EU-Kommission genehmigt neue Anwendung für Natursüße Stevia

Stevia-Blätter im Tee: Neue EU-Genehmigung könnte Durchbruch für Natursüße bringen. Stevia-Experte der Uni Hohenheim: „Entscheidung birgt wirtschaftliches Potenzial, aber auch Risiken für Hersteller.“

„Mit Stevia gesüßt“: Wo das auf der Verpackung steht, erwarten Verbraucher den Einsatz der Stevia-Pflanze als natürliches und kalorienfreies Süßungsmittel. Dahinter verbirgt sich jedoch der Süßstoff Stevioglykosid, denn die Verwendung der Stevia-Blätter in Lebensmitteln ist bislang in der Europäischen Union nicht erlaubt.

Zumindest bei manchen Tees könnte sich das nun ändern: In der vergangenen Woche genehmigte die Europäische Kommission die Nutzung von Stevia-Blättern in Früchte- und Kräutertees. Die Entscheidung könnte großes wirtschaftliches Potenzial bieten, meint Stevia-Experte Dr. Udo Kienle von der Universität Hohenheim – aber auch Risiken für die Hersteller.

Um ein Vielfaches süßer als Zucker, und das ohne jegliche Kalorien: Die in Südamerika heimische Stevia-Pflanze wird bereits seit Jahren als gesunde Alternative zu Zucker und Süßstoffen gehandelt. Auf dem Markt hat sie sich dennoch bislang nicht durchgesetzt. EU-Regulatorien verbieten den Einsatz des pflanzlichen Stoffes, zugelassen ist lediglich der durch chemische Verfahren gewonnene Süßstoff Stevioglykosid.

Dabei, so ist sich Dr. Udo Kienle von der Universität Hohenheim sicher, ist das pflanzliche Produkt dem Süßstoff geschmacklich überlegen: „Viele Verbraucher bemerken bei Produkten mit Stevioglykosid einen Nebengeschmack von Lakritze. Beim Süßen mit den getrockneten und zerkleinerten Stevia-Blättern ist das nicht der Fall.“

Hersteller von Teemischungen und -getränken dürften sich deshalb über die Entscheidung der EU-Kommission freuen: Diese erlaubt seit der vergangenen Woche den Vertrieb von Kräuter- oder Früchtetees, die Blätter von Stevia rebaudiana Bertoni enthalten oder damit zubereitet wurden.

Problem: Unklare Auslegung

Diese Entscheidung birgt jedoch einiges Konfliktpotenzial, befürchtet Dr. Kienle: „Der Text ist nicht einwandfrei definiert. Unklar ist zum Beispiel, was für Produkte nach der neuen Regelung genau erlaubt sind. Handelt es sich nur um zum Beispiel Kräuter- und Früchteteemischungen, bei denen Stevia-Blätter im Teebeutel enthalten sind? Oder gilt die Entscheidung auch für fertige Teegetränke, die mit Stevia-Blättern aufgebrüht wurden wie z.B. gebrauchsfertiger Eistee in Flaschen?“

Der Wissenschaftler, der sich bereits seit Jahren intensiv mit der Stevia-Pflanze beschäftigt, ist sich sicher: „Die Auslegung bestimmt, ob die Entscheidung Stevia wirtschaftlich attraktiver macht.“ Eine auf den Vertrieb als Teemischung beschränkte Auslegung würde bedeuten, dass Stevia-Blätter in dieser Form ein Nischenprodukt bleiben. Sollte die Entscheidung jedoch auch fertige Getränke umfassen, wäre dies sicher auch für Hersteller von Teegetränken wie Lipton interessant.

Dr. Kienle hat deshalb eine Anfrage an die Europäische Kommission gestellt und um begriffliche Klärung der Definition gebeten.

Risiken für Hersteller und Verbraucher

Während sich dank der neuen Definition neue Verwendungsmöglichkeiten für Stevia-Blätter auftun, warnt Dr. Kienle auch vor Risiken. „Wer nun zum Beispiel als Hersteller Teemischungen mit Stevia-Blättern verkaufen will, muss sorgfältig prüfen, dass er dabei nur Blätter verwendet, die den in der EU geltenden Ansprüchen an die Lebensmittelsicherheit genügen.“

Auf dem internationalen Markt werde derzeit eine Menge günstiger Stevia-Blätter angeboten, die diesen Anforderungen nicht entspreche. Da die Verantwortung hier beim Hersteller liege, rät der Stevia-Experte zu gründlichen Tests. Auch ob ein Lieferant gentechnisch manipulierte und damit in der EU verbotene Stevia-Blätter vertreibt, sollte dabei geprüft werden.

Dafür, so Dr. Kienle, gibt es aber einen leicht festzustellenden Anhaltspunkt: „Stevia-Blätter enthalten unterschiedliche natürliche Süßstoffe: Steviosid und Rebaudiosid A. Normalerweise kommen diese in einer Zusammensetzung von 60 bis 70 Prozent Steviosid zu 20 bis 30 Prozent Rebaudiosid A vor. Pflanzen mit einem deutlich höheren Anteil von Rebaudiosid A sind mit sehr großer Wahrscheinlichkeit genetisch manipuliert.“

In China und in Südamerika würden solche genetisch manipulierten Stevia-Blätter mit hohem Rebaudiosid A -Anteil ausschließlich zur Herstellung der Steviolglykoside eingesetzt. Mit der Entscheidung der EU-Kommission könne diese Ware jetzt auch nach Europa gelangen.

Für Verbraucher, beruhigt der Stevia-Experte, bestehe jedoch kein Risiko, solange die Hersteller ihrer Verantwortung zur Prüfung der Blätter nachgingen. „Wer aber auf Nummer sicher gehen will, kauft nur Produkte mit Stevia-Blättern aus europäischem Anbau, zum Beispiel aus dem Mittelmeerraum.“ Wer sich als Hersteller hinsichtlich der Stevia-Blätter, auch des Stevia-Anbaus, beraten lassen möchte, kann sich gerne an die Universität Hohenheim wenden.

Ansprechpartner:
Dr. Udo Kienle, Universität Hohenheim, Institut für Agrartechnik
T 0711 459 22845, E u-kienle@uni-hohenheim.de

Text: Barsch / Klebs

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Quelle: Universität Hohenheim