Vegane Ernährung im Fokus: Nische mit Gesellschaftsfunktion

Vegan contra vegetarisch, Paleo contra Vollwert oder Low Carb. Die Diskussion über unterschiedliche Ernährungsstile erhitzt Gemüter und Medien gleichermaßen. Der Verein DIE LEBENSMITTELWIRTSCHAFT hat dazu einen facettenreichen Beitrag geliefert. Bei der Veranstaltung „Mehr als ein Trend? Essen ist die neue Politik“ diskutierten Experten der unterschiedlichsten Fachrichtungen mit entsprechend vielseitigen Blickwinkeln.

Paul Pollinger, Gründer und Inhaber der veganen Metzgerei „Vetzgerei“ in Berlin, will mit seinen rein pflanzlichen Aufschnitten und Aufstrichen eine leckere Alternative zu Käse und Wurst bieten. „Es sollte letztlich egal sein, ob ein Produkt vegan ist oder nicht, wenn es gut ist und ich weiß, wo es herkommt und was drin ist.“

Ähnlich argumentierte Jan Bredack, Gründer und Inhaber der Supermarktkette „Veganz“: „Es geht darum, wirklich einer breiten Masse, vielen Menschen, pflanzliche Produkte, Innovationen zugänglich zu machen.“ Veganismus sei eine von zahlreichen Alternativen. Er warf ein Streiflicht auf die Käufer von veganen Produkten. „Ernährung hat etwas mit Bildung und Geld zu tun. Zuwächse haben wir vor allem bei der Generation 55plus.“

Auch aus Sicht von Jana Rückert-John, Professorin für Soziologie des Essens an der Hochschule Fulda, ist Veganismus zwar in der Alltagspraxis angekommen, jedoch auf ein bestimmtes soziales Milieu beschränkt und bei Weitem nicht mehrheitsfähig. Sie bescheinigte der veganen Bewegung jedoch nicht zu unterschätzende soziale und gesellschaftliche Funktionen: „Veganismus hat ein gesellschaftliches Störpotenzial, denn er hinterfragt unsere Art der Tierhaltung.“ Gleichzeitig sei Veganismus nicht nur ein Ernährungsstil, sondern auch ein Lebensstil, eine Form der Unterscheidung, der Abgrenzung und der Selbstdefinition.

Professor Andreas Pfeiffer, Direktor der Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin an der Charité Berlin, griff die zentrale Frage nach der Proteinversorgung auf. „Tierische und pflanzliche Proteine sind generell gleichwertig gut“, lautete seine Zusammenfassung. „Pflanzenprotein ist etwas, was aus ökonomischen Gründen sehr verfügbar ist und was wir daher sicherlich mehr nutzen sollten.“ So sei das Potenzial von Rapsprotein als Baustein beispielsweise in Brot oder Nudeln bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.

Das Fazit von Stephan Becker-Sonnenschein, Geschäftsführer von DIE LEBENSMITTELWIRTSCHAFT, würden wohl die meisten der Veranstaltungsteilnehmer unterschreiben: Er ordnete Veganismus als „riesige Chance für die traditionelle Landwirtschaft und die traditionelle Lebensmittelwirtschaft“ und als „neues Geschäftsmodell, meist im hochpreisigen Segment“ ein. Es sei eine „interessante Nische, allerdings auf sehr kleinem Niveau“.

Quelle: Eva Neumann, www.aid.de