Epidemiologische Studien zu Glyphosat: Keine neuen Erkenntnisse für die europäische Risikobewertung

Europäische Bewertungsbehörden, IARC und BfR leiten aus epidemiologischen Studien übereinstimmend die Bewertung „limited evidence for carcinogenicity in humans“ (begrenzte Hinweise auf krebsauslösende Wirkung beim Menschen) ab.

In den Medien wird derzeit über die Bewertung epidemiologischer Studien zu den gesundheitlichen Wirkungen von Glyphosat diskutiert. Das BfR hat in diesem Zusammenhang ein im Auftrag von Nichtregierungsorganisationen erstelltes, sogenanntes Gutachten zu epidemiologischen Studien eingeschätzt und kommt zu dem Schluss, dass keine neuen Erkenntnisse für die gemeinschaftliche europäische Bewertung des Wirkstoffs Glyphosat berichtet werden. Die in dem sogenannten Gutachten enthaltenen Vorwürfe wissenschaftlicher Täuschung seitens der Bewertungsbehörden sind haltlos und liefern keinen neuen inhaltlichen Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs. Sie wurden weder in der öffentlichen Konsultation noch in einer peer-reviewten Fachpublikation zur Verfügung gestellt.

Der im sogenannten Gutachten kritisierte Bewertungsbericht des BfR (RAR) wurde im Rahmen der Konsultation der europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) zu Glyphosat umfangreich durch die Öffentlichkeit, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen kommentiert und bewertet. Der Bericht wurde von den Experten der Mitgliedsstaaten bestätigt und inhaltlich übernommen. Es handelt sich somit um eine europäische Risikobewertung und nicht mehr um eine Risikobewertung des BfR bzw. der EFSA. Der Bewertungsbericht liegt der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten zur Entscheidung für die Wiederzulassung des Wirkstoffes Glyphosat vor.

Das Ergebnis des RAR entspricht im Übrigen der fachlichen Bewertung der epidemiologischen Studien durch die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), die Hinweise für die Kanzerogenität von Glyphosat beim Menschen auf Basis der epidemiologischen Studien auch als lediglich begrenzt („limited evidence in humans“) eingestuft hat.

In diesem sogenannten Gutachten wird behauptet, dass Mitarbeiter des BfR versucht haben, epidemiologische Methoden mit einer für Tierexperimente vorgeschlagenen Methodik zu bewerten mit der Folge, dass die Studien vom BfR als „wissenschaftlicher Abfall“ (not reliable) abqualifiziert wurden. Richtig ist, dass das BfR die für toxikologische Studien entwickelte Methodik mit dem Ziel eingesetzt hat, die Verwendbarkeit der Ergebnisse der einzelnen Studien für die gesundheitliche Bewertung des Wirkstoffs Glyphosat transparent zu beurteilen und Limitierungen der Studien für die erneute EU-Wirkstoffgenehmigung konkret zu benennen.

Diese Vorgehensweise hat dazu geführt, dass eine Studie beispielsweise als „not reliable“ bewertet wurde, wenn sie regulatorisch nicht oder nur sehr eingeschränkt verwendbar war, zum Beispiel weil bestimmte Informationen in der Publikation nicht bzw. nur unzureichend berichtet wurden. Die regulatorische Bewertung als „not reliable“ ist somit als „not reliable for the approval of the active substance glyphosate” zu verstehen. Die Beurteilung “not reliable” kann dagegen nicht in dem Sinne des sogenannten Gutachtens interpretiert werden, dass die betreffenden Studien als wissenschaftlich mangelhaft angesehen wurden.

In dem sogenannten Gutachten wird zudem behauptet, dass im RAR Studien als „not reliable“ abqualifiziert wurden, weil angeblich relevante Daten (z. B. Rauchverhalten) nicht erhoben worden seien. Richtig ist, dass in den Studien zahlreiche relevante Lebensstilfaktoren abgefragt wurden, aber ihr Einfluss auf das Ergebnis nicht immer transparent und nachvollziehbar berichtet wurde. In den Publikationen nicht berichtete Informationen können keine Grundlage der wissenschaftlichen Bewertung darstellen. Dies wurde bereits ausführlich bei einer Anhörung im deutschen Bundestag beim Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft diskutiert.

Das erneute Genehmigungsverfahren für den Wirkstoff Glyphosat folgt den gleichen Verfahrensregeln und Prinzipien eines europäischen Gemeinschaftsverfahrens unter Federführung der EU-Kommission, wie sie für alle anderen Pestizidwirkstoffe gelten. Im derzeit laufenden EU-Wirkstoffverfahren für Glyphosat hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) alle bis zum jeweiligen Redaktionsschluss der verschiedenen Bewertungsberichte verfügbaren Studien wissenschaftlich fundiert und mit höchster Sorgfalt geprüft und bewertet. Dazu gehören auch alle epidemiologischen Studien, die die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) in ihrer Monographie zitiert hat. Die Ergebnisse dieser epidemiologischen Studien werden sowohl vom BfR als auch von den Bewertungsbehörden der EU und anderer Länder weltweit als wenig relevant für die Bewertung des Wirkstoffs eingestuft.

Das BfR empfiehlt grundsätzlich, Diskussionen über wissenschaftliche Studien im Rahmen der Konsultation oder auf wissenschaftlicher Ebene, selbstverständlich auch wenn nötig kontrovers, zu führen. Ein integraler Bestandteil der Wissenschaft ist dabei der wissenschaftliche Publikationsprozess. Thesen oder Kommentare zu Studien können dem wissenschaftlichen Diskurs nur zugeführt werden, wenn diese publiziert wurden und die entsprechenden Schlussfolgerungen transparent nachvollziehbar sind.

Weitere Informationen auf der BfR-Website zum Thema „Glyphosat“

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Quelle: BfR – Hintergrundinformation Nr. 010/2016 vom 21. April 2016