Aktuelle Ernährungstrends – wie gesund sind sie wirklich?

Längst begeistern sich nicht mehr nur überzeugte Diät-Anhänger für Trends in der Ernährung. Der Verzicht auf einzelne Lebensmittel und die Ausübung bestimmter Ernährungspraktiken war wohl noch nie so populär wie im Moment. Doch was für viele zunächst eine vermeintlich gesündere Alternative zur empfohlenen vollwertigen Ernährung darstellt, kann eine einseitige und oft unzureichende Versorgung mit einzelnen Nährstoffen zur Folge haben.

Eine aktuelle Umfrage mit rund 1.000 Konsumenten von Bioprodukten zeigt: Die Liste der praktizierten Ernährungsweisen ist lang. Etwa ein Viertel der Befragten gibt an, sich vegetarisch zu ernähren und gut 20 Prozent versuchen, möglichst wenige Kohlenhydrate zu essen. (1) Weit verbreitet ist auch zuckerfreie, glutenfreie oder laktosefreie Kost. Außerdem tauchen in der Umfrage Ernährungsformen auf, von denen vor ein paar Jahren noch kaum jemand etwas gehört hat, wie zum Beispiel die Steinzeitdiät. Wie die Ergebnisse zeigen, gibt es viele verschiedene Varianten, bei denen Menschen bewusst auf bestimmte Lebensmittel verzichten.

Orthorexia nervosa: krankhafte Selbstkontrolle bei der Lebensmittelauswahl

Was zunächst erfreulich klingt – die Menschen machen sich Gedanken über ihre Gesundheit und über das, was auf ihrem Teller landet – kann aber auch mit Risiken verbunden sein. Besteht ein zwanghafter Drang, ausschließlich Dinge zu essen, die man selbst für besonders gesundheitsförderlich hält, handelt es sich in manchen Fällen sogar um eine Essstörung. Für Personen mit einer solchen „Orthorexia nervosa“ gehören Einschränkungen in der Lebensmittelauswahl zum Alltag. (2)

Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es jedoch keine Belege dafür, dass beispielsweise der Verzicht auf Laktose oder Gluten bei gesunden Personen einen positiven Nutzen hat. Im Gegenteil: Durch Weglassen einzelner vermeintlich ungesunder Lebensmittelgruppen kann Nährstoffmangel entstehen. (2) Eine laktosefreie Diät zum Beispiel muss gut geplant sein und birgt bei ungünstiger Lebensmittelauswahl Risiken für die Zufuhr von Mikronährstoffen. Denn Milchprodukte sind unter anderem reichhaltige Calcium-Quellen und leisten daher einen wichtigen Beitrag zur Knochengesundheit. (3)

Steinzeitdiät gefährdet ausreichende Nährstoffzufuhr

Eine der derzeit angesagtesten Ernährungsformen weltweit ist vermutlich die Paleo-Diät. Ihre Anhänger eifern der Ernährungsweise in der Altsteinzeit nach. Da zu dieser Zeit viele der heutigen Lebensmittel noch gar nicht existierten, ist die Liste der verbotenen Komponenten lang. Nicht erlaubt sind beispielsweise Getreide, Milch und deren Erzeugnisse, verarbeitete Lebensmittel, raffinierter Zucker und Kochsalz. Letztlich handelt es sich bei der Steinzeitdiät um eine kohlenhydratarme, dafür fett- und eiweißreiche Diät.

Wie förderlich diese Art von Ernährung ist, dazu gibt es bislang noch kaum wissenschaftliche Untersuchungen. Fest steht aber, dass die Versorgung mit einigen Nährstoffen gefährdet sein kann. So deuten verschiedene Studien darauf hin, dass die Calciumaufnahme bei Personen, die einer Paleo-Diät folgen, im Vergleich zu Personen mit einer Mischkost sehr niedrig ist. (4,5)

Grund dafür ist möglicherweise, dass auf zwei Lebensmittelgruppen verzichtet wird, die einen bedeutenden Beitrag zur Calciumzufuhr leisten: Milch- und Getreideprodukte. (6) Da diese ebenfalls Lieferanten für die  B-Vitamine Thiamin und Riboflavin sind, können auch hier Defizite in der Aufnahme entstehen; daneben konnten mehrere Untersuchungen trotz des hohen Fleischkonsums auch einen Mangel an Eisen nachweisen. (6) Nicht zuletzt, weil Anwender der Steinzeitdiät die Supplementierung von Mikronährstoffen grundsätzlich ablehnen. (6)

Zudem wird auf Nahrungsmittel verzichtet, die nachweislich einen positiven Einfluss auf die Gesundheit haben, wie beispielsweise Vollkornprodukte. (7) So bleiben zukünftige Langzeitstudien abzuwarten, um die gesundheitlichen Auswirkungen der steinzeitlichen Ernährungsweise abzuschätzen.

[1] Biopinio (2016); Bevorzugte Ernährungsweisen in Deutschland 2016 zitiert nach de.statista.com; URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/587794/umfrage/ernaehrungstypen-in-deutschland/ ; entnommen am 01.12.2016.

[2] Koven NS, Abry AW; The clinical basis of orthorexia nervosa: emerging perspectives;Neuropsychiatric Disease and Treatment 2015:11 385–394.

[3] Heaney RP; Dairy Intake, Dietary Adequacy and Lactose Intolerance; Adv. Nutr. 4: 151–156, 2013.

[4] Jonsson T, Granfeld Y et al.; Beneficial effects of a Paleolithic diet on cardiovascular risk factors in type 2 diabetes: a randomized cross-over pilot study; Cardiovasc-Diabetol. 8 (2009) 35-49.

[5] Genoni A, Lyons-Wall P et al.; Cardiovascular, metabolic effects and dietary composition of ad-libitum Paleolithic vs. Australian guide to healthy eating diets: a 4-week randomized trial. Nutrients 8 (2016) 314-327.

[6] Hoffman R; Can the paleolithic diet meet the nutritional needs of older people? Maturitas (2017) 95:63-64.

[7] Jonnalagadda SS, Harnack L et al.; Putting the Whole Grain Puzzle together: Health Benefits Associated with Whole Grains – Summary of American Society for Nutrition 2010 Satellite Symposium; J Nutr. 2011 May;141(5):1011S-22S.

GIVE e.V.
Dr. Andreas Erber
1. Vorsitzender

Pressekontakt:
Liane Ludwig
Friedrichstraße 23b, 70174 Stuttgart
0711/36533761
presse@giveev.de

Quelle: GIVE