Hintergrund: Fragen und Antworten zu einer möglichen Neuzulassung von Glyphosat

In Kürze stimmen Experten der EU-Mitgliedstaaten über eine mögliche Neuzulassung des Herbizids Glyphosat ab.

Sie finden hier Fragen und Antworten zur derzeitigen Diskussion um die Neuzulassung des Wirkstoffs in der EU.

(Bitte beachten Sie: dies ist keine offizielle Verlautbarung der Europäischen Kommission, sondern ein erläuternder Frage-Antwort-Katalog über Verfahren und Hintergründe, das Sie bei Bedarf für Ihre Berichterstattung nutzen können. Ausführliche Informationen, insbesondere zum Gutachten der  Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und zum Ablauf des Verfahrens finden Sie auch auf der Website der EFSA hier und hier.

Was ist Glyphosat?

Glyphosat ist ein Wirkstoff, der breiten Einsatz in Pflanzenschutzmitteln findet. Auf Glyphosat basierende Pflanzenschutzmittel (d.h. Formulierungen, die Glyphosat und weitere chemische Stoffe enthalten) werden in Landwirtschaft und Gartenbau vor allem zur Bekämpfung von Unkräutern verwendet, die mit Kulturpflanzen konkurrieren. Die Ausbringung erfolgt in der Regel vor der Aussaat und zur Trocknung vor der Ernte, was die Pflanzen schneller und gleichmäßiger reifen lässt.

Worum dreht sich die derzeitige Diskussion?

Die Zulassung von Glyphosat läuft in der EU zum 30.06.2016 aus. (Sie lief ursprünglich zum 31.12.2015 aus, wurde aber um sechs Monate verlängert, um ausreichend Zeit für eine umfassende und gründliche Neubewertung des Wirkstoffes zu haben). Diskutiert wird derzeit über die Neuzulassung von Glyphosat in der EU.

Wie lange wäre eine solche Neuzulassung gültig?

Im Falle einer Neuzulassung würde die Zulassung für Glyphosat voraussichtlich für 15 Jahre erneuert.

Was passiert, wenn es nach einer Zulassung oder Neuzulassung von Stoffen in der EU neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt?

Die Zulassung von Wirkstoffen kann jederzeit überprüft werden, sobald es Hinweise darauf gibt, dass ein Wirkstoff nicht mehr sicher ist. Beispielsweise hat die EU 2013 angesichts neuer wissenschaftlicher und fachlicher Erkenntnisse über ein hohes akutes Risiko für Bienen die Nutzung der Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid eingeschränkt, siehe hier .

Wie funktioniert das Zulassungsverfahren auf EU-Ebene?

Die Prüfung eines Wirkstoffes in der EU erfolgt gemeinschaftlich unter Beteiligung aller Mitgliedstaaten, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Europäischen Kommission. Die Bewertung zu einem Antrag wird dabei zunächst von einem Mitgliedstaat als „Berichterstatter“ (Rapporteur Member State, RMS) durchgeführt, der einen umfassenden Bewertungsbericht erstellt. Im Falle der Neuzulassung von Glyphosat ist dies Deutschland. Die deutschen Behörden haben ihren Bericht im Dezember 2013 an die EFSA übermittelt.

Die anderen Mitgliedstaaten und die EFSA prüfen und kommentieren diesen Bewertungsbericht im Rahmen des „peer review“. Im Zuge der EFSA-Prüfung in Sachen Glyphosat fand neben der detaillierten Konsultation mit allen EU-Staaten auch eine 60tägige öffentliche Konsultation statt. Die EFSA verlangte zudem zusätzliche Informationen vom Hersteller des Wirkstoffs, Monsanto.

Mit einbezogen in die Glyphosat-Bewertung hat die EFSA auf Ersuchen der Europäischen Kommission natürlich auch die Ergebnisse der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC), die Glyphosat ebenfalls untersucht hat (mehr Informationen s.u.).

Basierend auf ihrer Prüfung erstellt die EFSA abschließend einen zusammenfassenden Bericht (EFSA Conclusion), der die Grundlage für die Abstimmung der Experten der EU-Mitgliedstaaten und der Entscheidung der Europäischen Kommission über die Genehmigung eines Wirkstoffes bildet. Den Bericht zum Wirkstoff Glyphosat vom November 2015 und weitere Informationen können Sie hier einsehen.

Über eine Neuzulassung des Wirkstoffs stimmen die Experten der EU-Mitgliedstaaten im zuständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed, PAFF Comittee) ab.  Auf Basis dieser Abstimmung erfolgt dann die Genehmigung eines Wirkstoffes in der EU durch die Europäische Kommission, die Voraussetzung für seine Zulassung in Pflanzenschutzmitteln.

Wann wird die Entscheidung über eine Neuzulassung fallen?

Die nächste Sitzung des zuständigen Ausschusses der Experten aus allen EU-Mitgliedstaaten ist für den 7. und 8. März angesetzt. Dort wird es weitere Diskussionen über eine Neuzulassung von Glyphosat geben. Eine Abstimmung der Experten der EU-Staaten kann entweder dann oder zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Die Kommission wird eine Entscheidung auf Basis der Abstimmung im Ausschuss bis zum 30. Juni 2016 annehmen.

Sollte die EU-Kommission die Neuzulassung von Glyphosat beschließen, haben die EU-Staaten dann 12 Monate Zeit, die auf ihrem Territorium verkauften Pflanzenschutzmittel, die Glyphosat enthalten, neu zu bewerten und ggf. neu zuzulassen.

Zu welcher Bewertung gelangten EFSA und Mitgliedstaaten bei der Prüfung von Glyphosat im Rahmen der Peer Review?

Die Peer-Review-Gruppe kam zu dem Schluss, dass Glyphosat wahrscheinlich nicht genotoxisch (d.h. DNA schädigend) ist oder eine krebserregende Bedrohung für den Menschen darstellt. Es wurde nicht empfohlen, Glyphosat als karzinogen gemäß der EU-Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von chemischen Stoffen einzustufen.

Insbesondere waren sich die Experten aus den Mitgliedstaaten, mit einer Ausnahme (Schweden), einig, dass weder die epidemiologischen Daten (d.h. solche in Bezug auf den Menschen) noch die Befunde aus Tierstudien einen Kausalzusammenhang zwischen der Glyphosat-Exposition und einer Krebsentstehung beim Menschen aufzeigten.

Auf Ersuchen der Europäischen Kommission berücksichtigte die EFSA auch den von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) veröffentlichten Bericht, in dem Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen eingestuft wird.

Warum gelangte die IARC zu einem anderen Ergebnis?

Die EU-Bewertung berücksichtigt entsprechend geltendem EU-Recht ausschließlich den Wirkstoff Glyphosat.

Der IARC-Bericht betrachtete sowohl Glyphosat – den Wirkstoff an sich – als auch Glyphosat-basierte Formulierungen, wobei alle Formulierungen unabhängig von ihrer Zusammensetzung zusammengefasst wurden. Dies ist insofern wichtig, als Studien darauf hindeuten, dass bestimmte Glyphosat-basierte Gemische genotoxisch (d.h. DNA schädigend) sein könnten, während andere, die nur den Wirkstoff Glyphosat betrachten, diese Wirkung nicht zeigen.

Es ist daher wahrscheinlich, dass die in einigen glyphosatbasierten Gemischen beobachteten genotoxischen Effekte nicht mit Glyphosat, sondern mit anderen Bestandteilen oder „Beistoffen“ im Zusammenhang stehen.

Deshalb empfiehlt die EFSA in ihrer Bewertung, dass die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten die Toxizität jedes einzelnen Pflanzenschutzmittels, und insbesondere dessen genotoxisches Potenzial, eingehender berücksichtigen.

Denn: In der EU sind die Mitgliedstaaten selbst für die Bewertung von Pflanzenschutzmitteln verantwortlich, die in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet in Verkehr gebracht werden. Das heißt: Pflanzenschutzmittel, die Sie im Laden kaufen können und die Glyphosat und andere sogenannte Beistoffe enthalten, werden auf nationaler Ebene genehmigt. Grund dafür ist, dass die Zulassungsbestimmungen in verschiedenen EU-Staaten unterschiedlich sein können, abhängig von landwirtschaftlichen Praktiken oder Umweltbedingungen. (Ausführlich nachzulesen hier )

Was ist der Unterschied zwischen „Risk“ und „Hazard“?

Es gibt einen weiteren wichtigen Unterschied in der Riskobewertung durch IARC und EFSA.

Die IARC betrachtet in ihrer Bewertung das Ausmaß eines möglichen Schadens (Gefährdungspotential, engl. hazard), während die EFSA darüber hinaus die Wahrscheinlichkeit betrachtet, mit der dieser Schaden auftritt – also welches Risiko (risk) dafür besteht. Letzteres ist zum Beispiel abhängig davon, in welchem Maß man einem potentiellen „Hazard“ ausgesetzt ist.

„Hazard“ umfasst also alles, das potentiell Schaden verursachen kann, während die Riskobewertung zum Ziel hat, das „Risk“ einer tatsächlichen Schädigung zu ermitteln. Das Risiko, durch bestimmte Stoffe geschädigt zu werden, kann also gleich null oder nahe null sein, wenn man diesem potentiellen „Hazard“ so wenig wie möglich ausgesetzt ist.

Was ist mit gefährlichen „Beistoffen“ (z.B. POE-Tallowamine)?

Die Europäische Kommission hat bereits vorgeschlagen, POE-Tallowamine in allen glyphosat-basierten Gemischen zu verbieten.  Dies basiert auf der Bewertung des Stoffes durch die EFSA: Sie hat Bedenken hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Zusätzlich hat die Kommission mit der EFSA und Mitgliedsländern die Arbeit aufgenommen, um eine Liste mit Beistoffen zu erstellen, die grundsätzlich in Pflanzenschutzmitteln EU-weit nicht mehr eingesetzt werden dürfen.

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Quelle: EU Kommission