Schwerwiegende Befangenheit der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA bei Bewertung wissenschaftlicher Publikation

EFSA und EU-Kommission unter Verdacht des Missbrauchs ihrer Macht, um eigene Position vor Gericht zu stärken.

Testbiotech erhebt schwere Anschuldigungen gegen die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA). Konkret geht es dabei um Interessenkonflikte bei der Bewertung einer wichtigen wissenschaftlichen Publikation. Im Juli 2016 stellte die EFSA nach Anfrage der EU-Kommission die Behauptung auf, dass eine aktuelle Publikation norwegischer Wissenschaftler, die sich mit den Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen befasst, keine endgültigen Schlussfolgerungen erlaube und deswegen bei der Risikobewertung ignoriert werden könne. Die Publikation aus Norwegen ist gleichzeitig ein wichtiges Dokument in einem Gerichtsverfahren am Gerichtshof der EU (T177/13), an dem auch die EFSA und die EU-Kommission beteiligt sind.

Im Gerichtsverfahren geht es um den Vorwurf von Testbiotech, dass die Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen nicht ausreichend untersucht werden, bevor sie in der EU zugelassen werden. Testbiotech hatte das Dokument als Beweismittel eingereicht, um zu zeigen, dass die EU-Kommission und EFSA wichtige Risiken außer Acht lassen. Testbiotech befürchtet, dass die EU-Kommission und die EFSA mit der Abwertung der Studie eigene Interessen verfolgen, um sich Vorteile vor Gericht zu verschaffen.

Testbiotech brachte das Gerichtsverfahren gegen die EU-Kommission im Jahr 2013 auf den Weg und wirft dieser konkret vor, die gentechnisch veränderten Sojabohnen „Intacta“ von Monsanto ohne ausreichende Risikoprüfung zugelassen zu haben. Daraufhin traten die EFSA, Monsanto und die Regierung von England dem Verfahren auf der Seite der EU-Kommission bei. Die Soja ist resistent gegenüber Glyphosat und produziert ein Bt-Insektengift. Testbiotech argumentiert u. a., dass die Wechselwirkungen zwischen den Rückständen des Einsatzes von Glyphosat und dem Insektengift untersucht werden müssen, bevor über die Sicherheit der Sojabohnen entschieden werden kann.

Die Gerichtsanhörung fand im Mai 2016 statt. In diesem Zusammenhang reichte Testbiotech die neue Publikation der norwegischen Wissenschaftler (Bøhn et al., 2016) als wichtiges Dokument ein, weil es über Wechselwirkungen zwischen Bt-Insektengiften und Glyphosat berichtet. Dabei wurden unerwartete schädliche Effekte bei Wasserflöhen (Daphnia magna), die in der Forschung als Modellorganismus dienen, beobachtet. Nach Aufforderung durch die EU-Kommission legte die EFSA danach ihre Stellungnahme vor und behauptete, die Studie weise generelle methodische Mängel auf, wodurch die Bewertung der Ergebnisse erschwert werde.

Diese Behauptung der EFSA ist allerdings mehr als zweifelhaft: (1) Die Behörde befasste sich nur mit einem kleinen Ausschnitt der Ergebnisse, erklärt aber alle Befunde wegen angeblicher methodischer Mängel für nicht relevant. (2) Zugleich hatte die EFSA die Autoren der Studie nicht kontaktiert, um Fragen bezüglich der Methodik zu klären. (3) Schließlich empfahl die Behörde trotz erheblicher Unsicherheiten, auf weitere Untersuchungen zu verzichten. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das ausgesprochen überraschend, weil die akkumulierte Wirkung von Bt-Toxinen und Rückständen von Glyphosat bisher kaum untersucht wurde. Gerade diese Frage ist aber für die Bewertung einer Vielzahl gentechnisch veränderter Pflanzen wie Mais, Baumwolle und Soja relevant. Damit geht die Bedeutung der Studie weit über das aktuelle Gerichtsverfahren hinaus.

Auf Nachfrage erklärte Thomas Bøhn, einer der Verfasser der wissenschaftlichen Publikation: „Unsere Publikation zeigt interessante Ergebnisse, die weitere Untersuchungen nach sich ziehen müssen. Daphnia magna sollte gegenüber Bt-Insektengiften gar nicht empfindlich sein. Doch genau das ist hier der Fall. Dabei verursachte eine verdoppelte Dosis auch entsprechend höhere Schäden. Dies ist relevant, wenn beispielsweise Bt-Toxine in gentechnisch veränderten Pflanzen kombiniert werden. Zudem haben wir herausgefunden, dass es Wechselwirkungen zwischen Glyphosat und den Bt-Giften gibt, was zeigt, dass wir ein besseres Verständnis der Wirkung dieser ,Giftcocktails‘ benötigen. Für mich ist es überraschend, dass die verantwortliche Behörde weitere Untersuchungen für nicht notwendig hält.“

Ein weiterer Grund zur Sorge besteht für Testbiotech auch darin, dass der bei der Bewertung durch die EFSA an führender Stelle beteiligte Experte, Yann Devos, eine aktive Rolle in einer Organisation mit dem Namen „International Society for Biosafety Research“ (ISBR) spielt. Diese Organisation wird zu großen Teilen von der Industrie finanziert. Der Fall Yann Devos war jüngst auch Gegenstand mehrerer Schreiben an die EFSA. Deren Direktor Bernhard Url behauptet allerdings, dass hier keine Interessenkonflikte vorliegen würden.

„Die EFSA muss ihre Bewertung zurückziehen. Die EU-Kommission hätte die EFSA niemals auffordern dürfen, einzelne Befunde dieser wissenschaftlichen Publikation zu bewerten, und die EFSA hätte sich dieser Anfrage der Kommission widersetzen müssen. Stattdessen hätte man eine Bewertung durch unabhängige Experten verlangen müssen, die auch die Wissenschaftler aus Norwegen miteinbezieht“, erklärt Christoph Then für Testbiotech.

Testbiotech fordert daher, dass die EU-Kommission weitere Zulassungen entsprechender gentechnisch veränderter Pflanzen stoppt, solange deren Sicherheit nicht überprüft wurde. Wenn es hier Unsicherheiten gibt, muss das Vorsorgeprinzip zum Schutz von Mensch und Umwelt zur Anwendung kommen und es müssen weitere Untersuchungen durchgeführt werden.

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Quelle: Testbiotech