Grünbuch: BLL begrüßt klare Absage an Strafsteuern, Verbote und Co und Votum für Aufklärung und Bildung

Zu seinem Neujahrsempfangs am gestrigen Dienstag konnte der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. (BLL) Bundesminister Christian Schmidt als Festredner begrüßen. Schwerpunkt seines Vortrages waren die Inhalte des Grünbuchs, das der Minister Ende Dezember 2016 der Öffentlichkeit vorgestellt hatte.

Zum Grünbuch nimmt der BLL wie folgt Stellung:

Der BLL begrüßt die klare Absage des Ministers an Strafsteuern, Verbote und Co. Jeder Mensch ist für sich – und seine Kinder – selbst verantwortlich. Wichtig ist, dass er sich bewusst und frei für einen Lebensstil entscheiden kann. Dafür sind Aufklärung und Bildung essentiell, wie es der Minister im Grünbuch klar zum Ausdruck bringt. Für ihn steht die Wahlfreiheit an erster Stelle. Konsumenten entscheiden mit ihrem Einkauf, welche Produkte Erfolg haben und welche nicht.

Der BLL unterstützt das Ziel des Grünbuches, den Menschen eine gesunde und sichere Ernährung zu ermöglichen. Auch die Lebensmittelwirtschaft ist in der Verantwortung, den Menschen sichere und gute Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Hierzu entwickelt sie nicht nur innovative Produkte, sondern setzt sich in vielen Aktivitäten über die gesetzlichen Regelungen hinaus ein, um Transparenz und Sicherheit für den Konsumenten zu verbessern. Darüber hinaus engagiert sie sich in Kooperation mit anderen Akteuren für interdisziplinäre Lösungsansätze bei der Förderung eines gesunden Lebensstils.

Der BLL befürwortet das Engagement für die Wertschätzung von Lebensmitteln. Diese Wertschätzung wünschen wir uns auch für die gesamte Lebensmittelbranche, alle Unternehmen und Beschäftigte. Denn: Lebensmittel sind heute so sicher wie noch nie. Tagtäglich versorgen wir die Menschen in Deutschland mit guten und sicheren Lebensmitteln zu bezahlbaren Preisen.

10 Standpunkte des BLL zur aktuellen Diskussion:

1. Das Schulfach „Ernährung“ ist ein wichtiger Baustein in einer qualifizierten Verbraucherbildung, Kochen als Thema auch in den Familien weiter fördern.
Die Lebensmittelwirtschaft befürwortet das Leitbild des „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“, weil es zeitgemäß ist, dem modernen Menschenbild entspricht und einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz vor Täuschung und Irreführung und der Eigenverantwortung, Selbstbestimmung und Souveränität des Verbrauchers gewährleistet.

Bildung ist dabei neben einer transparenten Information eine zentrale Voraussetzung. Aus diesem Grund befürwortetet der BLL die Einführung eines Schulfachs „Ernährung“, wobei die Familien hier nicht aus der Verantwortung entlassen werden dürfen. Familienbildungsangebote müssen das Angebot ergänzen. Verbraucherbildung „neu denken“ heißt für den BLL mehr als nur die Einführung eines Schulfaches „Ernährung“. Im Grünbuch werden Ergebnisse der modernen Ernährungsforschung zitiert, die die ersten 1.000 Tage eines Kindes für die Entwicklung im Erwachsenenalter als entscheidend sehen.

Aus diesem Grund wäre der Ansatzpunkt mit einem Schulfach „Ernährung“ bereist zu spät. Wirklich neu denken, heißt für den BLL daher beispielsweise über Bildungsangebote schon für Mütter nachzudenken.

2. Geschmack ist Trumpf – Wahlfreiheit des Kunden nicht durch falsch verstandene staatliche Fürsorge einschränken. In der Diskussion um die Reduzierung von Fett-, Salz- und Zuckergehalten, darf der Geschmack nicht auf der Strecke bleiben. Die Lebensmittelwirtschaft befasst sich intensiv mit der Entwicklung innovativer Produkte und orientiert sich dabei an dem Bedarf der Konsumenten. Sie entwickelt neue Produkte und verändert bestehende Rezepturen von Lebensmitteln und bietet so ein vielfältiges Angebot als Basis für eine ausgewogene Ernährung. Innovation, Herstellung und Vermarktung von Lebensmitteln sind die Kernkompetenz von Unternehmen, und es sollte weiterhin den Unternehmen überlassen werden, ob und welche Veränderungen bei Produkten vorgenommen werden. Unrealistische staatliche Vorgaben zur Produktanpassung würden die Hersteller – im besonderen Maße kleine und mittelständische Unternehmen – stark belasten.

Außerdem ist zu beachten, dass die Entwicklung von Übergewicht multikausal ist. Letztendlich kommt es nicht nur auf die Ernährungsgewohnheiten, sondern auf ausreichend Bewegung und einen insgesamt gesundheitsförderlichen Lebensstil an. Lebensmittel sind nicht per se gesund oder ungesund, vielmehr finden alle Lebensmittel in einer ausgewogenen Ernährung ihren Platz.

3. Informationen über Ernährung sachgerecht stärken und Know-how der Stakeholder beim Bundeszentrum für Ernährung nutzen. Der BLL begrüßt die Pläne des Grünbuchs, die Verbraucheraufklärung zu stärken. Allerdings muss Aufklärung wissenschaftsbasiert sein und muss sich am tatsächlichen Risiko orientieren. Die Diskriminierung einzelner Produkte wird dieser Anforderung nicht gerecht.

Aus Sicht des BLL ist es unbedingt erforderlich, weitere Stakeholder wie die Lebensmittelwirtschaft und einzelne Branchen aktiv in die Arbeit des neuen Zentrums einzubinden. Wir sprechen uns dringend für die Errichtung eines Fachbeirats für Ernährungskommunikation sowie eines Fachbeirats für Agrarkommunikation bei der BLE aus. Nur so ist in unseren Augen sicherzustellen, dass die BLE, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben notwendige Beratung erhält. Darüber hinaus sollte eine Beteiligung der Stakeholder auch bei den strategischen Fragestellungen vorgesehen werden.

4. Mindesthaltbarkeitsdatum beibehalten und besser informieren. Bei dem Thema Mindesthaltbarkeitsdatum/Verbrauchsdatum als europaeinheitlichem Kennzeichnungselement sollte mit Blick auf das gemeinsame Ziel der Reduzierung von vermeidbaren Lebensmittelabfällen und das noch bessere Verbraucherverständnis zu Inhalt und Unterschied der beiden seit 30 Jahren etablierten Angaben sein. Es gibt keine Hinweise darauf, dass eine zusätzliche Angabe eines „Verbrauchsverfallsdatum“ eine Hilfe für die Verbraucher sein könnte, es steht vielmehr zu befürchten, dass die Verunsicherung über die Bedeutung der unterschiedlichen Angaben dann noch steigt.

5. Verbraucherinformation muss transparent und schnell lesbar sein – Wirtschaft engagiert sich hier über gesetzliche Regelungen hinaus. Die Lebensmittelwirtschaft klärt auf unterschiedlichen Wegen über ihre Produkte auf, sei es auf den Etiketten durch die transparente Pflichtkennzeichnung nach der Lebensmittelinformations-Verordnung, über freiwillige Kennzeichnungselemente oder auch über Internetseiten, Broschüren, die klassischen Verbraucherhotlines und über die sozialen Netzwerke. Dabei werden bereits digitale Möglichkeiten genutzt. Oftmals handelt es sich bei der Kommunikation nicht nur um eine so genannte Einwegkommunikation, sondern der Dialog mit den Kunden steht im Vordergrund.

6. Megatrend Regionalität: Auf Wettbewerbsvorteil in der Unternehmenskommunikation setzen – weitere Regelungen führen nicht zu mehr Transparenz für den Verbraucher. Die Lebensmittelwirtschaft unterstützt das Interesse der Verbraucher an regionalen Produkten durch ein stetig erweitertes Angebot. Verpflichtende Herkunftsangaben auf nationaler oder gar regionaler Ebene, wie sie nun von einer Vielzahl von Mitgliedstaaten entwickelt werden, werden hingegen abgelehnt, denn die widersprechen dem zentralen europäischen Ziel des gemeinsamen Binnenmarktes und sind vor allem protektionistisch motiviert. Wenn verpflichtende Regelungen, dann nur auf europäischer Ebene.

7. Medienkompetenz stärken statt Regelungen bei Kinderwerbung ausweiten. Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, wie im Grünbuch gefordert, existieren bereits. Wer Kinder besser schützen will, muss sie zu urteilsfähigen und selbstbestimmten Konsumenten heranwachsen lassen. Eltern, Staat, Gesellschaft und Wirtschaft sind dabei in ihrer Unterstützung gleichermaßen aufgerufen.

Dazu gehört auch der verantwortungsvolle Umgang mit Werbung. Werbung ist ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft und spielt eine fundamentale Rolle in einem fairen und lauteren Wettbewerb. Man kann Kinder nicht unter einer schützenden Glocke aufwachsen lassen, bis sie 18 Jahre alt sind. Sie sollten nicht von der Werbung ausgeschlossen werden, sondern sie müssen den Umgang mit ihr erlernen und Werbekompetenz entwickeln.

8. Bessere Vernetzung der privaten und staatlichen Stellen der Lebensmittelkon-trolle ist nicht ausreichend, staatliche Lebensmittelkontrolle muss auf solide finanzielle Basis gestellt werden. In Anbetracht der Tatsache, dass die Wirtschaft bereits die internen Eigenkontrollen und die Zweitkontrollen der privatwirtschaftlichen Institute finanziert, stellt eine zusätzliche Finanzierung der amtlichen Regelkontrollen durch die Lebensmittelwirtschaft eine nicht akzeptable Zusatzbelastung dar. Es handelt sich hierbei schließlich nicht um eine „Dienstleistung“ des Staates für die Wirtschaftsbeteiligten, sondern um eine originäre Aufgabe der staatlichen Daseinsvorsorge. Notwendige Reformschritte im Hinblick auf die Lebensmittelkontrollen sollten daher im Dialog mit der Lebensmittelwirtschaft erfolgen und auf einer fairen Lastenteilung beruhen.

9. Einrichtung eines Referenzzentrums für „Echtheit von Lebensmitteln“ ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Lebensmittelfälschung. Der BLL begrüßt die Umsetzung von europäischem Recht in nationales Recht, da dies ein wichtiger Baustein ist, schwarzen Schafen das Handwerk zu legen. Zum Teil handeln hier Kriminelle in mafiösen Strukturen. Hiervor müssen nicht nur Verbraucher sondern auch Unternehmen der Lebensmittelbranche geschützt werden und Schaden muss von den Unternehmen abgewendet werden. Die Wirtschaft distanziert sich klar von solchen Machenschaften.

10. Lebensmittelbuch-Kommission (DLMBK) leistet wichtige Arbeit auch für Verbraucheraufklärung, BLL begrüßt die Stärkung des Konzepts und Verbesserung der Rahmenbedingungen nach Reform der DLMBK. Die DLMBK hat auch in Zukunft die Aufgabe, bestehende Verkehrsauffassungen von Lebensmitteln zu beschreiben und führt dazu die Kompetenz der relevanten Verkehrskreise – Wissenschaft, Wirtschaft, Überwachung, Verbraucher – zusammen.

Der notwendige Reformprozess in 2016 hat zu Verbesserungen der Abläufe, zu mehr Transparenz und Verbraucherkommunikation geführt. Die Bestätigung des gesetzlichen Auftrags und Beibehaltung der wesentlichen Prinzipien Parität und Konsens untermauern die breite Anerkennung und die Zukunftsfähigkeit der DLMBK.

Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL)

Der BLL ist der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Ihm gehören ca. 500 Verbände und Unternehmen der gesamten Lebensmittelkette – Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft und angrenzende Gebiete – sowie zahlreiche Einzelmitglieder an.

Für weitere Informationen:
Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL)
Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer
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Quelle und Pressekontakt BLL