Schwerpunkt Mensch, Blickpunkt Umwelt: Neue EU-Biorichtlinie gefährdet Kleinproduzenten in Entwicklungsländern

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Auf dem deutschen Markt tragen alle Fairtrade-Bananen auch ein Bio-Siegel. Die fairen Bio-Bananen kommen beispielsweise aus Peru.
(Bildnachweis: TransFair e.V. / Santiago Engelhardt)

Fairtrade auf der Biofach

Bio-Anbau ist global. Über 100 Fairtrade-Produzenten, Hersteller und Händler nutzen die Biofach-Messe in Nürnberg, um Kontakte zu knüpfen und Ihre Produkte zu präsentieren. „Bio ist die wichtigste Zweit-Zertifizierung für Fairtrade-Bauern: Über die Hälfte der Fairtrade-Organisationen sind auch Bio-zertifiziert, viele weitere arbeiten ohne Zertifikat, aber nach biologischen Richtlinien“, sagte TransFair-Vorstandsvorsitzender Dieter Overath. Die Kleinbauernorganisationen tragen damit zu Artenvielfalt, Bodenfruchtbarkeit und Ernährungssicherheit bei.

In Deutschland sind gemessen am Gesamtabsatz fast drei Viertel der Fairtrade-Produkte auch Bio-zertifiziert. Doch neue EU-Anforderungen könnten zukünftig den Import von Bio-Produkten insbesondere aus kleineren Entwicklungsländern erschweren – eine Gefahr auch für Fairtrade-Bauern, berichtete Antonio Compagnioni, Beiratsmitglied von IFOAM Europa.

Fairtrade – Neuheiten in Bioqualität

Insgesamt entwickelt sich der Absatz von Fairtrade-Produkten positiv, die ersten drei Quartale 2015 zeigen ein zweistelliges Plus. Fair und Bio sind dabei eine besonders beliebte Kombination. In Deutschland tragen viele Fairtrade-Produkte auch ein Bio-Siegel: 2015 betrug bei fairem Kaffee der Bioanteil 72 Prozent, bei Schokolade 61 Prozent, bei Tee 85 Prozent und bei Bananen 100 Prozent. „Gerade im Fairtrade-Bio-Bereich erleben wir eine große Kreativität in Sachen Neuprodukten. Diese Vielfalt findet sich insbesondere in Bio-Supermärkten. Die Biobranche ist in Sachen Fairtrade breit aufgestellt“, so Overath.

Auch für die Gastronomie wächst das Angebot: Die Fritz-Kulturgüter GmbH bringt mit Anjola eine trendige Bio-Fairtrade-Limonadenmarke in fünf Sorten auf den Markt. Livestyle in der Flasche gibt es auch als Eistee in drei Geschmacksrichtungen von Dietz unter der Marke teaz. Neupartner für Gastronomiebedarf ist die Firma MAL Somilareka Dissanayake mit sechs Produkten rund um die Kokosnuss – von Kokos-Chips, über -Milch, bis -Wasser. 2016 startet mit weiteren bio-fairen Produkten: Im ersten Quartal stellt Rewe Bio-Vollrohr- und Rohrohrzucker auf Fairtrade um.

Fairtrade als Schritt Richtung Bio-Anbau

Ein Großteil der Biobauern weltweit, gut 80 Prozent, lebt in Afrika, Lateinamerika und Asien. Die meisten davon sind Kleinbauern, die auf geringer Fläche ihre Produkte anbauen. Bio heißt aber nicht automatisch fair. Darum hat sich die Fairtrade-Bewegung zum Ziel gesetzt, Kleinbauernorganisationen in Entwicklungs- und Schwellenländern zu unterstützen – unter anderem durch stabile Mindestpreise, zusätzliche Prämien und Beratung vor Ort. Bio-Anbau ist im fairen Handel keine Pflicht, aber „ein Drittel der Kriterien im Fairtrade-Standard befassen sich mit Umweltaspekten. Der faire Handel ist ein großer Schritt Richtung Bio-Anbau“, erläuterte Dieter Overath, Vorstandsvorsitzender von TransFair e.V.

Keine weiteren Hürden für Bio-Produkte aus Entwicklungsländern

Die EU plant, die Richtlinien für Bio-Importe für Drittstaaten zu ändern. Statt wie bisher äquivalente Bio-Standards oder -Zertifizierungsorganisationen anderer Länder zu akzeptieren, sieht der neue Entwurf vor, dort, wo keine bilateralen Verträge zwischen Anbauland und EU vorhanden sind, für die Importerlaubnis die strikte Einhaltung spezifischer EU-Standards zu fordern.

Doch die berücksichtigen nicht die klimatischen und strukturellen regionalen Unterschiede. „Mit dieser Regelung kommen gerade auf Produzenten vieler Entwicklungsländer große technische und finanzielle Auflagen zu, um Zugang zu EU-Standards zu bekommen“, warnte Bio-Experte Antonio Compagnioni. Das würde auch Fairtrade-Kleinbauernorganisationen hart treffen, denn „die wenigen bilaterale Vereinbarungen gibt es vor allem mit wirtschaftlich entwickelten großen Produzentenländern, nicht mit kleineren und vermeintlich unbedeutenderen. Das bedeutet für die Kleinbauernorganisationen dieser Länder enorme Kosten für weitere Zertifizierungen, die in der EU akzeptiert sind, wenn sie ihre Ware weiter exportieren wollen. Viele von ihnen werden den Zugang zum europäischen Markt verlieren.“

Compagnioni ist Beiratsmitglied von IFOAM Europa, stellvertretender Vorstands-vorsitzender von Fairtrade Italien sowie Mitglied des Fairtrade-Standardkomitees. „Die aktuellen Import-Regelungen müssen verbessert werden, sie sind aufwändig, wenig transparent und benötigen besserer Aufsicht. Aber dabei dürfen wir die weniger entwickelten Nicht-EU-Länder nicht außer Acht lassen! Das sind Schwerpunktländer für Fairtrade und Bio-Anbau. Ihr Beitrag zum Einkommen in den örtlichen Gemeinden, zur Ernährungssicherheit und zur Bewahrung der regionalen Ökosysteme ist enorm.“ Ende Februar wird der Entwurf erneut diskutiert.

Fürth wird 396 Fairtrade Town

Um 19 Uhr am heutigen Donnerstag wird Fürth zur 396. Fairtrade Town in Deutschland ausgezeichnet. Unter den Ehrengästen im Grüner Brauhaus (Comödie Fürth) sind Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, Thomas Jung, Oberbürgermeister Stadt Fürth sowie Jutta Czurda, Patin der Fairtrade Town Fürth. Die Urkunde überreicht TransFair-Vorstandsvorsitzender Dieter Overath.

Internationale Fairtrade Conference und Fairtrade Awards am 3. März in Berlin

Ganz im Zeichen verantwortungsvoller Wertschöpfung dreht sich die Internationale Fairtrade Conference in Berlin am Donnerstag, 3. März. In der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung diskutieren unter der Überschrift „Nachhaltigkeit in der globalen Lieferkette“ unter anderem Staatssekretär des Umweltministeriums Jochen Flasbarth, Matthias Berninger, Head of Public Policy bei Mars Inc., Achim Lohrie, Direktor Unternehmensverantwortung der Tchibo GmbH und Andreas Huber, Geschäftsführer Deutsche Gesellschaft Club of Rome. Im Anschluss werden im Hotel Ellington zum 5. Mal die Internationalen Fairtrade Awards verliehen. Moderiert wird die Veranstaltung von Anke Engelke.

Hintergrund

Der Verein TransFair e.V. wurde 1992 mit dem Ziel gegründet, benachteiligte Produzentengruppen in Entwicklungsländern zu unterstützen. Als unabhängige Organisation handelt TransFair e. V. nicht selbst mit Waren, sondern setzt sich für mehr fairen Handel und nachhaltigen Konsum ein.

TransFair gehört zum internationalen Verbund Fairtrade International e.V., in dem Fairtrade Organisationen aus 25 Ländern und die drei kontinentalen Produzentennetzwerke zusammengeschlossen sind. Fairtrade International entwickelt die international gültigen Fairtrade-Standards.

Alle beteiligten Akteure entlang der Lieferkette werden regelmäßig von FLOCERT GmbH kontrolliert. Die Gesellschaft arbeitet mit einem unabhängigen und weltweit konsistenten Zertifizierungssystem nach den Anforderungen der Akkreditierungsnorm ISO 17065 (DIN EN 45011).

Pressekontakt:
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Quelle: TransFair