Glutenfreie Kost – für die einen ein Muss, für die anderen Trend

Noch nie war das Angebot an glutenfreien Lebensmitteln in den Supermärkten so groß wie zurzeit und kaum eine andere Ernährungsweise hat wohl so viele berühmte Anhänger wie die glutenfreie Diät. Dabei sind nur wenige Menschen aus gesundheitlichen Gründen auf den strikten Verzicht auf bestimmte Getreidesorten angewiesen. Wer Gluten freiwillig meidet, erhofft sich oft einen gesundheitlichen Nutzen – hierfür fehlen bislang jedoch wissenschaftliche Belege.

Etwa 0,3 Prozent der Deutschen muss krankheitsbedingt auf Gluten in der Nahrung verzichten – sie leiden an Zöliakie. (1) Gluten ist ein Klebereiweiß, das in Weizen und seinen verwandten Getreidearten, wie beispielsweise Dinkel, Roggen und Gerste, vorkommt. Bei Zöliakie-Patienten löst das Eiweiß eine Entzündung im Dünndarm aus, wodurch sich die Ausstülpungen des Darms zurückbilden und sich seine Oberfläche verkleinert. Die Folge: Der Darm ist nicht mehr in der Lage, ausreichend Nährstoffe aufzunehmen und im gesamten Körper treten Beschwerden auf. Eine glutenfreie Ernährung ist für betroffene Personen daher unumgänglich.

Glutenfreie Ernährung ist bei Verbrauchern beliebt

Doch längst verzichten nicht mehr nur Zöliakie-Patienten auf Gluten. Seit einigen Jahren ist die Meinung weit verbreitet, dass glutenfreie Lebensmittel gesünder seien als glutenhaltige. (2) Nicht zuletzt, weil sich berühmte Persönlichkeiten wie Schauspielerin Miley Cyrus und Sängerin Lady Gaga dazu bekennen, auf Gluten zu verzichten. So wurde bei 85 Prozent der Befragten, die bei der nationalen Studie zur Gesundheit und Ernährung in den USA (NHANES) angaben, sich glutenfrei zu ernähren, nie eine Unverträglichkeit diagnostiziert. (3)

Auch ein Blick auf die Umsatzzahlen der Lebensmittelindustrie zeigt, dass die Nachfrage nach glutenfreien Produkten in den letzten Jahren enorm anstieg (4) – aus wissenschaftlicher Sicht gibt es jedoch keinerlei Belege dafür, dass ein Verzicht auf das Eiweiß auch für gesunde Personen einen positiven Nutzen hat. (5) Ganz im Gegenteil: Verschiedene Untersuchungen machen deutlich, dass die Zusammensetzung der glutenfreien Ernährung nicht gesünder ist als die der glutenhaltigen Kost und dass die Versorgung mit einzelnen Mikronährstoffen sogar problematisch sein kann.

Keine gesündere Alternative zur vollwertigen Ernährung

Eine Analyse der Nährstoffzufuhr bei glutenfreier Kost zeigt: Die Aufnahme der Vitamine B1, B2, B6 und Folsäure sowie des Mineralstoffs Magnesium und des Spurenelements Eisen liegt unter der durchschnittlichen Zufuhr gemäß der Nationalen Verzehrsstudie (NVS II). (6) Da die Empfehlungen für Eisen und Folsäure bereits von einem Großteil der Teilnehmer der NVS II unterschritten werden, ist die Versorgung mit diesen Nährstoffen bei einer Ernährung, die auf Gluten verzichtet, besonders kritisch zu betrachten und eine genaue Überwachung der Nährstoffversorgung ist ratsam. (7)

Auch bei der häufigen Annahme, glutenfreie Produkte könnten eine gesündere, wenngleich teurere, Alternative zu herkömmlichen Lebensmitteln darstellen, handelt es sich um einen Trugschluss. Aus den Ergebnissen einer österreichischen Studie wird deutlich: Brot, Pasta, Kekse und verschiedene Snacks enthalten in der glutenfreien Variante im Schnitt weniger Eiweiß und auch der Zink- und Kaliumgehalt ist in einigen Produkten deutlich niedriger. (8)

Insgesamt kommt der Nährstoffvergleich zu dem Ergebnis, dass glutenfreie Erzeugnisse aus ernährungswissenschaftlicher Sicht für gesunde Personen keinerlei Vorteile bieten. Demnach ist der Verzicht auf das Klebereiweiß nur für Zöliakie-Patienten und – neuesten Erkenntnissen zufolge – eventuell auch für manche Patienten mit Reizdarmsyndrom förderlich. (9)

Quellen

[1] Felber J, Aust D, Baas S, et al.; Results of a S2k-Consensus Conference of the German Society of Gastroenterolgy, Digestive- and Metabolic Diseases (DGVS) in conjunction with the German Coeliac Society (DZG) regarding coeliac disease, wheat allergy and wheat sensitivity. Z Gastroenterol 2014; 52(7): 711-43.

[2] Marcason W; Is there evidence to support the claim that a gluten-free diet should be used for weight loss? J Am Diet Assoc. 2011 Nov; 111(11):1786.

[3] Mardini H, Westgate P, Grigorian A; Racial differences in the prevalence of celiac disease in the US population: national health and nutrition examination survey (NHANES) 2009-2012; Dig Dis Sci. 2015 Jun;60(6).

[4] Nielsen (2013/14 und 2015/16); Umsatz mit glutenfreien Produkten im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland nach Produktgruppen in den Jahren 2013/14 und 2014/15 (in Millionen Euro) zitiert nach de.statista.com; URL: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/435946/umfrage/umsatz-mit-glutenfreien-produkten-im-leh-in-deutschland-nach-produktgruppen/; entnommen am 01.12.2016.

[5] Gaesser GA, Angadi SS; Gluten-Free Diet: Imprudent Dietary Advice for the General Population? J Acad Nutr Diet. 2012 Sep;112(9):1330-3.

[6] Martin J, Geisel T, Maresch C et al.; Inadequate Nutrient Intake in Patients with celiac Disease: Results from a German Dietary Survey; Digestion 2013,87:240-246.

[7] Max Rubner-Institut (Hrsg.); Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht Teil 2; Max Rubner-Institut Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel; 2008.

[8] Missbach B, Schwingshackl L, Billmann A et al.; Gluten-free food database: the nutritional quality and cost of packaged gluten-free foods. PeerJ. 2015 Oct 22;3:e1337.

[9] Di Sabatino A, Volta U, Salvatore C et al.; Small Amounts of Gluten in Subjects With Suspected Nonceliac Gluten Sensitivity: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled, Cross-Over Trial. 2015 Sep;13(9):1604-12.

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