DLG-Zöliakietagung 2016: Erfolgreiche Strategien zur Verbesserung glutenfreier Lebensmittel

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Die Referenten des DLG-Forums FoodTec: Lebensmittel für Zöliakie- und Glutenintoleranz-Betroffene (v.l.n.r.): Dana Elgeti, Dr. Martin Zarnkow, Ph. D. Claudia Axel, Prof. Mag. Dr. Regine Schönlechner, Roland Kerpes, Dr. Martin Reichmayr, Dr. Katharina Scherf, Prof. Dr. Herbert J. Buckenhüskes, Dr. Stefano D’Amico, Markus Düsterberg, Hans-Jürgen Seitz, Hertha Deutsch, Dr. Frank Jakob.

Zweitägiges branchenübergreifendes Diskussionsforum mit internationalen Experten in Frankfurt. Herausforderungen glutenfreier Lebensmittel im Fokus.

Hersteller, die im wachsenden Markt glutenfreier Lebensmittel aktiv sind, stehen vor technologischen, sensorischen, ernährungsphysiologischen und rechtlichen Herausforderungen. Im Rahmen des zweitägigen Forums FoodTec der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) diskutierten internationale Experten der Zöliakie-Forschung sowie der Lebensmitteltechnologie in Frankfurt am Main erfolgversprechende Strategien zur Verbesserung der Lebensmittelqualität für Zöliakie- und Glutenintoleranz-Betroffene.

Zöliakie und Glutenintoleranz sind Erkrankungen, die auf einer Überempfindlichkeit gegen Gluten beruhen, das in vielen Getreidesorten als Klebereiweiß enthalten ist. Aufgrund neuerer Studien zählen diese zu den am häufigsten vorkommenden ernährungsbedingten Erkrankungen. Da die Zöliakie bisher nicht ursächlich behandelt werden kann, ist eine lebenslange glutenfreie Ernährung nach augenblicklichem Erkenntnisstand die einzige Möglichkeit, der Krankheit zu begegnen.

Zur Herstellung glutenfreier Lebensmittel bieten sich im Prinzip drei Wege an: Zum einen der Einsatz glutenfreier Rohstoffe, ergänzt durch weitere Zutaten sowie angepasste Prozesse. Zum anderen die vorangehende Entfernung der krankheitsauslösenden Proteine aus glutenhaltigen Rohstoffen. Und schließlich die nachträgliche Entfernung durch biologische, chemische oder physikalische Verfahren. Im Verlauf der Fachtagung wurde daher auch diskutiert, inwieweit diese Ansätze bei Backwaren, Nudeln und Bier als den drei wichtigsten Warengruppen Niederschlag gefunden haben.

Brot – der richtige Mix macht’s

Bisher schnitten glutenfreie Brote in punkto Geschmack, Volumen, Krume, Textur, Frischhaltevermögen, mikrobiologische Sicherheit und Nährwertbilanz meist schlechter ab als klassische Brote, stellte Dr. Claudia Axel vom UCC, Cork in ihrem Überblick fest. Zu den möglichen Stellschrauben gehört die Auswahl an glutenfreien Hauptzutaten, sprich Getreidealternativen und/oder Stärken. Nach Meinung der Referentin sollte man bei der Cerealienwahl mit Blick auf den Nährwert möglichst solche mit einem hohen Gehalt an Ballaststoffen und Mikronährstoffen bevorzugen. Bei Stärkemehlen gelte es die je nach Pflanzenart unterschiedliche Größe der Stärkekörner zu berücksichtigen, da diese die Krumenstruktur stark beeinflusse.

Bissfeste und elastische Pasta – und trotzdem glutenfrei?

Auch wenn die Herstellung glutenfreier Nudeln weniger schwierig zu sein scheint als Brot, nimmt das Klebereiweiß hier wieder eine Schlüsselrolle ein. Vor allem verringert Gluten den Kochverlust und sorgt für den typischen Biss. Nach Meinung von Dr. Regine Schönlechner, BOKU Wien, sollten Hersteller Stärken mit hohem Amylosegehalt und Tendenz zur Retrogradation bevorzugen. Bei ihren Versuchen mit Bandnudeln aus 100% Pseudogetreide hätte sich außerdem Vollkornmehl als vorteilhaft erwiesen, möglichst ergänzt durch eine geringe Menge Albumin.

Bier bei Zöliakie – Spielraum für Innovationen

Lange Zeit sollten Zöliakiepatienten Biere meiden. Änderung ist aber in Sicht, wie aus den Erläuterungen von Dr. Martin Zarnkow, Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität, hervorging. Der Experte verwies zunächst darauf, dass Bier durch den Mälz-Brauprozess sowieso relativ wenig Gluten enthält und daher zumindest Lagerbier von Glutensensitiven oft vertragen werde. Andererseits sorgt Gluten in Bier für die charakteristische Schaumbildung, was daher ein wichtiges Beurteilungsmerkmal bei der Entwicklung glutenfreier Alternativen sein muss. Während züchterisch veränderte glutenfreie Gerste in Deutschland wenig Chancen hätte, verwies Zarnkow auf bereits erhältliche Biere mit Hirse, Mais, Reis oder Buchweizen.

Andererseits könnten Brauer die Glutenfraktion aus konventionellen Rohstoffen entfernen, indem sie der Endfiltration eine Reinigung mit proteinbindenden Filterhilfsmitteln vorschalten oder im Verlauf des Brauprozesses Enzyme wie Transglutaminasen und prolinspezifische Endo-Proteasen zusetzen.

Roland Kerpes vom Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie an der TU München griff die Idee des enzymatischen Glutenabbaus auf, wobei er den Fokus auf endogene Gerstenmalz-Enzyme legte. Bei den Versuchen der Arbeitsgruppe hat sich ein im Verlauf der Herstellung zugegebener Gerstenmalz-Extrakt als sinnvoll erwiesen, bei dem erst bestimmte Prozessbedingungen die Aktivität der Peptidasen initiierten. Laut Kerpes ließ sich der Glutengehalt auf diese Weise auf durchschnittlich 14 ppm senken. Da die Enzyme im Endprodukt keine Wirkung mehr ausübten, würde das Produkt zugleich dem Reinheitsgebot entsprechen. Allerdings wiesen auch diese Testbiere eine geringe Stabilität beim Schaum und Trübung auf und entsprachen geschmacklich nicht dem Gewohnten.

DLG-Forum FoodTec: Zöliakie

Die zweitägige Veranstaltung findet alle drei Jahre statt und wird gemeinsam organisiert vom DLG-Fachzentrum Lebensmittel, der europäischen Zöliakiegesellschaft, dem Verein Österreichischer Lebens- u. Biotechnologen, der Schweizerischen Gesellschaft für Lebensmittel-Wissenschaft und Technologie sowie der Gesellschaft Deutscher Lebensmitteltechnologen. Im Fokus stehen branchenübergreifende Diskussionen über aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen und Fortschritte rund um glutenfreie Lebensmittel.

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Quelle: DLG