Weizensensitivität: Diagnose durch Ausschlussverfahren

Univ.-Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan Funktionen: Leiter der Zöliakie-Ambulanz Qualifikationen: Internist, Gastroenterologe, Hepatologe, Molekulare and Translationale Medizin (Zöliakie- und Fibroseforschung)
Prof. Dr. Dr. Detlef Schuppan, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e.V. (DZG)

Sie weisen ähnliche Symptome auf, doch die Diagnose Zöliakie trifft bei ihnen nicht zu: Patienten, die unter abdominellen Beschwerden, Diarrhö, Blähungen oder weiteren extraintestinalen zöliakieassoziierten Symptomen leiden, jedoch weder eine positive Serologie für zöliakietypische Antikörper, noch die charakteristische Schädigung der Dünndarmmukosa aufweisen, leiden möglicherweise an der Nicht-Zöliakie-nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität (NCWS).

Das Krankheitsbild ist bislang wenig erforscht, die Diagnose kann aktuell nur durch Ausschlussverfahren gestellt werden. Professor Dr. Dr. Detlef Schuppan, Leiter des Instituts für Translationale Immunologie der Universitätsmedizin Mainz und Professor an der Harvard Medical School in Boston, USA, ist führender Experte auf diesem Gebiet und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e.V. (DZG). Gemeinsam mit der DZG klärt er Mediziner und Patienten über das Krankheitsbild und den aktuellen Forschungsstand auf.

„Obwohl sich das klinische Bild der NCWS und der Zöliakie zum Teil ähneln, ist bei der Weizensensitivität mit großer Wahrscheinlichkeit nicht das Gluten für die Beschwerden verantwortlich, sondern die mit glutenhaltigen Produkten assoziierten Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI)“, erläutert Prof. Schuppan. „Diese führen zu einer Aktivierung des angeborenen Immunsystems über Toll-like-4-Rezeptoren, was im Tierversuch insbesondere eine Reihe entzündlicher Erkrankungen innerhalb und außerhalb des Darms begünstigt.“

Nicht resorbierbaren Kohlenhydraten, die natürlicherweise in vielen Nahrungsmitteln, auch im Weizen, vorkommen (FODMAPs), kommt hier keine Bedeutung zu. Sie können zwar Blähungen und Bauchschmerzen verursachen, sind aber im Gegenteil eher antientzündlich wirksam und sorgen für Darmgesundheit, so der Experte. Gesichert ist jedoch, dass es sich bei dem bisher nicht sehr klar definierten Krankheitsbild nicht um eine Allergie oder Autoimmunerkrankung, sondern um eine Aktivierung des sogenannten angeborenen Immunsystems – die erste Abwehr gegen Viren und Bakterien – handelt, und es sich daher von Weizenallergie und Zöliakie eindeutig unterscheidet.

Diagnostizieren lässt sich die NCWS derzeit nur im Ausschlussverfahren. Spezifische Biomarker sind bislang nicht bekannt. Prof. Schuppan: „Zöliakietypische Antikörper wie Gewebs-Transglutaminase(TTG)-IgA-Antikörper, Endomysium-IgA-Antikörper (EmA) oder deamidierte Gliadinpeptid-Antikörper treten bei einer Weizensensitivität nicht auf. Auch die für Zöliakie charakteristische Dünndarmatrophie ist unüblich. Hier liegt in der Regel ein Marsh-Stadium von lediglich 0 oder 1 vor. Eine Zöliakie kann erst ab einem Marsh-Stadium von 2 und mehr diagnostiziert werden.“

Können Zöliakie und Weizenallergie diagnostisch ausgeschlossen werden, empfiehlt sich zu Diagnosezwecken eine Weizen-Elimination mit anschließender Weizen-Provokation. „Wenn sich die Symptome unter weizenfreier Ernährung deutlich bessern, sollte eine Bestätigung der Diagnose durch eine erneute, im Idealfall doppelblinde, orale Weizenprovokation nach einer etwa dreiwöchigen Glutenkarenz erfolgen“, empfiehlt Prof. Schuppan. Die Beschwerden stellen sich bei einer Weizensensitivität in der Regel verhältnismäßig schnell nach der Aufnahme weizenhaltiger Lebensmittel ein und verschwinden bei Verzicht auf Weizen innerhalb weniger Tage wieder.

Patienten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität betroffen sind, sollten zur Besserung ihrer Symptome eine glutenfreie Diät ähnlich wie Zöliakiebetroffene einhalten. Wahrscheinlich muss die Diät nicht ebenso streng eingehalten werden. „Ein vollständiger, dauerhafter Verzicht auf Gluten wie bei der Zöliakie ist bei der Weizensensitivität wahrscheinlich nicht notwendig“, so Schuppan. „Möglicherweise reicht es aus, besonders starke Glutenquellen wie Weizenbrot oder Pasta vom Speiseplan zu streichen und damit den Konsum gluten- und damit ATI-haltiger Nahrungsmittel um 95 % zu reduzieren.“

Weitere Informationen zu Symptomen, Diagnose und Therapie der Weizensensitivität stellt die DZG unter www.dzg-online.de zur Verfügung.

Weitere Informationen bei:

DZG – Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e.V.
Bianca Maurer, Öffentlichkeitsarbeit/Pressesprecherin
Telefon: 0711 – 45 99 81-12
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