Rückstände und Kontaminanten in Lebensmitteln: gefühlte und tatsächliche Risiken (Kurzfassung)

Durch eigenes Verhalten bedingte Risiken werden unterschätzt.

Prof. Dr. Gerd Hamscher, Institut für Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie der Justus-Liebig-Universität Gießen

Mögliche Risiken verschiedener Substanzen in Lebensmitteln werden in der Gesellschaft und häufig auch in den Medien falsch eingeschätzt. So beunruhigen die Verbraucher v. a. die im Rahmen der Lebensmittelerzeugung und -produktion eingesetzten Stoffe, während das eigene Tun als kontrollierbar angesehen wird und damit verbundene Risiken unterschätzt werden.

Tatsächlich sind mikrobielle Lebensmittelverunreinigungen, wie z. B. Salmonellen-Infektionen, für gravierende gesundheitliche Belastungen und weltweit für viele Todesfälle verantwortlich. Mögliche Risiken durch Rückstände in Lebensmitteln sind hingegen als äußerst gering zu betrachten und werden durch umfassende toxikologische Prüfungen im Rahmen der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, Tierarzneimitteln und Zusatzstoffen bewertet. Lebensmittelbelastungen durch Umweltschadstoffe oder (Prozess-)Kontaminanten werden durch die Beseitigung von Kontaminationsquellen sowie durch die Umstellung technologischer Prozesse immer weiter minimiert.

Risikobewertung

Die wissenschaftliche Bewertung möglicher gesundheitlicher Risiken durch unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln basiert auf umfangreichen toxikologischen Studien mit dem Ziel, eine für den Menschen gesundheitlich unbedenkliche (duldbare) Dosis abzuleiten. Diese ist Grundlage für die Zulassung von Pflanzenschutz- und Tierarzneimitteln sowie von Zusatzstoffen in der Lebensmittelproduktion, von denen Restkonzentrationen – sogenannte Rückstände – in Lebensmitteln verbleiben können.

Auch für Kontaminanten – also unbeabsichtigt in Lebensmittel gelangte Verunreinigungen – können nach den gleichen Prinzipien duldbare Dosen abgeleitet werden. Eine Ausnahme stellen Stoffe mit genotoxischer Wirkung, wie z. B. Acrylamid und bestimmte Aflatoxine, dar. Hier lässt sich prinzipiell zwar keine Dosis ohne schädliche Wirkung ableiten, allerdings existieren valide Konzepte, um auch für diese Substanzen verbindliche Höchstgehalte in Lebensmitteln festlegen zu können. Generell gilt für alle Kontaminanten die Empfehlung, die Exposition des Menschen soweit zu reduzieren, wie es „vernünftigerweise“ möglich ist (ALARA-Konzept: „as low as reasonable achievable“).

Aktuelle Untersuchungsergebnisse

Die amtliche Lebensmittelüberwachung der Länder untersuchte im Jahr 2013 insgesamt 16.929 Planproben auf das Vorkommen von Pflanzenschutzmittel- rückständen, wovon 1,2 % beanstandet wurden. Bei Baby- und Kleinkindernahrung gab es keine Überschreitungen der Höchstgehalte und somit auch keine Beanstandungen. Bei Proben aus ökologischem Anbau wurden 0,35 % beanstandet. Von 57.679 Proben lebender Nutztiere und Lebensmittel tierischen Ursprungs enthielten lediglich 0,64 % Rückstände in unzulässiger Höhe.

Beispielhaft für die große Gruppe der Lebensmittelkontaminanten werden in dem Beitrag persistente halogenierte organische Substanzen wie polychlorierte Dibenzodioxine (PCDD), Dibenzofurane (PCDF) und dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle (dl-PCB) sowie Acrylamid und Mykotoxine aufgegriffen. Für PCDD, PCDF und dl-PCB sind tierische Lebensmittel die wichtigsten Quellen, wobei die seit vielen Jahren umgesetzten Minimierungsmaßnahmen (z. B. Filtereinbau in Müllverbrennungsanlagen) zu einer deutlich geringeren Exposition der Menschen geführt haben.

Für Acrylamid wurde in Deutschland ein erfolgreiches Minimierungskonzept entwickelt, das seit 2011 auch auf europäischer Ebene angewendet wird. Dieses Procedere führte in Deutschland bei vielen Lebensmitteln zu einer kontinuierlichen Senkung der Signalwerte. Die Bildung von Aflatoxinen durch Schimmelpilze in Samen, Nüssen und Getreide kann durch die Vermeidung von Feuchtigkeit im Erntegut, bei Lagerung und Transport vermieden werden.

Langfassung: wdp_06_2016

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Moderne Ernährung heute
Herausgeber: Prof. Dr. R. Matissek
Lebensmittelchemisches Institut (LCI) des Bundesverbandes der deutschen Süßwarenindustrie e. V., Köln

Quelle: Wissenschaftlicher Pressedienst „Moderne Ernährung heute“ (WPD 6/2016)