Die Gefahr auf dem Teller: Lebensmittelallergien besser behandeln

Lebensmittelallergien nehmen seit Jahren zu. Für Patienten gibt es derzeit nur eine Lösung: das Vermeiden der allergieauslösenden Produkte. Fraunhofer-Forscher leisten einen wichtigen Beitrag zum Verbraucherschutz – sie entwickeln Verfahren, um die allergenen Substanzen in Nahrungsmitteln gezielt und sicher nachzuweisen. Zudem etablieren sie Prozesse, die die allergieauslösenden Eigenschaften von Lebensmittelzutaten reduzieren. Den Fokus ihrer Forschungsarbeiten legen sie auf Soja.

Nicht für jeden ist Essen mit Genuss verbunden. Nach der Mahlzeit leiden viele Menschen unter Bauchschmerzen, Juckreiz oder Durchfall. Häufig ist eine Lebensmittelallergie für die Beschwerden verantwortlich. Vor allem Erdnüsse, Fisch, Milch, glutenhaltiges Getreide, Eier, Sellerie, Krebstiere, Schalenfrüchte, Senf, Sesamsamen und Sojaproteine lösen die ungewünschten Reaktionen aus. Betroffenen bleibt nur eines übrig: Sie müssen Nahrungsmittel mit ihrem Allergieauslöser vermeiden. Doch dies ist nicht einfach. Schon kleinste Mengen von Allergenen können unbeabsichtigt ins Lebensmittel geraten, etwa bei der Verarbeitung verschiedener Produkte in einer Maschine. Da diese Spuren keine Zutat sind, werden sie nicht immer auf der Verpackung aufgelistet. Für Nahrungsmittelallergiker stellen die versteckten Allergene in Lebensmitteln ein gesundheitliches Risiko dar.

Im Projekt »LowAllergen« wollen vier Fraunhofer-Institute die Situation von Lebensmittelallergikern verbessern: Das Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI, für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME und für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM arbeiten gemeinsam an neuartigen Analysen von Lebensmittelallergien, der sicheren Bewertung von Allergenen, der Verringerung des allergenen Potenzials von Nahrungsmitteln sowie an Nachweisverfahren, die dieses exakt bestimmen. Es gilt, die allergieauslösenden Proteine zu identifizieren und Technologien zu etablieren, um diese bei der Lebensmittelproduktion zu entfernen beziehungsweise so zu behandeln, dass sie keine Allergien mehr auslösen. Dabei kooperieren sie mit dem Universitätsklinikum Leipzig.

Kaum allergenfreie Lebensmittel im Warenregal

»Bislang gibt es mit Ausnahme von Babynahrung keine Lebensmittel, die hypoallergen sind, die wenig Allergieauslöser enthalten. Diese herzustellen ist sehr aufwändig. Das liegt unter anderem daran, dass sich die allergenen Bestandteile von Lebensmittelzutaten zwar grundsätzlich nachweisen lassen, aber die spezifische Allergenität bisher nicht bestimmt werden konnte«, sagt Dr. Michael Szardenings, Gruppenleiter am IZI. Dies ist dem Forscher und seinem Team jetzt am Beispiel von Soja gelungen. »Der menschliche Körper kann Antikörper gegen alle fremden Substanzen bilden. Nach unseren Erkenntnissen sind dies bei Soja mehr Stellen in den allergenen Proteinen als erwartet.«

Die Wissenschaftler haben ein Verfahren etabliert, mit dem die von den Antikörpern des Patienten erkannten allergieauslösenden Bestandteile/Regionen von Proteinen – Experten nennen sie Epitope – direkt aus den Antikörpern im Blutserum gelesen werden. »Antikörper, die bei einer Allergie aktiviert werden, richten sich gegen bestimmte Molekülabschnitte der Allergene. Auf diese Molekülabschnitte, die sogenannten Epitope, reagieren die Patienten. Wir konnten 374 allergierelevante Epitope identifizieren«, so der Teilprojektleiter. Hierfür analysierten die Forscher 50 Blutseren von Patienten mit Sojaallergie. Dabei wendeten sie vor allem ein im Institut weiterentwickeltes »Peptide Phage Display« an, ein Verfahren unter anderem zur Erforschung von Proteinen und der Aufklärung von Antikörper-Interaktionen.

Sojaproteine, die weniger Allergien auslösen

Darüber hinaus konnten die Kollegen vom IVV in Freising zeigen, dass sich Sojaproteine so modifizieren lassen, dass sie weniger allergen sind. Mit verschiedensten Methoden wurden Sojaproteinisolate hergestellt und verändert. Zum Einsatz kamen unterschiedliche Erhitzungverfahren, die Behandlung mit Plasma, gepulstem UV-Licht, Gamma-Strahlung und Hochdruck sowie chemische, enzymatische und fermentative Verfahren. Vor allem durch die Kombination aus enzymatischer Hydrolyse und einer mikrobiellen Fermentation konnten die Wissenschaftler Sojaproteinzutaten mit besonders niedriger Immunreaktivität gewinnen.

»Die enzymatische Hydrolyse zielt auf einen Abbau der Epitope, der allergieauslösenden Bestandteile der Proteine, ab. Auch spezielle Epitope, sogenannte Konformationsepitope, können durch Um- und Auffaltung der Proteinstruktur beseitigt werden, oder die Aminosäuresequenz der Proteine wird zerstört«, erläutert Dr. Peter Eisner, Wissenschaftler am IVV und Projektkoordinator. Die so hergestellten Sojaproteine zeichnen sich zudem durch bessere sensorische Eigenschaften wie Geschmack aus. »Wir haben bereits eine Patentanmeldung zur Herstellung hypoallergener Proteinpräparate eingereicht«, sagt Eisner.

Neuer Allergietest – ein Tropfen Blut genügt

Mit dem Projekt »Food Allergen« wollen die Wissenschaftler an ihre Forschungsergebnisse anknüpfen und die etablierten Methoden auf andere Lebensmittelallergene anwenden. Um die Patientendiagnostik weiter zu verbessern, planen die Forscher des IVV, des IZI und des IME gemeinsam mit der Uniklinik Leipzig in großem Umfang die Seren von Allergikern zu untersuchen.

Ein Ziel ist eine Biobank mit mehr als 500 Seren von Betroffenen. »Wir arbeiten an einem Test, der es ermöglicht, mit nur einem Tropfen Blut des Patienten ein breites Spektrum an Lebensmittelallergien zu erkennen«, so Szardenings. Damit ließen sich auch Kreuzreaktionen besser bestimmen, die mit dem derzeit in Arztpraxen angewandten Hauttest, dem Prick-Test, nicht auseinander gehalten werden können. Ist jemand beispielsweise allergisch auf Birkenpollen, reagieren seine Antikörper oft mit Sojaproteinen. Der Befund wäre im Prick-Test also positiv, obwohl der Betreffende gar nicht auf Soja allergisch ist. »Mit unserem Test könnte man genau erkennen, ob das Risiko für eine Sojaallergie vorliegt. Er könnte sogar gleich in der Arztpraxis ausgewertet werden«, sagt Szardenings.

Eine Idee der Forscher ist es, die Auswertung zukünftig mit einer App zu verbinden. »Man nimmt mit seinem Smartphone ein Foto des Tests auf und erhält das Ergebnis kurz darauf über die App, die mit einer Auswertesoftware verknüpft ist.« Das Projekt FoodAllergen startete im Frühjahr 2016 und läuft bis März 2019. Die Fraunhofer-Zukunftsstiftung fördert das Vorhaben mit 6,6 Millionen Euro.

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Jens Augustin
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Quelle: Forschung Kompakt / 1.9.2016