Neubewertung von Lebensmittelzusatzstoffen: EFSA schließt umfangreiches Programm ab

Von Gummibärchen bis Marmelade, von Desserts bis zu Getränken, Farbstoffe werden zahlreichen Lebensmitteln zugesetzt, um Farbverluste auzugleichen, natürliche Farben zu verstärken oder Lebensmitteln Farbe zu geben, die ansonsten farblos wären. Wie bei allen Lebensmittelzusatzstoffen, können EU-Risikomanager nur solche Farbstoffe zur Verwendung zulassen, deren Sicherheit von der EFSA bewertet wurde. Mit der jüngsten Annahme von zwei Gutachten zu Annattoextrakten und Titandioxid erreichte die Behörde einen wichtigen Meilenstein und brachte die Neubewertung aller Lebensmittelfarben, die vor 2009 zugelassen wurden, zum Abschluss.

Ruud Woutersen, stellvertretender Vorsitzender des EFSA-Gremiums für Lebensmittelzusatzstoffe und Nährstoffquellen, die Lebensmitteln zugesetzt werden (ANS), sowie Vorsitzender der Arbeitsgruppe, die mit der Neubewertung der Lebensmittelfarben beauftragt war, erläutert die Hintergründe, Herausforderungen und Auswirkungen dieses umfangreichen Arbeitsprogramms.

Warum wurde diese Arbeit durchgeführt?

Die ursprüngliche Bewertung und Zulassung vieler Lebensmittelzusatzstoffe liegt oft schon lange Zeit zurück. Um diese Bewertungen auf den neuesten Stand zu bringen, ersuchte die Europäische Kommission die EFSA, bis zum Jahr 2020 alle Zusatzstoffe, die vor dem 20. Januar 2009 zugelassen wurden, neu zu bewerten und dabei etwaige neue Erkenntnisse zu berücksichtigen. Auf Grundlage der wissenschaftlichen Beratung der EFSA entscheiden die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten dann, ob die Verwendungsbedingungen für einen Zusatzstoff zu ändern sind oder dieser, falls nötig, zum Schutz der Verbraucher von der EU-Liste zulässiger Lebensmittelzusatzstoffe zu streichen ist. Da Lebensmittelfarbstoffe zu den frühesten zugelassenen Zusatzstoffen zählen, wurde ihre Neubewertung priorisiert.

Was beinhaltete die Arbeit?

Insgesamt hat das ANS-Gremium 41 Lebensmittelfarbstoffe erneut bewertet. Wir sichteten alle verfügbaren, einschlägigen wissenschaftlichen Studien sowie Daten zur Toxizität und Exposition des Menschen, woraus wir Rückschlüsse auf die Sicherheit des jeweiligen Stoffes zogen. Im Rahmen der Bewertungen legte das Gremium, wenn möglich (d.h. wenn genügend wissenschaftliche Daten vorlagen), für jeden Stoff eine zulässige tägliche Aufnahmemenge (Acceptable Daily Intake – ADI) fest. Eine erste Reihe von sechs Neubewertungen wurde 2009 vorgelegt, und die Neubewertung der meisten Lebensmittelfarbstoffe war bis zum Jahr 2012 abgeschlossen. In der Zwischenzeit hat das Gremium die Neubewertung vieler anderer Lebensmittelzusatzstoffe fortgesetzt und zum Abschluss gebracht. So haben wir etwa die Neubewertung des Süßungsmittels Aspartam – einen weiteren wichtigen Meilenstein unserer Arbeit – 2013 abgeschlossen sowie Neubewertungen für die Mehrzahl der Konservierungs- und Antioxidationsmittel vorgelegt.

Worin bestanden die Herausforderungen?

Unsere Fähigkeit, die Sicherheit von Lebensmittelzusatzstoffen neu zu bewerten, hängt wesentlich von der Verfügbarkeit wissenschaftlicher Daten ab. Im Falle eines Neuantrags auf Zulassung eines Zusatzstoffs muss der Antragsteller detaillierte chemische und toxikologische Informationen einreichen. Bei Neubewertungen ist dies nicht der Fall. In Ermangelung ausreichender Daten können Bewertungen ergebnislos verlaufen; das Gremium kann aber auch einen vorläufigen ADI-Wert festlegen, wie wir es 2009 für den Farbstoff Sunset Yellow taten, mit dem wie uns 2014 erneut befasst haben. Seit 2007 hat die EFSA 15 Aufrufe zur Einreichung von Daten zu Lebensmittelzusatzstoffen durchgeführt, von denen sich sechs auf Lebensmittelfarbstoffe bezogen. So wurden neue Konzentrationsdaten verfügbar, dank derer wir Expositionsabschätzungen verfeinern konnten, zum Beispiel die von Zuckerkulören (2012) und Allurarot (2015).

Welche Auswirkungen hatte die Neubewertung bisher?

Angesichts neuer Informationen setzte die EFSA den ADI-Wert für mehrere Lebensmittelfarben herab. Davon ausgehend verringerte die Europäische Kommission 2012 die in Lebensmitteln zulässigen Höchstgehalte für drei dieser Farbstoffe (E 104, E 110 und E 124). Eine weiterer wichtige Folge war die Aufhebung der Zulassung des Farbstoffs Rot 2G (E 128) im Jahr 2007. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die seinerzeit verfügbar wurden, deuteten darauf hin, dass der Einsatz dieses Lebensmittelzusatzstoffs Sicherheitsbedenken hervorrufen könnte. Die EU-Entscheidungsträger stimmten mit der EFSA darin überein, dass dieser Farbstoff nicht als sicher für Menschen betrachtet werden könne, woraufhin seine Verwendung in der EU ausgesetzt wurde.

Nach getaner Arbeit, was kommt als nächstes?

Der Abschluss der Neubewertungen aller Lebensmittelfarben ist ein wichtiger Meilenstein für die EFSA. Aber unsere Arbeit geht weiter. Es gibt noch immer eine beträchtliche Zahl an Lebensmittelzusatzstoffen, die bis 2020 neu zu bewerten sind. Und selbstverständlich sind wir jederzeit darauf vorbereitet, etwaige Ad hoc-Anfragen der Kommission zu beantworten oder auf eigene Initiative Farb- und andere Zusatzstoffe angesichts neu vorliegender wissenschaftlicher Informationen oder sich ändernder Verwendungsbedingungen erneut zu prüfen.

Wie sieht es mit Futtermittelfarbstoffen aus?

Als Lebensmittelzusatzstoffe verwendete Farbstoffe können auch für den Einsatz als Futterzusätze zugelassen werden. Ihre Sicherheitsbewertung erfolgt durch das EFSA-Gremium für Zusatzstoffe, Erzeugnisse und Stoffe in der Tierernährung (FEEDAP), wobei aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Rahmenbedingungen andere Datenanforderungen zum Tragen kommen. Um die Konsistenz der Risikobewertungsansätze sowie die wechselseitige Berücksichtigung der verfügbaren wissenschaftlichen Informationen zu gewährleisten, koordinieren die beiden Gremien ihre wissenschaftliche Arbeit. Beispielweise griff das ANS-Gremium bei seiner Sicherheitsbewertung des Farbstoffs Patentblau V (2013) auf Daten aus Studien zurück, die auch vom FEEDAP-Gremium verwendet wurden.

Wenn Sie zurückblicken, was nehmen Sie persönlich mit von der geleisteten Arbeit?

Man ist nie zu alt, um dazu zu lernen; und wenn ich mich zusammen mit Kollegen aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen mit diesen komplexen Bewertungen befasse, entdecke ich bei jedem Treffen etwas Neues. Meine wissenschaftliche Hauptaufgabe bei dieser Arbeit – als staatlich anerkannter toxikologischer Pathologe – ist sehr fachspezifisch. Daher ist es für mich zum Beispiel wichtig, von den Chemikern und Biochemikern mehr über die Spezifikationen der zu bewertenden Verbindungen zu erfahren, um bestimmen zu können, ob die Tierstudien mit der Verbindung so durchgeführt wurden, wie sie auch vermarktet wird. Ebenso wichtig sind die Informationen, die wir von den Medizinern und Epidemiologen über mögliche Wirkungen beim Menschen erhalten.

Unsere Experten auf dem Gebiet der Expositionsabschätzung tragen ebenfalls wesentlich zur endgültigen Form der Schlussfolgerungen bei; potenzielle Risiken für Verbraucher lassen sich nur einschätzen, wenn man weiß, in welchem Umfang Menschen exponiert sind. Abgesehen davon also, dass ich sehr stolz darauf bin, zur Verbrauchersicherheit in Europa beizutragen, ist es vor allem auch der interdisziplinäre Charakter, der mich an dieser Arbeit reizt und nach wie vor zur Beteiligung im Gremium und seinen Arbeitsgruppen motiviert.

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Quelle: EFSA