Verlieren deutsche Einzelhändler den Wettbewerb im Online-Lebensmittelhandel?

Online-Food-Retailing-Studie: Deutschlands Milliardenmarkt bietet eine Chance, die Machtverhältnisse neu zu ordnen.

„Die deutschen Lebensmittelhändler haben beim Online-Handel Nachholbedarf: Noch sind sie nicht ausreichend vorbereitet für den Eintritt von Amazon Fresh in den deutschen Markt, der unweigerlich Umverteilungsdynamiken auslösen wird“, meint Dr. Mirko Warschun, Leiter des Beratungsbereichs Konsumgüterindustrie und Handel in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika bei A.T. Kearney. Online Food Retailing biete nicht nur neue Marktpotenziale, sondern sei auch eine Bedrohung für den stationären Handel, der Umsatz an das Internet verlieren werde: „Die deutschen Einzelhändler müssen online rasch Boden gut machen, sonst wird ihnen im Internet das Wasser abgegraben“, kommentiert Warschun.

A.T. Kearney untersucht seit 2011 den europäischen Markt für Online-Food-Retailing (OFR). In der jüngsten Untersuchung der Managementberatung wurden mehr als 2.300 Konsumenten in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und der Schweiz befragt. Die Studie zeigt bedeutende OFR-Unterschiede zwischen den Ländern und arbeitet Einflussfaktoren heraus, die Händler nutzen können, um sich im wachsenden OFR-Markt zu positionieren.

12 Mrd. Euro beträgt das Umsatzpotenzial des deutschen OFR-Marktes, sollten die Deutschen Lebensmittel so fleißig im Internet einkaufen wie die Briten. Noch aber bildet Deutschland das europäische Schlusslicht mit nur einem Prozent Online-Anteil am gesamten Lebensmittelumsatz. Im Vorreiterland Großbritannien sind es 4,2 Prozent. Noch deutlicher wird der Unterschied, wenn man die Pro-Kopf-Ausgaben zwischen Spitzenreiter Großbritannien und Nachzügler Deutschland vergleicht: Dort geben die Konsumenten jährlich 154 Euro für Lebensmittel im Internet aus, hierzulande gerade mal 18 Euro. Geht man laut Studienautoren nur von einer Verdoppelung der Penetration des OFR-Marktes aus, entspricht das immer noch 1,9 Mrd. Euro Umsatzvolumen – Einkünfte, die den Einzelhändlern verloren gehen, wenn sie es nicht schaffen, online Marktanteile zu erobern.

Deutsche Lebensmittelhändler haben sichtlich Mühe, Kunden online zu gewinnen und zu halten: 98 Prozent der befragten Deutschen kennen zwar OFR, aber mehr als die Hälfte hat noch nie Lebensmittel online bestellt. 23 Prozent der Online-Shopper waren mit Service und/oder Qualität nicht zufrieden und ein Viertel hat sich sogar wieder ausschließlich dem stationären Handel zugewandt.

Von dem europäischen Vergleich und britischen Best Practices kann der deutsche Einzelhandel lernen, seinen Kunden den Weg ins Internet zu weisen. Denn es wird nicht reichen, massiv in Online-Angebote zu investieren, sondern bedarf einer zielgerichteten Erfolgsstrategie, die zentrale Einflussfaktoren, affine Käuferschichten, relevante Kategorien und Kundenbedürfnisse sehr genau berücksichtigt:

  • Bislang glaubte man, dass es vor allem die Unzufriedenheit mit dem stationären Handel sei, die die Kunden bewegt, ins Internet zu wechseln. Das wäre eine schlechte Nachricht für die deutschen Online-Händler, da hierzulande die Kundenzufriedenheit recht hoch ist. Die gute Nachricht aus der OFR-Studie: Auch die Planung bzw. Spontanität des Einkaufs spielt beim Online- bzw. Offline-Kauf von Lebensmitteln eine Rolle. Wer den Einkauf im Voraus plant (wie jeder zweite Brite im Gegensatz zu jedem vierten Deutschen), kauft seine Lebensmittel gerne im Internet. Die Spontanen gehen lieber in den Laden.
  • Die typischen OFR-Nutzer sind, wie die Studie weiter zeigt, zwischen 25 und 54 Jahren jung, besserverdienend (mit einem monatlich verfügbaren Einkommen von mindestens 2.500 Euro) und bei ihren Ausgaben für Lebensmittel alles andere als sparsam (wöchentliche Lebensmittel-Ausgaben von mehr als 80 Euro).
    Was die beim Internetkauf bevorzugten Produktkategorien angeht, zeigt sich größere Skepsis bei frischer Ware, während haltbare Produkte ohne Zögern per Mausklick bestellt werden. Die größte Hürde für OFR sind in Deutschland die Versandkosten: Fast die Hälfte der Befragten nennt sie als wesentlichen Grund, ausschließlich weiterhin im Laden zu kaufen.
  • Punkten können die Lebensmittelhändler im Internet mit Qualität, Services und Features, die den Einkauf zu einem besonderen Erlebnis machen. Die Briten zeigen, wie es geht: zum Beispiel mit Ernährungsplänen, deren Zutaten schon im Online-Wagen liegen, einer smarten Suchfunktion für die Einkaufsliste oder einem Echtzeitpreisvergleich mit relevanten Wettbewerbern. Selbstredend, dass Online und Offline dabei integriert sind. Deutschland und die Schweiz haben bei den zusätzlichen Features im Internet hingegen noch eklatanten Nachholbedarf.
  • „Online Food Retailing wird für die deutschen Lebensmittelhändler nur dann zum Erfolgsmodell, wenn sie sich erstens auf die OFR-affine Zielgruppe und die richtigen Produktkategorien konzentrieren. Zweitens gilt es durch Information, Qualität und besondere Features ein einzigartiges Online-Erlebnis zu schaffen“, meint Warschun. OFR zu ignorieren, können sich die Lebensmittelhändler in Deutschland nicht leisten: „Der deutsche ORF-Markt ist so attraktiv, dass mit einem scharfen Wettbewerb zu rechnen ist, der auch vor dem stationären Handel nicht Halt machen wird.“

Weitere Informationen: Online Food Retailing: Markt vor dem Durchbruch?

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Quelle: A.T. Kearney