Vegetarische „Schnitzel“: Mal zäh, mal zart

Projektfotos für die Lange Nacht der Wissenschaft 2016 fertiges Sojaprodukt, Wasser, Mehl, Erbsen/Sojabohnen Projekt: Wie viel Wissenschaft steckt in unseren Lebensmitteln Haus der Lebensmittel Königin-Luise-Str. 22 14195 Berlin Ansprechpartner Herr Daniel Baier
Aus Erbsenmehl und Wasser sollen vegane „Schnitzel hergestellt werden, die dem Geschmack eines echten Schweineschnitzels in nichts nachstehen.
© TU Berlin/PR/PhilippArnoldt

Elisabeth Högg untersucht die Ursachen der Qualitätsschwankungen bei vegetarischen und veganen „Schnitzeln“ und „Burgern“.

Der Appetit von Vegetariern und Veganern auf Produkte, die wie Fleisch schmecken, aber kein Fleisch sind, ist groß. Laut Aussage des Vegetarierbunds Deutschland verzeichnen Fleischalternativen seit 2008 ein stetiges Umsatzplus von jährlich rund 30 Prozent.

Hergestellt werden solche vegetarischen oder auch veganen „Schnitzel“, „Frikadellen“ und „Burger“ oft aus Soja. Aber die Gier nach Soja, was allerdings zu 80 Prozent für die Viehfütterung verwendet wird, hat zum Teil zu verheerenden Folgen für den Bestand der Regenwälder geführt und dem Sojaanbau ein miserables Image beschert (auch weil der meiste Soja gentechnisch verändert ist).

Wissenschaftler und Lebensmittelindustrie haben deshalb nach einem Ersatz gesucht und ihn in der Erbse gefunden. Auch sie ist ein hervorragender Eiweißlieferant und kann hierzulande angebaut werden. Fleischimitate auf Erbsenbasis werden bereits industriell hergestellt und sind im Handel erhältlich.

Die Hersteller jedoch solchen Fleischersatzes auf Soja- und/oder Erbsenbasis stehen vor einer Herausforderung: Soja variiert erheblich in seiner Beschaffenheit, so dass die hergestellten Produkte sehr stark in ihrer Qualität schwanken und es oft zu Fehlprodukten kommt. Mal hat das vegane „Fleisch“ die gewünschte faserige Struktur, wie man es von gutem Schweinefleisch kennt, dann wiederum ist es zäh wie Gummi oder schwammig; von faseriger Struktur keine Spur.

„Im Moment untersuchen wir, was die Ursachen für diese Qualitätsschwankungen sind, warum selbst bei dem gleichen Ausgangsprodukt der Herstellungsprozess nicht immer zum gleichen Endprodukt führt“, sagt die Lebensmitteltechnologin Elisabeth Högg, die am Fachgebiet Lebensmittelbiotechnologie und -prozesstechnik unter Leitung von Prof. Dr. Cornelia Rauh forscht. In zwei Jahren jedoch wollen sie und ihre Kollegen vom Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik (DIL), vom Karlsruher Institut für Bio- und Lebensmitteltechnik und Partnern aus der Industrie wie dem Fachverband Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen schlauer sein. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt (AiF 18727) sollen die beim Herstellungsprozess ablaufenden Mechanismen erforscht werden. Denn es fehlen entscheidende Kenntnisse über die bei der Produktion stattfindenden Wechselwirkungen.

„Während der Extrusion werden die Proteine in ihrer Struktur verändert. Die zuvor knäuelartigen Eiweiße falten sich zu Strängen auf und diese verbinden sich miteinander. Dadurch entsteht eine fleischähnliche Struktur. Wie und welche Mechanismen genau ablaufen, ist noch nicht geklärt.“, sagt Elisabeth Högg. Sie ist von diesem Wandlungsprozess so fasziniert, dass sie dieses Wunder nicht Wunder sein lassen möchte und hat sich dem Thema in ihrer Doktorarbeit verschrieben. „Ich will verstehen, was da passiert“, sagt die 27-Jährige, die in München Lebensmitteltechnologie studierte und nun bei Prof. Dr. Cornelia Rauh promoviert.

Die Herstellung dieser fleischähnlichen Soja- beziehungsweise Erbsenmasse beruht auf dem Verfahren der Extrusion. Das Soja- oder Erbsenmehl wird mit Wasser in einem sogenannten Extruder unter hohem Druck, hohen Scherkräften und bei Temperaturen über 100 Grad Celsius zu einer teigigen Masse geknetet. Dies geschieht durch Schneckenstäbe, die eine ähnliche Geometrie wie bei einem Fleischwolf haben. Aus dem Extruder wird die Masse dann in eine Kühldüse gedrückt. Dort wird sie auf 70 bis 50 Grad Celsius heruntergekühlt. Dieser Abkühlungsprozess hat einen wichtigen Einfluss auf die Ausbildung der Faserstruktur.

„Wir vermuten, dass bei einer schnellen Abkühlung die Faserbildung vermindert wird; eine langsame und gleichmäßige Abkühlung die Faserbildung jedoch unterstützt“, so Elisabeth Högg. Der Part des TU-Teams in dem Forschungsprojekt ist es, den Einfluss der Kühldüse auf die Textur der Erbsenmasse zu erklären. Elisabeth Högg führt ihre Experimente mit Erbsenmehl durch. Am DIL wird der Rohstoff, also das Erbseneiweiß charakterisiert. Denn natürlich ist Erbse nicht gleich Erbse und es steht außer Frage, dass die unterschiedlichen Eigenschaften der Erbsensorten auch die Qualität des Endprodukts beeinflussen.

Wenn 2018 das Projekt abgeschlossen sein wird, wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler exakte Aussagen darüber treffen können, wie sich das Zusammenspiel von Rohstoff, Extruder und Kühldüse verhält. Auf der Grundlage der experimentellen Ergebnisse und numerischen Simulationen soll ein Scale-up erstellt werden, anhand dessen dann ablesbar ist, welche Rohstoffeigenschaften (Proteingehalt, Proteinzusammensetzung), welche Parameter des Extruders (Temperierung des Gehäuses, starke/schwache Befüllung, Drehgeschwindigkeit der Schnecken) und welche der Kühldüse (Geometrie der Kühldüse, Kühlrate) wie aufeinander abgestimmt werden müssen, um das gewünschte langfaserige „Pflanzenfleisch“ zu produzieren. Die unwirtschaftlichen Zeiten von Versuch und Irrtum könnten dann für die Lebensmittelindustrie vorbei sein.

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
M.Sc. Elisabeth Högg
TU Berlin, Fachgebiet Lebensmittelbiotechnologie und -prozesstechnik
Tel.: 030/314-71847
E-Mail: e.hoegg@tu-berlin.de

Quelle: Stefanie Terp Stabsstelle Presse, Öffentlichkeitsarbeit und Alumni
Technische Universität Berlin