Ernährungsräte machen Schule: Wenn Städte, Landwirte und Verbraucher sich zusammen tun

Ernährungsräte sorgen dafür, dass es in Städten wieder mehr lokale und nachhaltige Lebensmittel gibt. Der erste Ernährungsrat gründete sich im März in Köln, der zweite in Berlin. Und es werden immer mehr: Auch in Städten wie Hamburg, Leipzig, Ludwigsburg, Oldenburg und Kassel gibt es Initiativen, berichtete der Dokumentarfilmer Valentin Thurn kürzlich in Bonn bei einer Informationsveranstaltung der Transition Initiative Bonn im Wandel e. V.. Thurn ist Mitinitiator des Kölner Ernährungsrates, der nach einem Jahr Vorbereitungszeit mit NRW-Umweltminister Johannes Remmel und der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker gegründet wurde.

„Wir brauchen wieder gerechte Lebensmittelpreise“, sagt Thurn. „Im Moment bezahlen wir unsere Lebensmittel zweimal. Einmal an der Kasse und einmal durch die Schäden, die das Ernährungssystem in der Umwelt und der Gesellschaft anrichtet.“ Denn die meisten Lebensmittel, die im Supermarkt landen, sind weit gereist, hoch verarbeitet, aufwändig verpackt, mit entsprechenden Konsequenzen für die Umwelt, das Klima und auch die regionalen Höfe.

Ernährungsräte sollen und wollen hier Abhilfe schaffen. Sie setzen auf politischer Ebene an. Experten aus der Land- und Ernährungswirtschaft, der Verbraucherschaft und der Verwaltung arbeiten gemeinsam daran, die regionale Lebensmittelversorgung zu stärken und zu verbessern. Ihr Ziel: Ein Masterplan für die regionale Ernährungspolitik. Im englischsprachigen Ausland gibt es schon über 100 solcher Gremien.

Der London Food Board beispielsweise hat gemeinsam mit dem Bürgermeister von London das Programm „Growing a Million Meals“ aufgelegt. Urbane Gärtner bekommen Unterstützung über das Netzwerk „Capitalgrowth“. Es bietet Veranstaltungen, Bildungs- und Beratungsangebote. Über 2.500 Gärten sind hier schon registriert. Im kanadischen Toronto wurde ein Grüngürtel mit Ackerland geschaffen für die lokale Lebensmittelproduktion. Auf über 700.000 Hektar Land konnten 5.500 landwirtschaftliche Betriebe erhalten oder neu angesiedelt werden, meist Familienbetriebe.

In Köln haben sich rund um den Ernährungsrat vier Ausschüsse gebildet: Einer für regionale Direktvermarktung, einer für Ernährungsbildung und Schulverpflegung, ein weiterer Ausschuss für Urbane Landwirtschaft/Essbare Stadt und schließlich eine Gruppe, die sich mit Veranstaltungen zum Thema regionale, nachhaltige Ernährung beschäftigt. Über 100 Menschen engagieren sich ehrenamtlich dafür.

Die Stadt Köln stellt Räumlichkeiten zur Verfügung und gibt organisatorische Unterstützung. In den Ausschüssen läuft die inhaltliche Arbeit. Hier wird diskutiert, auf welchen Wegen die Schulverpflegung regionaler werden kann. Und hier treffe die gestandene Landwirtin auf den jungen Social-Media Fan, der den Vorteil von Apps für die Direktvermarktung erklärt, berichtet Zoe Heuschkel, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Osnabrück. Denn auch die Wissenschaft ist schon mit im Boot und freut sich über das neue Forschungs- und Experimentierfeld.

Am meisten überrascht hat Valentin Thurn im vergangenen Jahr der Zulauf der Landwirte, auch der konventionellen. Seine Vision: Er würde gerne das Höfesterben bremsen. „Wir stehen bei der Ernährung da, wo wir in den 80er Jahren mit der Energiewende standen“, meint Thurn. „Damals konnte die Bundesregierung bereits auf Insellösungen zugreifen. Das müssen wir jetzt im Bereich Ernährung auch schaffen. Change by Design ist mir lieber als Change by Desaster.“

Weitere Informationen:

  • aid-Portal zu Urban Gardening
  • Ernährungsrat in Köln
  • Studie regionaler Konsum in Freiburg

Quelle: Gesa Maschkowski, www.aid.de

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