BfR-Datensammlung zu Verarbeitungsfaktoren

Aktualisierte Mitteilung Nr. 033/2016 des BfR vom 10. November 2016.

Landwirtschaftliche Erzeugnisse werden häufig nicht roh verzehrt, sondern vorher verarbeitet. Dadurch kann sich die Höhe der enthaltenen Rückstände von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen verändern. Das Verhältnis des Rückstands im verarbeiteten Produkt zu dem im entsprechenden unverarbeiteten Erzeugnis wird als Verarbeitungsfaktor bezeichnet. Er gibt an, ob Rückstände bei dem entsprechenden Verarbeitungsprozess angereichert oder verringert werden. Verarbeitungsfaktoren werden unter im Labor simulierten Verarbeitungsbedingungen ermittelt. Details solcher Studien, die im Rahmen von Zulassungsverfahren von den Herstellern von Pflanzenschutzmitteln vorgelegt werden müssen, sind nicht öffentlich zugänglich.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bietet deshalb seit 2007 über seine Internetseite eine Zusammenstellung von Verarbeitungsfaktoren an, die vollständig überarbeitet wurde. Die Datensammlung richtet sich in erster Linie an das Fachpublikum. Sie dient u. a. zur Unterstützung der amtlichen Lebensmittelüberwachung und dem Risikomanagement bei der Beurteilung, ob das Ausgangsprodukt von verarbeiteten Lebensmitteln den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen hat, und zur Unterstützung der Risikobewertung bei der Verfeinerung der Expositionsschätzung für Verbraucher und landwirtschaftliche Nutztiere in Bezug auf verarbeitete Lebens- und Futtermittel.

Das BfR hat jeden Verarbeitungsfaktor, der aus einer Verarbeitungsstudie abgeleitet wurde, mittels transparenter Qualitätskriterien geprüft. Die Robustheit und Zuverlässigkeit der Studienergebnisse wurde kommentiert. Im Vergleich zur früheren Version berücksichtigt die überarbeitete BfR-Datenbank eine wesentlich größere Zahl von Studien und gibt zu jeder Studie mehr Detailinformationen an. Sie weist mehr als 6500 aus den Studien abgeleitete Verarbeitungsfaktoren aus, deren Aussagekraft durch die Angabe relevanter Informationen zu den wichtigsten Parametern der zugrundeliegenden Verarbeitungsstudien vom Nutzer besser eingeschätzt werden kann.

Trotz größter Sorgfalt bei der Erstellung der Datenbank übernimmt das BfR keine Haftung für die Richtigkeit der Angaben oder für rechtliche Folgen, die sich aus ihrer Nutzung ergeben. Die in der Datensammlung enthaltenen Verarbeitungsfaktoren sind nicht rechtsverbindlich.

1 Hintergrundinformationen zu Verarbeitungsfaktoren

Um den Einfluss von Verarbeitungsprozessen auf Pflanzenschutzmittelrückstände in den landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu untersuchen, werden Verarbeitungsstudien durchgeführt. Sie konzentrieren sich auf die wichtigsten praxisrelevanten Verarbeitungsschritte in Industrie und Haushalt wie z. B. Waschen, Schälen, Blanchieren, Kochen, Pürieren und Frittieren, die Herstellung von Säften, Wein, Bier und Speiseölen sowie die Herstellung von Getreidemahlerzeugnissen. In Abhängigkeit von den konkreten Verarbeitungsbedingungen und den physiko-chemischen Eigenschaften des Wirkstoffs kann die Verarbeitung zu einer Erhöhung oder zu einer Verminderung des Rückstands führen [1].

Verarbeitungsfaktoren sind wichtige Werkzeuge, die hauptsächlich zwei Zwecken dienen: Zum einen, um der amtlichen Lebensmittelüberwachung Informationen an die Hand zu geben, in welchem Maße sich das Rückstandsniveau bei der Verarbeitung ändern kann. Solche Informationen sind unabdingbar, um beurteilen zu können, ob ein verarbeitetes Lebensmittel aus einem Rohprodukt hergestellt wurde, das den gesetzlichen Rückstandshöchstgehalt (RHG) einhielt. Zum anderen dienen Informationen aus Verarbeitungsstudien Risikobewertern zur Verfeinerung von Expositionsschätzungen für Verbraucher und landwirtschaftliche Nutztiere in Hinblick auf Pflanzenschutzmittelrückstände in verarbeiteten Lebens- bzw. Futtermitteln.

Experimentelle Details von Verarbeitungsstudien sind normalerweise nicht öffentlich zugänglich, sondern liegen nur den am Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel beteiligten Behörden vor. In Eigenkontrollen des Handels und der Lebensmittelindustrie werden ebenfalls Daten erhoben. Auch sie sind nicht öffentlich zugänglich.

Aus Verarbeitungsstudien werden Verarbeitungsfaktoren abgeleitet. Sie geben das Verhältnis des Rückstands im verarbeiteten Produkt zu dem im entsprechenden unverarbeiteten Erzeugnis an. Eine Anreicherung des Pflanzenschutzmittel-Rückstands wird durch Verarbeitungsfaktoren größer als 1 beschrieben, während sich eine Reduzierung der Rückstandskonzentration im verarbeiteten Erzeugnis in einem Faktor kleiner als 1 ausdrückt.

Rückstandshöchstgehalte (RHG) werden in der EU in den Anhängen II und III der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 nicht für verarbeitete oder zusammengesetzte, sondern nur für unverarbeitete Erzeugnisse wie z. B. Apfel, Tomate oder Weizenkorn festgesetzt [2]. Für den weltweiten Warenverkehr legt der von FAO/WHO eingerichtete Codex Alimentarius Rückstandshöchstgehalte fest [3]. Sie beziehen sich überwiegend ebenfalls auf unverarbeitete Erzeugnisse, werden aber für ausgewählte verarbeitete Produkte in solchen Fällen festgelegt, in denen eine Anreicherung stattfindet.

Verarbeitungsstudien werden in der Regel nach den Vorgaben der von der OECD veröffentlichten Prüfrichtlinie Nr. 508 („Magnitude of the Pesticide Residues in Processed Commodities“, „Höhe von Pflanzenschutzmittelrückständen in verarbeiteten Produkten“) [4] und des OECD-Leitfadens zur Höhe der Rückstände in verarbeiteten Produkten (Guidance Document on Magnitude of Pesticide Residues in processed commodities) [5] durchgeführt. In diesen Anleitungen werden aber keine spezifischen Prozessparameter vorgeschrieben, die in den Laboruntersuchungen zu berücksichtigen sind. Vielmehr wird generell empfohlen, Bedingungen zu simulieren, die typische Prozesse in der lebensmittelverarbeitenden Industrie wiederspiegeln. Dies führt zu einer hohen Variabilität der Prüfbedingungen und damit auch der Resultate, die bei der Interpretation der Verarbeitungsfaktoren zu berücksichtigen ist.

2 Herkunft und Qualität der Daten

Die bisherigen Versionen der BfR-Datenbank zu Verarbeitungsfaktoren enthielten fast ausschließlich Faktoren, die aus öffentlich zugänglichen Quellen stammten, wie den jährlich vom FAO/WHO Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) publizierten Berichten zur Bewertung der Rückstände von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen oder den im Rahmen der Europäischen Wirkstoffprüfung und der Höchstgehaltsfestsetzung verfassten Bewertungsberichten der EFSA. Im Gegensatz dazu enthält die neue Fassung der BfR-Datenbank auf Basis von mehr als 1400 ausgewerteten Verarbeitungsstudien nicht nur die Verarbeitungsfaktoren, sondern macht auch detaillierte zusätzliche Angaben zur Qualität der Studien, aus denen sie abgeleitet wurden. Weiterhin wurden Informationen zur Verteilung von Rückständen zwischen Schale und Fruchtfleisch in Zitrusfrüchten berücksichtigt, die im Rahmen nationaler Monitoringprogramme [6] erhoben bzw. von einem Handelsunternehmen bei Eigenkontrollen [7] gewonnen und dem BfR zur Verfügung gestellt wurden.

In der aktuellen BfR-Datenbank sind mehr als 6500 Verarbeitungsfaktoren für insgesamt 190 Wirkstoffe enthalten sowie zahlreiche Zusatzinformationen, beispielsweise zur Validität der analytischen Methode oder zu den Lagerbedingungen der Proben, so dass die Aussagekraft jedes Verarbeitungsfaktors beurteilt werden kann. Sofern in einer Studie für ein bestimmtes verarbeitetes Lebensmittel mehrere Verarbeitungsfaktoren aus diversen Einzelversuchen berichtet wurden, ist der Median zusammen mit dem Bereich der Einzelwerte in der Datensammlung aufgeführt. Weitere Details zum Aufbau und Inhalt der Datenbank sowie zur Interpretation der Daten können einer aktuellen Publikation entnommen werden [8].

Die Datenbank ist unter diesem Link von der BfR-Webseite abrufbar.
Eine periodische Aktualisierung der Datenbank ist vorgesehen.

3 Graphische Darstellung typischer Verarbeitungsprozesse

Weiterhin bietet das BfR auf seiner Webseite eine grafische Darstellung von 35 typischen Verarbeitungsprozessen in Form von Fließschemata an. Der Nutzer bzw. die Nutzerin der Datenbank kann sich damit einen raschen Überblick über relevante Produkte und Zwischenprodukte von Verarbeitungsprozessen verschaffen und verarbeitete Matrizes leichter zuordnen.

Die Fließschemata sind unter diesem Link von der BfR-Webseite abrufbar.

4 Referenzen

[1] OECD (2008) Test Guideline No. 508: Magnitude of the Pesticide Residues in Processed Commodities, OECD Guidelines for the Testing of Chemicals, Section 5, OECD Publishing. doi: 10.1787/9789264067622-en

[2] Commission Regulation (EC) No 396/2005 on maximum residue levels of pesticides in or on food and feed of plant and animal origin and amending Council Directive 91/414/EEC (OJ L 70/1, 16.3.2005).

[3] Codex Alimentarius, 2016. Codex Pesticides Residues in Food Online Database.
http://www.fao.org/fao-who-codexalimentarius/standards/pesticide-mrls/en/ (accessed 28.02.2016)

[4] Test Guideline No. 508: Magnitude of the Pesticide Residues in Processed Commodities, 16 Oct 2008
http://www.oecd-ilibrary.org/environment/oecd-guidelines-for-the-testing-ofchemicals-section-5-other-test-guidelines_20745796

[5] Series on Testing and Assessment No 96: Guidance Document on Magnitude of Pesticide Residues in processed commodities, 29 Jul 2008
http://www.oecd.org/document/23/0,3746,en_2649_34377_47836503_1_1_1_1,00.html

[6] BVL, 2011. Berichte zur Lebensmittelsicherheit 2011, Monitoring, doi:10.1007/978-3-0348-0580-3.

[7] Ahlers, W., Reichert, T., 2007. Oberflächen-Konservierungsstoffe und Akute Referenzdosis – Ergebnisse einer Testreihe bei Zitrusfrüchten, Kooperation des lebensmittelchemischen Untersuchungsrings des Landesverbands Baden-Württemberg des Früchte-Import- und – Großhandels e.V. und der Atlanta AG (aktuell: Univeg Deutschland GmbH)

[8] R. Scholz, M. Herrmann, B. Michalski (2016) Compilation of Processing Factors and Evaluation of Quality Controlled Data of Food Processing Studies. J. Verbr. Lebensm., doi: 10.1007/s00003-016-1043-3

Quelle: BfR