Lebensmittelentscheidungen: Ursachen für Vorlieben

Vortrag von Prof. Michael Siegrist, ETH, Zürich.

Scheinbar verlassen sich die Menschen auf zwei verschiedene kognitive Systeme, wenn sie Entscheidungen treffen: Das „erfahrungsbezogene“ und das „analytische“ System. Das analytische System ist langsam und umständlich, während das erfahrungsbezogene System rasche Entscheidungen ermöglicht. Die Menschen verlassen sich oft auf einfache Heuristik (eine Regel oder Methode, die auf Erfahrungen beruht und hilft, eine fundierte Annahme zu treffen), um rasche Entscheidungen zu treffen.

Es gibt eine Reihe von Studien, die andeuten, dass die Leute sich auf einfache Heuristik verlassen, wenn sie entscheiden, welche Lebensmittel sie essen, was zu voreingenommenen Entscheidungen führen kann. Eine erfahrungsbezogene Studie zeigte, dass Konsumenten dieselben Cerealien als gesünder bewerteten, wenn sie „Fruchtzucker“ statt „normalen Zucker“ enthielten.

Ein weiteres Beispiel sind die Zusatzstoffe, die sogenannten E-Nummern. Aus einer Studie ging hervor, dass ein Lebensmittel als weniger natürlich wahrgenommen wird, wenn ihm eine E-Nummer hinzugefügt wird. Die wahrgenommene Natürlichkeit könnte auch erklären, warum Konsumenten weniger bereit sind, mit gezüchtetem Fleisch verbundene Risiken in Kauf zu nehmen, die im Fall von herkömmlichem rotem Fleisch akzeptiert werden. Der bevorzugte Status quo scheint ein großes Hindernis bezüglich der Akzeptanz von neuartigen Lebensmitteltechnologien zu sein. Die wahrgenommene Natürlichkeit ist nicht nur für die Einschätzung von Lebensmitteln wichtig, sondern kann sogar den sensorischen Genuss eines Lebensmittelprodukts beeinflussen.

Es scheint auch für die Konsumenten etwas anderes zu sein, ob sie die Speise selbst zubereitet haben oder ob sie von einer anderen Person zubereitet wurde. Die Menschen neigen dazu, selbst zubereitete Speisen mehr zu mögen als Speisen, die an einem anderen Ort zubereitet wurden. Es ließ sich sogar nachweisen, dass die Leute mehr von einem selbst zubereiteten Milkshake trinken als von einem Milkshake, der für sie zubereitet wurde.

Schließlich kann die Heuristik zu unterschiedlichen Risikowahrnehmungen von Experten und Laien führen. Eine Studie ergab, dass zwei Gruppen Risiken von verschiedenen Lebensmittelgefahren deutlich unterschiedlich einschätzen. Die Ergebnisse könnten helfen besser zu verstehen, warum Experten und Laien Lebensmittelgefahren oftmals unterschiedlich bewerten.

Quelle: FOOD TODAY 11/2016