Umgestaltung der Landwirtschaft notwendig. Nur so sei es möglich, eine ausgewogene Balance zwischen Ökologie, Ökonomie und Wohlergehen des Menschen herzustellen.

Wobei solchen öffentlichen Gütern versagen Märkte jedoch regelmäßig als Allokationsmechanismus und führen demzufolge nicht zum Optimum. Folglich müsse die Politik aktiv werden und sich der Sache annehmen.

So müsse geklärt werden, welche Wechselbeziehungen zwischen Wirtschaft, Naturkapital und Wohlergehen bestehen und wie diese im Rahmen der politischen Entscheidungen zu berücksichtigen und durchzusetzen sind. Bei der Betrachtung der vielfältigen Abhängigkeiten und Zusammenhänge – national wie international – wurde schnell deutlich, vor welcher Mammutaufgabe z. B. auch die Europäische Agrarpolitik steht.

So führt die intensive Landwirtschaft in Teilen der EU zu lokalen Umweltproblemen sowie zu einer eingeschränkten Grundwasserqualität. Und auch außerhalb der EU wirkt die intensiv betriebene Landwirtschaft in Europa: So führen die für die intensive Tierhaltung notwendigen Importe von Soja zu deutlichen Veränderungen der Landnutzung in Südamerika. Mit entsprechenden ökologischen Konsequenzen.

Ein von verschiedenen Interessengruppen geforderter Umbau der hiesigen Landwirtschaft hin zu einer extensiven Bewirtschaftungsform sei aber schwer durchsetzbar und mit diversen wohlfahrtsbelastenden Konsequenzen verbunden. Ein Rückbau der Produktion hätte ein verringertes Exportvolumen zur Folge, das internationale Preisniveau würde sich erhöhen und die Versorgungslage in manchen Entwicklungsländern erschweren, so Henning.

Weiterhin wären auch solche Nationen von einer Extensivierung der hiesigen Landwirtschaft betroffen, die zu den aktuellen Lieferländern für Futtermittel und -komponenten zählen. Henning sieht die EU-Agrarpolitik in einem Dilemma: Die lokalen und globalen Umweltgüter wie Klimaschutz, Biodiversität und Wasserschutz sollen gestärkt werden und gleichzeitig sollen die Abhängigkeitsstrukturen der Entwicklungsländer von EU-Importen abgebaut werden. Eine allzu abrupte Umstellung in Richtung Nachhaltigkeit dürfte jedoch zumindest kurzfristig zu einer Erhöhung von Armut und Hunger in der Welt sowie zu einer erhöhten ländlichen Einkommensdisparität in der EU führen.

Wahrlich eine historische Herausforderung, es allen recht zu machen.

Quelle: Dr. Uwe Scheper, www.aid.de