Glyphosat: neue Belege zur Beeinflussung von Behördenbewertungen durch die Industrie

Die europäische Chemikalien-Agentur ECHA hat ihre umstrittene Bewertung des Herbizids Glyphosat vorab von einem Lobbyverband der Hersteller kommentieren lassen. Das berichteten die Süddeutsche Zeitung und das ARD-Magazin Fakt. Dass dieser Vorgang kein Einzelfall ist, belegt der Report „Glyphosat und Krebs: Gekaufte Wissenschaft“. Er stellt dar, wie die Glyphosathersteller, vor allem Monsanto, seit Jahren versuchen, gezielt Behördenentscheidungen zu beeinflussen – insbesondere durch gekaufte Studien.

Im Falle der ECHA-Bewertung wurde die industrielle Einflußnahme bekannt, weil der Toxikologe Peter Clausing für das Pestizid Aktions-Netzwerk als Beobachter an der entscheidenden Sitzung des ECHA-Ausschusses für Risikobewertung teilnahm. „Ich hab meinen Augen nicht getraut, als ich sah, dass die Industrie Kommentare zu dem Entwurf des Bewertungsberichts eingestellt hat“, sagte er dem ARD-Magazin Fakt. Denn das Prozedere der ECHA sieht vor, dass die Öffentlichkeit und interessierte Verbände zu Beginn eines Bewertungsverfahrens Stellungnahmen abgeben können, die dann auch veröffentlicht werden. Diese Möglichkeit nutzten mehrere Umweltorganisationen.

Doch die öffentliche Konsultation endete im Falle der Glyphosatbewertung bereits im Juli 2016, bevor der Ausschuss seine Bewertung begann. Die Möglichkeit, den Entwurf des Bewertungsberichts zu kommentieren hatte nur der Industrieverband Glyphosat Task Force. Entgegen ihren Regeln veröffentlichte die ECHA den Kommentar des Lobbyverbandes nicht. „Die Industrie hat versucht, auf die Bewertung der Behörde Einfluss zu nehmen“, kommentierte Peter Clausing den Vorgang in der Süddeutschen Zeitung.

Dass dies kein Einzelfall ist, zeigen die von einem Gericht im US-Bundesstaat Kalifornien freigegebenen Monsanto-Akten. Darin wird deutlich, dass der für die Krebsbewertung von Glyphosat zuständige Mitarbeiter der US-Umweltbehörde EPA auf der Seite Monsantos stand. Zudem zeigten interne Mails, dass Monsanto Wissenschaftler anheuerte, um vorgefertigte Texte als eigene Studien auszugeben und zu publizieren. Diese Studien sollten dazu dienen, die Einstufung von Glyphosat als möglicherweise krebserregend durch die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation zu widerlegen.

Einer der in den Mails genannten Wissenschaftler ist der deutsche Toxikologe Helmut Greim. Er bestätigte gegenüber Fakt, dass er für zwei Studien, die unter seinem Namen erschienen, Geld von Monsanto erhalten habe. In einem Fall sei auch ein Manuskript von Monsanto geliefert worden. Das habe er allerdings aufwändig überarbeiten müssen, weil es für eine Veröffentlichung ungeeignet gewesen sei. Der 82-jährige Greim gilt als einer der einflussreichsten Toxikologen Deutschlands. Er war Vorsitzender in mehreren Expertengremien, die auf Bundes- oder EU-Ebene Empfehlungen für Grenzwerte abgeben. In einigen arbeitet er bis heute noch mit.

Mit diesen Auftragsstudien und anderen Vorgängen rund um die Neubewertung von Glyphosat befasst sich der Report „Glyphosat und Krebs: Gekaufte Wissenschaft“. Veröffentlicht hat ihn die österreichische Umweltorganisation Global 2000, unterstützt von zahlreichen anderen Organsisationen, darunter der Umweltverband BUND, das Umweltinstitut München, Campact und das Pestizid-Aktions-Netzwerk.

Der Report beleuchtet auch, wie 2016 eine Serie von Übersichtsarbeiten für eine renommierte Fachzeitschrift entstand, deren Autoren übereinstimmend Glyphosat von jedem Krebsverdacht freisprachen. Monsanto hatte dafür eine Agentur zwischengeschaltet, die ein Expertenpanel zusammenstellte. In internen Monsanto-Mails, die der Report dokumentiert, ist von möglichen Kosten bis zu 250.000 US-Dollar und mehr die Rede.

Auch über mögliche Mitglieder für das Panel wird darin diskutiert. Wie das als unabhängig bezeichnete Expertengremium schließlich besetzt war, beschreibt der Report so: „Zwölf der 16 Mitglieder des Gremiums waren bereits als Berater für Monsanto tätig oder bei dem Unternehmen angestellt. Viele der Autoren pflegen oder pflegten Verbindungen zum industrienahen “International Life Sciences Institute“ (ILSI), einer Organisation, die unter anderem von Unternehmen finanziert wird, die Glyphosatprodukte herstellen und/oder vermarkten, einschließlich Monsanto, Dow und BASF.“ [lf]

Quelle und Pressekontakt Informationsdienst Gentechnik