Zu wenig Geld für Tierwohl: Fachtagung zum Status quo

Mehr Platz und Stroh für Schweine, Liegematten für Kühe und Wetzsteine für Geflügel – die Verbraucher wünschen sich mehr Wohlergehen für Nutztiere. Allerdings seien nur circa 20 Prozent der deutschen Bevölkerung bereit, für Tierwohlprodukte deutlich mehr auszugeben, so eine Untersuchung der Universität Göttingen. „Etwa 80 Prozent der Befragten würden einen Mehrpreis von höchstens 20 Prozent für Fleisch- und Wurstwaren aus tiergerechter Haltung bezahlen“, berichtete Professor Ludwig Theuvsen auf der Fachtagung „Tiere & Wohlergehen“ der Universität Hohenheim Mitte Juni 2016.

Während die Verbraucher die Tierhaltung kritisieren, sehen die Tierhalter selbst das anders. Etwa 60 Prozent der Landwirte seien überzeugt, dass ihre Tierhaltung tiergerecht sei, so eine weitere Untersuchung der Universität Göttingen. Viele würden aber gerne mehr tun.

Um den Tierschutz voran zu bringen, fordert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, den Gesetzgeber auf, ein staatliches Label für Tierschutz einzuführen, strengere gesetzliche Standards zu beschließen und endlich eine Nutztierstrategie vorzulegen.

In Deutschland gibt es bisher das wenig verbreitete zweistufige Tierschutzlabel „Für Mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes und die Brancheninitiative Tierwohl des Handels. Bei letzterer zahlen Handelsunternehmen für jedes verkaufte Kilogramm Fleisch vier Cent in einen Fonds. Daraus erhalten zertifizierte Schweine- und Geflügelmäster einen Zuschuss für Tierwohlmaßnahmen. Doch das Geld reicht bisher nicht aus. „Damit lässt sich kein Umbau von Warmmastställen bei Schweinen finanzieren, sondern sind nur minimale Verbesserungen wie ein Loch in der Stallwand zu erreichen“, kritisiert Tierschützer Schröder.

Wenn so wenig Mittel für bessere Haltungsbedingungen vorhanden sind, sollten die knappen Ressourcen wenigstens den Tieren optimal weiterhelfen. Doch hier fehlt es an praxisnaher Forschung. Deswegen haben die Verhaltensphysiologen der Universität Hohenheim mehrere Versuche gestartet. Beispielsweise bekommen Schweine Langstroh, Spielzeugbälle oder Wühlecken angeboten. Die Beliebtheit der Beschäftigungsgeräte lässt sich daran erkennen, wie viel Aufwand die Borstentiere betreiben, um die Geräte zu nutzen. Sind sie beispielsweise bereit, dafür einen Schalter zu drücken? An bestimmten Indikatoren lässt sich das Tierwohl sogar messen: „Wenn wir den Tieren die Beschäftigungsgeräte wegnehmen, können wir erfassen, wie sie reagieren. Zum Beispiel wie viel Stresshormon Cortisol die Tiere ausschütten.

Ein weiterer guter Indikator für das Tierwohl ist das Immunsystem“, erklärt Professor Volker Stefanski. Bisher gäbe es für das Wohlbefinden der Tiere keine wirkliche Skala. „Für Menschen bedeutet schlechtes Wohlergehen eben nicht nur Verletzungen und Krankheiten, sondern auch psychische Beeinträchtigungen wie übermäßiger Stress, Frustration, Langeweile oder auch Einsamkeit, was vermutlich auch auf viele Nutztiere zutreffen dürfte“, so der Nutztierforscher.

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Quelle: Jutta Schneider-Rapp, www.aid.de