Neue Zahlen: Wasserknappheit trifft vier Milliarden Menschen

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Arjen Hoekstra, Professor für Wassermanagement an der University of Twente in Enschede. Foto: University of Twente

Arjen Hoekstra, Professor für Wassermanagement an der University of Twente in Enschede, prüfte die weltweite Wasserverfügbarkeit auf Monatsbasis. Sein Ergebnis: Mindestens vier Milliarden Menschen leiden weltweit jährlich mindestens einen Monat unter Wasserknappheit. Weit mehr als bisher von Fachleuten angenommen. Auch Deutschland verschärft dieses Problem. Er belegt dies mit Hilfe des Wasserfußabdruckes des Landes.

In Deutschland ist Wasser überall und jederzeit verfügbar. Ein Vorteil, den nicht alle Länder besitzen. Und das sollte den deutschen Unternehmen und Haushalten zu denken geben. Denn indem sie Produkte importieren, die mit viel Wasser auch in wasserarmen Ländern hergestellt werden, verschärft sich das weltweite Problem. Ein bewussterer Einkauf wäre also ein – notwendiger – Anfang, betont Arjen Hoekstra, Professor für Wassermanagement an der University of Twente in Enschede. Denn seine Erkenntnis ist alarmierend: Mindestens vier Milliarden Menschen leiden weltweit jährlich mindestens einen Monat unter Wasserknappheit. Weit mehr als bisher von Fachleuten angenommen.

Mit seiner Erkenntnis zum Ausmaß der Wasserknappheit überraschte Arjen Hoekstra die Fachwelt, die bisher von zwei bis drei Milliarden betroffenen Menschen ausging. Grund für die unterschiedlichen Zahlen: Bisher berechneten Experten die Wasserknappheit auf Jahresbasis. „Das ergibt ein positiveres, aber falsches Bild, denn Durststrecken spielen sich gerade in Trockenperioden ab“, erläutert der Wissenschaftler aus Enschede. Hoekstra sieht genauer hin und prüft die Wasserverfügbarkeit Monat für Monat. Dabei wurde klar, dass das Problem weit größer ist. „Das hat alle überrascht.“

Wasserfußabdruck in Deutschland

Doch welchen Wasserverbrauch verursachen deutsche Unternehmen, Landwirte und Haushalte im eigenen Land und weltweit? Noch in diesem Jahr möchte Hoekstra hierzu Karten veröffentlichen, die den von Deutschland in der Welt hinterlassenen Fußabdruck des Wasserverbrauchs (Water Footprint), aber auch den jedes Landes der Erde zeigen. Zum Wasserfußabdruck gehört das gesamte Wasser, das über die komplette Prozesskette für die Produktherstellung direkt oder indirekt verbraucht und verschmutzt wurde.

Hoekstra hat berechnet, dass Deutschland im Ausland einen Wasserfußabdruck von 69 Prozent hinterlässt, im Inland sind es nur 31 Prozent. Dabei handelt es sich um Wasser, das zu einem nicht unerheblichen Teil in kritischen Ländern, also Ländern mit einer gewissen Wasserknappheit, verwendet wird. Zu den kritischen Ländern, die am Produktionsprozess für importierte Produkte beteiligt sind, gehören etwa Spanien und Pakistan.

In Deutschland liegt der Wasserfußabdruck bei insgesamt 120.000 Millionen Kubikkilometer pro Jahr. Jeder einzelne nutzt 3.900 Liter am Tag – ähnlich ist der Verbrauch in Großbritannien und in den Niederlanden. Dagegen ist er in den USA doppelt so hoch.

Zuckerrohr aus Pakistan und Reis aus Indien

Um den Verbrauch des nassen Elementes in Ländern mit Wasserknappheit zu verringern, sollten die Produkte im eigenen Land hergestellt werden, das sei auch bei vielen Gütern möglich. Das gelte, so Hoekstra, vor allem für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Denn die machen rund 90 Prozent des gesamten weltweiten Wasserfußabdruckes aus. So solle beispielsweise Getreide nicht von weit her importiert werden, sondern vor Ort produziert werden. „In Nordeuropa ist genügend Land und Wasser vorhanden.“ Die Realität sehe aber nicht selten anders aus – Reis wird aus Indien, Zuckerrohr aus Pakistan und Bohnen aus Peru importiert.

Der Konsument hat die Wahl, „doch häufig fehlt die Transparenz beim Produkt“, also wo es hergestellt wurde und ob es nachhaltig erzeugt wurde. „Hier könnte die Regierung leicht eingreifen“, etwa durch eine Etikettenpflicht. Letztendlich brauche es aber europäische Regelungen, denn viele Produktketten seien nun mal international, so Hoekstra.

Wasserknappheit nimmt zu

Auch die Nutzung fossiler Energie verbraucht große Mengen Wasser. Hier hält der Professor der University of Twente Wind- und Solarenergie für viel effizienter. „Das passiert in Deutschland und das ist gut so.“ Hier sei man besser aufgestellt als in anderen europäischen Ländern.

Aber es muss noch viel mehr passieren, denn die weltweite Wasserknappheit wird weiter zunehmen. Das Weltwirtschaftsforum hat sie bereits auf Rang eins als weltweites Risiko mit großer Wirkung gesetzt. Trotz gewachsenem Umweltbewusstsein steige der Wasserbedarf weltweit.

Einen Tipp für Konsumenten hat Hoekstra auch: Weniger Fleisch essen. Denn dessen Wasserfußabdruck sei im Vergleich zu anderen Lebensmitteln sehr hoch. Und hier ist der Wissenschaftler aus Enschede konsequent: Als Vegetarier möchte er einen wenn auch kleinen Beitrag leisten und spart so rund 800 Liter Wasser täglich: Hoekstra lebt seine Forschung, die für ihn nicht nur Beruf, sondern auch Berufung ist.

Info-Box: Netzwerken gegen Wasserknappheit

Arjen Hoekstra ist Professor für Wassermanagement an der University of Twente. Er führte den Begriff Wasserfußabdruck ein. Der niederländische Wissenschaftler gehörte 2008 mit zu den Gründern des Water Footprint Network, einem Netzwerk mit Wissenschaftlern und rund 200 Unternehmen. Das Netzwerk arbeitet auch mit der UN zusammen.

Info-Box: Und so viel Wasser wird benötigt …

Wer sich Arjen Hoekstras Zahlen zu den Wasserfußabdrucken von Produkten betrachtet, erkennt, wie unterschiedlich hoch der Wasserverbrauch im Produktionsprozess ist. Auffallend sind die hohen Werte bei Fleisch. Bis schließlich ein Kilogramm Rindfleisch auf dem Esstisch serviert wird, wurden bis dahin rund 15.400 Liter Wasser benötigt.

Eine Pizza Margherita (725 Gramm) verlangt 1.260 Liter, 1 Kilo Brot 1827 Liter, 1 Kilo Käse 5060 Liter, 100 Gramm Schokolade 1.700 Liter, 1 Tasse Kaffee (125 ml) 130 Liter und 1 Glas Bier (250 ml) 74 Liter. Dagegen werden für eine große Banane (200 Gramm) nur 160 Liter benötigt. Bei den Werten handelt es sich um globale Durchschnittswerte.

Quelle: Alf Buddenberg, Press Relations Department
University of Twente