Die Ginseng Wurzel aus der traditionellen asiatischen Medizin hat in Deutschland hauptsächlich als Mittel zur Steigerung der Potenz Bekanntheit erlangt. Dabei ist ein weiterer Schwerpunkt der Ginseng Forschung auf die kognitiven Effekte fokussiert.
Wirkung von Ginseng Wirkstoffen im Nervensystem
Die Wirkstoffe aus der Ginseng Pflanze (Panaxadiole, Panaxatriole), binden durchaus wichtige neuronale Rezeptoren und modulieren ihre Wirkung. Darunter binden die Ginseng Substanzen folgende Rezeptoren:
- 5-HT3 Serotoninrezeptor: Dieser Serotoninrezeptor ist mitunter ein Ziel von Medikamenten gegen Übelkeit. Eventuell kommt ein Teil der „stärkenden“ Ginseng Wirkung über die Bindung an diesen Rezeptor (B. H. Lee et al., 2007).
- GABA-R und NMDA-R: Wirkstoffe aus dem Ginseng binden sowohl an den beruhigend wirkenden GABA-Rezeptor als auch an den erregenden NMDA-Rezeptor (Choi et al., 2003; J. H. Kim et al., 2007). Anscheinend wird die Wirkung des ersteren verstärkt, die des NMDA-R vermindert, was zu einer angst- und stresslösenden Wirkung des Ginsengs beitragen könnte.
Das Gintonin, welche sich von den Panaxadiolen und –triolen unterscheidet, stellt wahrscheinlich auch gleichzeitig den potentesten Ginseng Wirkstoff dar. Dieser Komplex aus Proteinen und der Lysophosphatidsäure aktiviert einen Rezeptor, der vom Körper bei Heilungsprozessen von Verletzungen aktiviert wird.
Im Tiermodell verstärkte das Gintonin die Langzeitpotenzierung und die Ausschüttung von Nervenwachstumsfaktoren, die zu einem verbesserten Lernvermögen führten (Im & Nah, 2013). Aufgrund dieser vielfältigen Wirkungsweisen in Nervenzellen wurden die Ginseng Extrakte und Wirkstoffe bei Demenzpatienten und Gesunden im klinischen Bereich erforscht.
Ginseng im Einsatz gegen Alzheimer
Ginseng Wirkstoffe interagieren mit diversen Enzymen und Entzündungsprozessen, die an der Alzheimer Pathologie beteiligt sind.
So inhibiert Ginseng die Aktivität der Gamma-Sekretase und Beta-Sekretase, zweier Enzyme, welche das nerventoxische Beta-Amyloid-Peptid produzieren. Das Gintonin verschiebt die Produktion vom neurotoxischen Amyloid-Protein vermehrt hin zu einer nicht schädlichen Variante, die keine Alzheimerplaques bildet (H. J. Kim et al., 2015).
In klinischen Versuchen zum Ginseng wurden leider keine doppelblind placebokontrollierten Studien durchgeführt, sondern lediglich Kontrollgruppen miteingeführt. Annähernd 100 Teilnehmer bekamen in einer solchen Studie 4,5 g Ginseng über 3 Monate oder ein Placebo verabreicht. Am Anfang der Studie waren die Ausgangswerte in beiden Gruppen gleich, verbesserten sich jedoch bei den behandelten Patienten auf zwei verschiedenen Alzheimer-Bewertungsskalen (MMST und ADAS). Mit dem Absetzen des Ginsengs ging die Wirkung jedoch auch wieder verloren (S. T. Lee, Chu, Sim, Heo, & Kim, 2008).
Eine zweite Studie konnte mit der gleichen Dosierung von 4,5 g keinen signifikanten Unterschied zum Placebo feststellen, dafür aber mit 9 g. Dabei wurde roter Ginseng verabreicht. Die Forscher sahen eine Besserung in 2 von 3 etablierten Alzheimertestreihen bei den behandelten Patienten fest (Heo et al., 2008).
Insgesamt muss man sagen, dass Ginseng im Vergleich zum Ginkgo Biloba in der Hinsicht schlechter abschneidet, als dass Ginkgo Extrakte in qualitativeren Studien intensiver erforscht wurden, wenn auch da Kontroversen bestehen. So scheint Ginseng zwar auch bei Demenz interessant zu sein, die Beweislage ist aber leider nicht aussagekräftig.
Ginseng für mehr kognitive Leistung
Ginseng wurde hauptsächlich auf eine sofortige Wirkung auf die Denkleistung getestet, dabei wurden unterschiedliche Extrakte und Dosierungen eingesetzt, welche einen direkten Vergleich oder eine umfangreiche Meta-Analyse leider regelrecht unmöglich machen.
In einer doppelblind placebokontrollierten Studie erzielte so die geringste Dosis von 100 mg die beste Wirkung. Der dabei eingesetzte 10 % Extrakt enthielt angereicherte Ginseng Wirkstoffe. Während alle Dosierungen von 100 bis 400 mg die Kurzzeitgedächtnis Leistung verbesserten, führte lediglich die geringste Dosis zu einer zusätzlichen Entspanntheit und dadurch zu schnelleren Reaktionszeiten bei den gesunden Probanden (Scholey et al., 2010).
Kontrovers dazu wurden in einer anderen Studie mit einem 4 % Extrakt gegensätzliche Ergebnisse erreicht. Die Einnahme der geringsten Dosis (200 mg) vor dem eigentlichen Test verschlechterte die mathematische Leistungsfähigkeit der Teilnehmer, wobei eine Verdopplung dieser Dosis (400 mg) die Lösung von mathematischen Aufgaben beschleunigte. Die Teilnehmer wurden zudem insgesamt entspannter (Reay, Scholey, & Kennedy, 2010).
Dagegen führte die langfristige Anwendung des gleichen 4 % Extrakts über 3 Monate hinweg mit einer kleinen Dosis von 100 mg zur schnelleren Lösung von mathematischen Aufgaben (D’Angelo et al., 1986). Es scheinen also Unterschiede zwischen kurz- und langfristigen Ginseng Einnahme zu bestehen, oder aber die Methodik der Studien war nicht gut genug.
In einer kleinen Studienzusammenfassung wurde Ginseng direkt mit dem Narkolepsie-Medikament Modafinil, das gerne zweckentfremdet als Smartdrug verwendet wird, und der Bacopa monniera Pflanze verglichen, die nootropische und neuroregenerative Eigenschaften aufweisen soll. Interessanterweise erzielt Ginseng ähnlich dem Modafinil eher eine sofortige Wirkung, wogegen Bacopa lediglich nach einer längeren Einnahmedauer spürbare Veränderungen mit sich bringt.
Die Autoren kamen zum Schluss, dass Ginseng insbesondere bei Denkaufgaben nützlich sein könnte, welche eine hohe Konzentration benötigen und das Kurzzeitgedächtnis stark belasten. Am effizientesten für die Steigerung der kognitiven Fähigkeiten war in den analysierten Studien das Modafinil, dann das Ginseng und zuletzt Bacopa (Neale, Camfield, Reay, Stough, & Scholey, 2013).
Auch wenn die Forschungsergebnisse von keiner guten Konsistenz sind und die richtige Dosierung abhängig vom verwendeten Extrakt durchaus schwanken kann, ist Ginseng kein unwirksames Mittel. Es scheint durchaus mit spezifischen Bereichen der Gedächtnisleistung zu interagieren. Insbesondere mit dem Arbeitsgedächtnis, das eng verbunden ist mit der Lösung neuartiger Aufgaben und der sogenannten fluiden Intelligenz, deren Steigerung ein hohes Interesse genießt.
Fachliteratur
Choi, S. E., Choi, S., Lee, J. H., Whiting, P. J., Lee, S. M., & Nah, S. Y. (2003). Effects of ginsenosides on GABA(A) receptor channels expressed in Xenopus oocytes. Arch Pharm Res, 26(1), 28-33. Retrieved from http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12568354
D’Angelo, L., Grimaldi, R., Caravaggi, M., Marcoli, M., Perucca, E., Lecchini, S., . . . Crema, A. (1986). A double-blind, placebo-controlled clinical study on the effect of a standardized ginseng extract on psychomotor performance in healthy volunteers. J Ethnopharmacol, 16(1), 15-22. Retrieved from http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/3528672
Heo, J. H., Lee, S. T., Chu, K., Oh, M. J., Park, H. J., Shim, J. Y., & Kim, M. (2008). An open-label trial of Korean red ginseng as an adjuvant treatment for cognitive impairment in patients with Alzheimer’s disease. Eur J Neurol, 15(8), 865-868. doi:10.1111/j.1468-1331.2008.02157.x
Im, D. S., & Nah, S. Y. (2013). Yin and Yang of ginseng pharmacology: ginsenosides vs gintonin. Acta Pharmacol Sin, 34(11), 1367-1373. doi:10.1038/aps.2013.100
Kim, H. J., Shin, E. J., Lee, B. H., Choi, S. H., Jung, S. W., Cho, I. H., . . . Nah, S. Y. (2015). Oral Administration of Gintonin Attenuates Cholinergic Impairments by Scopolamine, Amyloid-beta Protein, and Mouse Model of Alzheimer’s Disease. Mol Cells, 38(9), 796-805. doi:10.14348/molcells.2015.0116
Kim, J. H., Cho, S. Y., Lee, J. H., Jeong, S. M., Yoon, I. S., Lee, B. H., . . . Nah, S. Y. (2007). Neuroprotective effects of ginsenoside Rg3 against homocysteine-induced excitotoxicity in rat hippocampus. Brain Res, 1136(1), 190-199. doi:10.1016/j.brainres.2006.12.047
Lee, B. H., Lee, J. H., Lee, S. M., Jeong, S. M., Yoon, I. S., Lee, J. H., . . . Nah, S. Y. (2007). Identification of ginsenoside interaction sites in 5-HT3A receptors. Neuropharmacology, 52(4), 1139-1150. doi:10.1016/j.neuropharm.2006.12.001
Lee, S. T., Chu, K., Sim, J. Y., Heo, J. H., & Kim, M. (2008). Panax ginseng enhances cognitive performance in Alzheimer disease. Alzheimer Dis Assoc Disord, 22(3), 222-226. doi:10.1097/WAD.0b013e31816c92e6
Neale, C., Camfield, D., Reay, J., Stough, C., & Scholey, A. (2013). Cognitive effects of two nutraceuticals Ginseng and Bacopa benchmarked against modafinil: a review and comparison of effect sizes. Br J Clin Pharmacol, 75(3), 728-737. doi:10.1111/bcp.12002
Reay, J. L., Scholey, A. B., & Kennedy, D. O. (2010). Panax ginseng (G115) improves aspects of working memory performance and subjective ratings of calmness in healthy young adults. Hum Psychopharmacol, 25(6), 462-471. doi:10.1002/hup.1138
Scholey, A., Ossoukhova, A., Owen, L., Ibarra, A., Pipingas, A., He, K., . . . Stough, C. (2010). Effects of American ginseng (Panax quinquefolius) on neurocognitive function: an acute, randomised, double-blind, placebo-controlled, crossover study. Psychopharmacology (Berl), 212(3), 345-356. doi:10.1007/s00213-010-1964-y