Alter beeinflusst den Mikronährstoffgehalt im Blut

Wie eine europäische Studie mit 2118 Frauen und Männern zeigt, haben ältere Menschen im Vergleich zu jüngeren höhere Vitamin-E-Spiegel und geringere Mengen bestimmter Carotinoide im Blut. Die altersbedingten Unterschiede waren unabhängig von der Landeszugehörigkeit, dem Geschlecht, der Jahreszeit, dem Cholesterinspiegel, dem Body-Mass-Index, dem Raucherstatus, dem Obst- und Gemüseverzehr sowie der Einnahme von Vitaminpräparaten. „Wie unsere Ergebnisse zeigen, beeinflusst auch das Alter den Mikronährstoffgehalt im Blut. Dieses Wissen könnte künftig dazu beitragen, altersorientierte Ernährungsempfehlungen zu verbessern“, sagt Tilman Grune vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE).

Das Wissenschaftlerteam um Tilman Grune und Daniela Weber vom DIfE sowie Wolfgang Stuetz und Nicolle Breusing von der Universität Hohenheim veröffentlichte seine Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift Nutrients (Stuetz et al. 2016, doi:10.3390/nu8100614; http://www.mdpi.com/2072-6643/8/10/614).

Zahlreiche Beobachtungsstudien lassen annehmen, dass ein hoher Obst- und Gemüsekonsum das Risiko für Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes und bestimmte Krebserkrankungen vermindert sowie die Lebenserwartung erhöht. Dabei führen Wissenschaftler die günstigen Effekte einer pflanzenbetonten Ernährung auf eine höhere Aufnahme von Mikronährstoffen zurück, zu denen auch Vitamine und Carotinoide zählen.

Doch wie lässt sich messen, ob eine Person ausreichend mit diesen Mikronährstoffen versorgt ist? Könnten Blutanalysen hier weiterhelfen? Und wenn ja, gibt es Faktoren wie das Alter, die bei der Beurteilung des Blutbildes zu berücksichtigen sind? „Mit unserer Untersuchung wollten wir dazu beitragen, diese Fragen zu beantworten. Denn wenn man den Versorgungszustand einer Person richtig einschätzen kann, ist man in der Lage, maßgeschneiderte Ernährungsempfehlungen zu entwickeln, die zum Beispiel ein gesundes Altern unterstützen“, sagt Daniela Weber, die federführend an der Studie beteiligt war. Es gäbe zwar schon erste Ergebnisse aus amerikanischen Studien. Ergebnisse, die auf den Daten europäischer Bevölkerungsgruppen basierten, seien aber noch rar, so die Wissenschaftlerin weiter.

Daher werteten die Forscher Daten der großen europäischen MARK-AGE-Studie* aus, um zu untersuchen, inwieweit neben den Ernährungsgewohnheiten auch das Alter die Blutspiegel von Vitamin E und verschiedenen Carotinoiden beeinflusst. An der Studie nahmen Personen im Alter zwischen 35 und 74 Jahren teil, die während des Datenerhebungszeitraums von 2008 bis 2012 in Österreich, Belgien, Finnland, Deutschland, Griechenland, Italien und Polen lebten. Neben Blutproben sammelten die Forscher Daten zu den Körpermaßen, dem Alter und Geschlecht sowie zum Gesundheitsstatus. Die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten der Teilnehmer erfassten sie mit Hilfe von Fragebögen.

Bedeutsame altersbedingte Unterschiede stellten die Wissenschaftler für alpha-Carotin, Lycopin** – dem roten Farbstoff aus Tomaten – und Vitamin E*** fest. Während ältere Menschen vergleichsweise geringere Spiegel der beiden Carotinoide im Blut hatten, nahmen die Werte für Vitamin E mit steigendem Alter kontinuierlich zu. Pro einem Altersunterschied von fünf Jahren nahmen die Lycopin-Konzentrationen um durchschnittlich 6,5 Prozent ab, alpha-Carotin sank um 4,8 Prozent und der Vitamin-E-Spiegel nahm um 1,7 Prozent zu.

„Derzeit stellen wir uns die Frage, auf welche Ursachen die beobachteten Unterschiede zurückzuführen sind. Eventuell könnten eine geringere Bioverfügbarkeit der Mikronährstoffe, aber auch eine mit Alterungsprozessen einhergehende veränderte Nährstoffspeicherung in den Organen sowie ein veränderter Nährstoffbedarf des Körpers eine Rolle spielen“, sagt MARK-AGE-Vize-Koordinator Tilman Grune. Ebenso sei nicht auszuschließen, dass in der Studie nicht erfasste Ernährungsgewohnheiten das Ergebnis beeinflusst hätten. So sei in der Studie nur nach dem Obst- bzw. Gemüsekonsum insgesamt gefragt worden, ohne Daten zu einzelnen Lebensmittelsorten zu erheben.

Es bestünde also noch großer Forschungsbedarf, äußert sich Grune weiter, der als wissenschaftlicher Vorstand das DIfE leitet. Dennoch seien die aktuellen Ergebnisse relevant. Sie deckten sich mit den in anderen Studien gemachten Beobachtungen und trügen dazu bei, eine wissenschaftliche Grundlage zu erstellen, die es erlaubt, bessere altersorientierte Ernährungsempfehlungen zu entwickeln.

Zukünftig wollen die Wissenschaftler um Grune auch am DIfE diese Forschungsrichtung weiter verfolgen und solche Zusammenhänge im Rahmen der EPIC-Studie**** und der Berliner Altersstudie II in Kooperation mit der Charité Berlin genauer untersuchen.

Hintergrundinformationen

* Die MARK-AGE-Studie ist eine umfangreiche, von der Europäischen Union unterstützte Bevölkerungsstudie, an der 26 europäische Forschungspartner beteiligt sind, darunter auch Unternehmen. MARK-AGE zielt darauf ab, Biomarker zu identifizieren, die mit Alterungsprozessen beim Menschen in Zusammenhang stehen. Mehr Informationen unter: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0047637415000317.

Biomarker sind charakteristische biologische Merkmale, die objektiv gemessen werden und auf einen normalen biologischen oder krankhaften Prozess im Körper hinweisen können. Bei einem Biomarker kann es sich um Zellen, Gene, Stoffwechselprodukte oder bestimmte Moleküle wie Vitamine handeln. Als eingängiges Beispiel sei das Blutbild genannt, das Hinweise auf den Gesundheitszustand des Patienten gibt (Quelle: Wikipedia).

** Lycopin und alpha-Carotin sind natürlicherweise in Pflanzen enthaltene Farbstoffe und gehören beide zur Klasse der Carotinoide. Den Carotinoiden wird eine große gesundheitliche Bedeutung zugesprochen. Im menschlichen Körper spielen sechs Carotinoide eine wesentliche Rolle: beta-Carotin, alpha-Carotin, Lycopin, beta-Cryptoxanthin, Lutein und Zeaxanthin. Die meisten von ihnen haben eine Schutzfunktion. Dadurch sollen sie vielen Erkrankungen wie Krebs, Arteriosklerose, Rheuma, Alzheimer und Parkinson, Grauem Star oder der Hautalterung vorbeugen (Quelle: Wikipedia).

*** Vitamin E ist ein Sammelbegriff für die fettlöslichen Tocopherole und Tocotrienole, wobei alpha-Tocopherol die am besten erforschte Vitamin-E-Form ist, die höchste Bioaktivität im Organismus aufweist und daher die Vitamin-E-Form ist, die in der aktuellen Studie untersucht wurde. Vitamin E ist Bestandteil aller tierischen Zellmembranen, wird jedoch nur von photosynthetisch aktiven Organismen wie Pflanzen und Cyanobakterien gebildet.

**** EPIC steht für European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition. An der Langzeitbeobachtungsstudie sind 23 administrative Zentren in zehn europäischen Ländern mit mehr als 500.000 Studienteilnehmern im Erwachsenenalter beteiligt. Die Bevölkerungsstudie untersucht die Zusammenhänge zwischen Ernährung, Krebs und anderen chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Mehr Informationen unter http://www.dzd-ev.de.

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 88 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an.

Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 18.100 Personen, darunter 9.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,6 Milliarden Euro. Mehr Informationen unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.

Kontakt:

Prof. Dr. Tilman Grune, Wissenschaftlicher Vorstand
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Leiter der Abteilung Molekulare Toxikologie
Arthur-Scheunert-Allee 114-116, 14558 Nuthetal/Deutschland
Tel.: +49 (0)33200 88-2416
scientific.director@dife.de

Dr. Daniela Weber, Abteilung Molekulare Toxikologie
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Arthur-Scheunert-Allee 114-116, 14558 Nuthetal/Deutschland
Tel.: +49 (0)33200 88-2358
Daniela.Weber@dife.de

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Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Tel.: +49 (0)33200 88-2278/-2335
olias@dife.de oder presse@dife.de
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Weitere Informationen: Abteilung Molekulare Toxikologie am DIfE

Quelle: Dr. Gisela Olias Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke