Geschmack von Weizenbrot hängt von gewählter Sorte ab

Getreide-Experte PD Dr. Friedrich Longin und Bäckermeister Heiner Beck in dessen Backstube beim Begutachten von Brotteig. Im Backmarathon mahlten sie Mehl aus 40 Weizensorten und backten daraus 240 Brote.
Bildquelle: Universität Hohenheim / Sacha Dauphin

Brot aus 40 Weizensorten im Hohenheimer Backmarathon im Test.

Nussig, fein säuerlich, dann wieder fad – große Unterschiede zeigten sich im Geschmackstest von Weizenbrot aus verschiedenen Weizensorten. Dabei hatte die Sorte einen größeren Einfluss als der Ort, an dem diese angebaut wurde. Zwei Forscher der Universität Hohenheim und aus Zürich testeten zusammen mit einem Römersteiner Bäcker und einem Müller aus Eggmannsried Geschmack und Qualität von Brot aus 40 Sorten Brotweizen, die aus zwei Anbaugebieten stammen.

Auch die Politik zeigte Interesse. „Regional erzeugte und qualitativ hochwertige Lebensmittel aus Baden-Württemberg genießen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein hohes Ansehen – mit weiter steigender Tendenz. Unser Ziel ist es, den Menschen den Wert und die Vielfalt heimischer Produkte näherzubringen, und so vor allem in den ländlichen Regionen des Landes für Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu sorgen“, sagte die Staatssekretärin im Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Friedlinde Gurr-Hirsch MdL.

Mittwochmorgen, 15. Februar, um sechs in der Backstube von Becka Beck in Römerstein: Vier gestandene Männer krempeln die Hemdsärmel hoch und schaffen mit den Bäckergesellen daran, Teig für 240 Brote zu kneten und zu Brotlaiben zu formen.

„Das Mehl stammt von 40 Sorten Brotweizen, darunter Öko-Weizen, alte Weizensorten und Hochleistungsweizen“, erklärt PD Dr. Friedrich Longin, Leiter der Weizenzüchtung und -forschung der Landessaatzuchtanstalt der Universität Hohenheim. „Die Weizenproben produzierten wir auf zwei Testfeldern der Universität in Hohenheim und bei Halle an der Saale.“

Forschung und Handwerk arbeiten Hand in Hand

Heiner Beck, Chef von Becka Beck, ist der Gastgeber, der für den Marathon sein Know-how als Bäckermeister und seine Räume und Maschinen in Römerstein zur Verfügung stellt. „Davon erhoffe ich mir Impulse dafür, wie sich bekömmliches Getreide mit guten Back- und Geschmackseigenschaften wieder regional anbauen und verarbeiten lässt.“

Für Beck sollte das am besten gleich in der Nähe von landwirtschaftlichen Höfen und der Backstube sein. „Das bin ich auch meinen Kunden schuldig. Nur ein Zusammenspiel aus Forschung und Praxis kann uns insgesamt weiterbringen.“

40 Sorten Brotweizen aus zwei Anbaugebieten: Das ergibt 80 Weizenproben. Für den Geschmackstest sind pro Probe drei Laibe Brot zu backen – insgesamt 240 Brote. Dafür vermahlte Müller Hermann Gütler insgesamt rund 160 Kilogramm Weizen mit seiner Versuchsmühle zu Vollkornmehl, je Brotweizenprobe waren 2 Kilo Mehl erforderlich.

Die kleine Mühle schaffte er eigens für kleinere Kornmengen an. „Ich sehe mich als Bindeglied zwischen Landwirtschaft und Handwerk“, erklärt der Müller von der Stelzenmühle in Eggmannsried. „Solche Kooperationen sind der perfekte Weg, um unser Fachwissen beständig zu erweitern, um es dann in die Produktentwicklung, Produktion und Ausbildung einfließen zu lassen.“

Prof. Michael Kleinert ist der vierte im Bunde. Der Aromaforscher der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Life Sciences und Facility Management stellt seine Erfindung zur Verfügung: das Wädenswiler Brot-Aromarad. Damit werden die fertigen Brotlaibe auf Ihren Geschmack und ihre Qualität professionell begutachtet.

Bis mittags um eins sind die beiden Forscher und die beiden Handwerker zugange, dann ist die erste Etappe geschafft: Die 240 Brote sind fertig gebacken. Nun müssen sie einen Tag ruhen, bevor es an den Geschmackstest geht.

Die ersten fertig gebackenen Brote.
Bildquelle: Universität Hohenheim / Sacha Dauphin

Brote sind unterschiedlich in Bräunung und Krumenbild

Am darauf folgenden Donnerstagmorgen treffen sich die vier Experten wieder. Vor dem Geschmackstest prüfen sie zunächst Erscheinungsbild und Geruch der 240 Brotlaibe. Die vier Tester gehen bei der Beurteilung nach festgelegten Regeln zur sensorischen Beurteilung von Brot vor.

Die unterschiedlichen Teig- und Backeigenschaften der Weizensorten lassen sich sehr gut an den Brotlaiben erkennen – von schön geformten Laiben bis breit gelaufenen Broten ist alles zu sehen. „Das ist aber nicht überraschend, sondern war anhand der verschiedenen Proteinqualitäten der Weizensorten so zu erwarten“, sagt Dr. Longin. „Bemerkenswert ist nun zu sehen, dass diese Backeigenschaften weder mit dem Geschmack noch mit dem Ertrag zusammenhängen. So können wir alle drei Eigenschaften in einer Sorte kombinieren.“

Dann schneiden die Tester die Brotlaibe an und untersuchen das sogenannte Krumenbild. Die Brote haben unterschiedliche Festigkeiten. Ihre Schnittflächen sind von glatt bis uneinheitlich strukturiert. Manchmal sind Luftblasen entstanden oder das Brotinnere ist etwas zu fest. All diese Kriterien erfassen die Tester, bevor es ans Riechen und Schmecken geht.

Geschmacks- und Geruchsbeurteilung mit dem Brot-Aromarad

Wie Geruch und Geschmack von Brot sich professionell beschreiben lässt, ist das Metier des Schweizer Wissenschaftlers Prof. Kleinert. „Das Aromarad habe ich als Werkzeug entwickelt, um auch Brotgeschmack und -geruch einheitlich einordnen und benennen zu können, wie wir es zum Beispiel bei Weinverkostungen schon kennen“, sagt der Aromaforscher.

Im Vorfeld schulte er seine drei Mittester, wie sie mit dem Aromarad umgehen. Nun können die Tester die unterschiedlichen Eindrücke gut beschreiben: von trocken bis saftig und von leicht bis stark aromatisch reicht das Spektrum der Testbrote an Geschmacksintensität.

„Die Brote einiger Sorten schmecken und riechen würzig, zimtig oder nussig. Auch Röstaromen wie von Malz oder Kaffeebohnen lassen sich ausmachen“, fasst Heiner Beck die Ergebnisse zusammen. „Einige Sorten schmecken sogar intensiv nach Früchten wie Banane, obwohl alle Brote nach dem gleichen Rezept gebacken wurden.“

Anbauort nicht ausschlaggebend für Geschmack

Einen Zusammenhang zwischen Anbauort und Geschmack konnten die Tester nicht feststellen. „Das gilt für den Weizen genauso wie für den Dinkel, den wir im Backmarathon im letzten Jahr untersucht haben. Umwelteinflüsse haben also einen geringeren Einfluss als bisher angenommen“, erklärt Dr. Longin. Er vermutet den Grund für die Unterschiede im Genmaterial der Sorten.

Und es gibt keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Ertrag, Backeigenschaften und Geschmack, betont Dr. Longin. „Züchter könnten verstärkt auf geschmacksintensive Sorten setzen, ohne dabei Einbußen beim Ertrag in Kauf nehmen zu müssen.“

Festhalten lässt sich, dass Geschmack in der Zucht mehr Aufmerksamkeit verdient: „Getreidezüchter achten derzeit vor allem auf mehr Ertrag“, erklärt Dr. Longin „Sie bewerten die Größe der Getreidekörner und deren Stärkegehalt höher als den Geschmack des Mehls und die daraus gebackenen Produkte.“

Neue Zuchtziele für Weizensorten

Mit dem zweitägigen Back- und Verkostungsmarathon belegen Saatgutforscher Dr. Longin, Aromaforscher Prof. Kleinert, Bäckermeister Beck und Müller Gütler, dass Weizen zu Unrecht einen schlechten Ruf hat. Sie sehen, dass auch Weizen ein hohes Genusspotenzial birgt, das sich durch gezielte Zucht noch freilegen lässt. Geschmack, Ertrag und gute Backqualität sind nach dem Testergebnis kein Widerspruch.

In Bäcker Heiner Beck und Müller Hermann Gütler hat Dr. Longin zwei gleichgesinnte gleichwertige Partner gefunden. „Wir hatten eine sehr fruchtbare Hand-in-Hand-Zusammenarbeit. Dank Prof. Kleinerts Brot-Aromarad und unseren Vorerfahrungen aus dem letzten Jahr konnten wir diesmal eine sehr viel präzisere Geschmacksbestimmung durchführen.“

Und Dr. Longin ergänzt fasziniert: „Ich finde es einfach genial, dass gestandene Handwerksunternehmen sich die Zeit und das Geld nehmen – wir reden hier von einigen 10.000 € – uns in der Wissenschaft so intensiv zu unterstützen. Dass dabei noch so weitreichende und innovative Ergebnisse herauskommen, bestätigt unser aller Bemühen und zeigt, dass Handwerk und Wissenschaft super zusammen arbeiten können.“

Land macht sich für regionale Produkte stark

„Wer heimische Lebensmittel kauft, vertraut unseren Standards und kennt das Zusammenspiel von Landbewirtschaftung und gepflegten Kulturlandschaften. Genussvolle Raritäten und Produkte mit Geschichte sind schöne Botschafter für die Leistungsfähigkeit der Erzeuger und Verarbeiter in Baden-Württemberg“, sagte Staatssekretärin Gurr-Hirsch.

Tradition, Innovation, Vielfalt und handwerkliche Kunst seien Merkmale der Lebensmittelbranche im Südwesten. „Wir müssen den Menschen den Zusammenhang zwischen Produktionsbedingungen und Wert klar machen. Aufgrund der bäuerlichen Betriebsstrukturen kann Baden-Württemberg im globalen Wettbewerb keine Preisführerschaft übernehmen. Wir müssen uns durch Qualität und Regionalität von der breiten Masse absetzen“, erklärte Gurr-Hirsch. Die Verwendung alter Getreidesorten spiele hierbei eine wichtige Rolle.

Quelle und Pressekontakt Uni Hohenheim