Die Übertragung von nutztierassoziierten MRSA auf den Menschen durch Geflügelfleisch ist möglich

Risiko ist aber gering.

Staphylococcus (S.) aureus ist ein weit verbreitetes Bakterium, das Haut und Schleimhäute von Mensch und Tier besiedelt. Ungefähr 30 % der Menschen tragen S. aureus auf der Haut und/oder den Schleimhäuten. In der Regel wird die Besiedlung nicht bemerkt. S. aureus ist jedoch auch häufig an Entzündungen der Haut und/oder von Weichteilen beteiligt. Die Methicillin-resistente Variante von S. aureus (MRSA) ist gegen alle so genannten Beta-Laktam- Antibiotika unempfindlich, also gegen Penicilline und Cephalosporine.

Auch Resistenzen

gegen weitere Antibiotikaklassen sind bei diesen Keimen häufig. MRSA werden auch bei Nutztieren und in Lebensmitteln nachgewiesen. Klinische Daten zeigen allerdings, dass die Stämme, die aus dem Tierstall stammen („Livestock associated“- MRSA, kurz LA-MRSA) derzeit von untergeordneter Bedeutung für die Infektionen des Menschen sind. Eine Ausnahme stellen Personen dar, die in häufigem Kontakt mit Nutztieren sind (Tierärzte, Personal in landwirtschaftlichen Betrieben). Sie können Träger von LA-MRSA sein. Die Übertragung von LA-MRSA über Lebensmittel auf Menschen war bisher nicht beobachtet worden.

Aufgrund von Ergebnissen einer Forschungskooperation kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und des Statens Serum Instituts (SSI) in Kopenhagen (Dänemark) zu dem Schluss, dass eine Übertragung eines be-stimmten Typs von LA-MRSA über Geflügelfleisch auf den Menschen möglich ist. Zuvor waren in Dänemark einige Fälle einer Infektion beim Menschen mit diesem Typ von LA-MRSA (sogenannter CC9/CC398) beschrieben worden. Insgesamt wird das Risiko einer Übertragung von LA-MRSA auf den Menschen durch den Umgang bzw. den Verzehr von (rohem) Geflügelfleisch vom BfR jedoch weiter als gering eingeschätzt.

Das am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) angesiedelte Nationale Referenzlabor für Koagulase positive Staphylokokken einschließlich S. aureus hat gemeinsam mit dem Statens Serum Institut (SSI) in Kopenhagen (Dänemark) Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)-Stämme eines ganz besonderen LA-Typs (CC9/CC398) aus besiedelten oder infizierten Patienten untersucht. Sie wurden verglichen mit Stämmen, die von verschiedenen Tierarten, aus Lebensmitteln und aus anderen Quellen isoliert worden waren (Larsen et al., 2016). Hintergrund der Studie war, dass in Dänemark Fälle von CC9/CC398 MRSA beim Menschen beobachtet wurden, hierfür aber kein Reservoir im Lande bekannt war, aus dem diese Keime stammen konnten. Keiner der mit diesen Stämmen infizierten Patienten hatte unmittelbaren Kontakt zu Nutztieren gehabt. Auch wurden derartige Stämme bisher nicht in Nutztierbeständen in Dänemark nachgewiesen.

Am SSI wurden aus zwölf Infektionsfällen beim Menschen in Dänemark isolierte CC9/CC398 MRSA betrachtet. Gleichzeitig wurde eine internationale Sammlung von 185 S. aureus- Stämmen (Methicillin-resistente und -sensible) unterschiedlicher Herkunft (Mensch, Tier, Lebensmittel und aus der Umwelt) untersucht, die gezielt für diesen Vergleich zusammengestellt wurde. Die Sammlung beinhaltete sowohl CC9/CC398 Stämme als auch zum Vergleich Stämme des CC398, die den größten Anteil der LA-MRSA beim Nutztier ausmachen. Mittels Gesamtgenomsequenzierung und stammvergleichender Analysen konnten 10 Isolate aus den Infektionsfällen einer Gruppe von 49 sehr eng verwandten CC9/CC398-Stämmen aus der Stammsammlung zugeordnet werden. Die Stämme hatten fast identische Eigenschaften und Charakteristika und wurden als „ΦSa3 clade“ bezeichnet.

Neben den Isolaten aus Infektionsfällen beim Menschen gehörten 95 % der Isolate aus Ge- flügel bzw. Geflügelfleisch ebenfalls zu dieser „ΦSa3 clade“. Nur 7 % der Isolate in dieser Gruppe waren anderer Herkunft. Teilweise wiesen die Stämme aus den menschlichen Infek- tionen sogar die für Stämme aus Geflügel typischen Gene auf. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schlossen aus ihren Untersuchungsergebnissen, dass sich CC9/CC398-MRSA vom Geflügel an den Menschen angepasst haben. Die Autorinnen und Autoren nehmen außerdem an, dass die Stämme über Geflügelfleisch auf die betroffenen Personen übertragen worden sein könnten. Sie betonen aber, dass die Ergebnisse nicht ausreichen, um die bisherige Einschätzung zu ändern, dass die lebensmittelbedingte Übertragung von LA-MRSA eine eher untergeordnete Rolle in der Verbreitung von Nutztier-MRSA beim Menschen spielt.

Die Ergebnisse zeigen allerdings auch, dass MRSA wandelbare und an unterschiedliche Lebensräume anpassungsfähige Bakterien sind. Daher ist die Forschungsgruppe des SSI überzeugt, dass es dringend notwendig ist, die intensive Überwachung von S. aureus an der „Mensch-Tier“-Schnittstelle fortzusetzen. Dieses Monitoring soll ermöglichen, Veränderungen von MRSA schnell zu erkennen und entsprechend reagieren zu können.

Das BfR hat, in Ergänzung zu der dänischen Studie, weitere eigene Untersuchungen zu CC9/CC398 MRSA durchgeführt. Bei diesen Untersuchungen wurden weitere Stämme des CC9/CC398 MRSA identifiziert, die identische Eigenschaften aufwiesen, wie die Isolate, die in Dänemark bei menschlichen Erkrankungen nachgewiesen wurden. Die Mehrheit dieser Stämme wurde im Rahmen des nationalen Zoonosen-Monitorings aus Putenfleisch isoliert. Die Rückverfolgung des im deutschen Einzelhandel beprobten Putenfleisches legt eine epidemiologische Verbindung nach Polen als Eintragsquelle in die Lebensmittelkette nahe (Fetsch et al. 2016).

Fasst man die Ergebnisse der beiden Studien zusammen (Larson et al., 2016 und Fetsch et al., 2016) weist einiges darauf hin, dass über Lebensmittel, insbesondere Putenfleisch, ein bestimmter LA-MRSA Typ (CC9/CC398) von Tieren auf den Menschen übertragen werden kann. Zum jetzigen Zeitpunkt ist offen, ob diese Übertragung durch den Verzehr und/oder den Umgang mit (rohem) Geflügelfleisch erfolgen kann. Unklar ist auch, welche weiteren Faktoren die Übertragung und ggf. eine spätere Infektion mit CC9/CC398 MRSA begünstigen. Gegenwärtig gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass auch andere LA-MRSA Typen über Lebensmittel auf den Menschen übertragen werden können. Insgesamt ist die Datenlage jedoch nicht ausreichend, um die genaue Bedeutung dieses Übertragungsweges abschätzen zu können.

Das BfR geht davon aus, dass weiterhin der direkte Kontakt mit Nutztieren als wichtigster Weg für eine Übertragung von LA-MRSA von Tieren auf den Menschen anzusehen ist. Die Ergebnisse zeigen aber auch das Veränderungspotential von MRSA. Ob sich diese Veränderungen auf die Übertragungswahrscheinlichkeit oder die Schwere der hervorgerufenen Erkrankungen auswirken können, bedarf ebenfalls weitergehender Untersuchungen.

Das BfR empfiehlt mit Blick auf die Studienergebnisse von Larsen et al. (2016) und Fetsch et al. (2016), das intensive nationale Monitoring von MRSA bei Nutztieren und in Lebensmitteln fortzusetzen. Bemühungen zur Verhinderung des Eintrags in die Lebensmittelkette sollten bereits in der Primärproduktion intensiviert werden. Zudem ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den human- und veterinärmedizinischen Fachdisziplinen im Sinne des „One- Health“ Gedankens unerlässlich. Hierbei sollten weitere vergleichende Untersuchungen von Isolaten von Menschen, Tieren und Lebensmitteln durchgeführt werden. Ein besonderes Augenmerk sollte auf den Vergleich von Stämmen aus der Lebensmittelkette vom Geflügel gelegt werden.

Referenzen

  • Larsen et al. 2016: Evidence for Human Adaptation and Foodborne Transmission of Live- stock-Associated Methicillin-Resistant Staphylococcus aureus, Clin Infect Dis. 2016 Nov 15;63(10):1349-1352
  • Fetsch et al. 2016: Turkey meat as source of CC9/CC398 Methicillin-resistant Staphylococcus aureus (MRSA) in humans? Clin Infect Dis. 2017 Jan 1;64(1):102-103
  • Weitere Informationen auf der BfR-Website zum Thema MRSA

Über das BfR

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.

Quelle und Pressekontakt BfR