Plattform Ernährung und Bewegung (peb) und Universität Bielefeld entwickeln und erproben Spiel zur Reduzierung von Sitzzeiten

Familienaufstand! Alles zählt, nur Sitzen nicht.

Der sitzende Lebensstil ist nach aktuellen Erkenntnissen als ein unabhängiger Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen einzuordnen, dem nicht allein durch regelmäßige Sporteinheiten (z.B. 2 x pro Woche) entgegengewirkt werden kann. Die gesundheitlichen Folgen reichen von erhöhtem Risiko für Übergewicht über Depressionen bis hin zu Herzkreislauferkrankungen.

Dieser Risikofaktor wurde in der Wissenschaft und der Praxis der Gesundheitsförderung, die zumeist auf die Förderung der strukturierten und organisierten Bewegung abhebt, bisher kaum berücksichtigt. Auch wenn die Evidenzlage für Kinder noch in der Diskussion ist, gelten die gesundheitsriskanten Wirkungen im Erwachsenenalter als gesichert. Darüber hinaus erfordert die rasante und tiefgreifende Veränderung unseres Lebensstils hin zu immer höheren Sitzanteilen, neben der Bewegungsförderung, eine Strategie und praktische Maßnahmen gegen den sitzenden Lebensstil bereits im Kindes- und Jugendalter einzuleiten.

Intervention: Familienaufstand! – Aufstehspiel für die ganze Familie

Mit Förderung durch das Bundesministerium für Gesundheit haben die Partner der Arbeitsgruppe Prävention und Gesundheitsförderung der Universität Bielefeld und die Plattform Ernährung und Bewegung das Spiel „Familienaufstand! Alles zählt, nur Sitzen nicht“ entwickelt, erprobt, pilotiert und optimiert. Mit dem Spiel werden Erfolgsfaktoren für Interventionen zum sitzenden Lebensstil (Problembewusstsein, Selbstbeobachtung, Zielformulierung, Aufzeigen bewegter Handlungsalternativen) berücksichtigt. Die mitspielenden Familien machen zunächst den „Sitzcheck“ und finden heraus, bei welchen Gelegenheiten im Alltag sie sitzen und was sie verändern wollen.

Dann startet das Spiel und alle Familienmitglieder sammeln Punkte. Das Spiel bietet dabei Anregungen für den Alltag wie beispielsweise Treppen steigen, zu Fuß zur Schule laufen oder Vokabeln lernen im Gehen und inspiriert zu eigenen Ideen für mehr Bewegung im Familienalltag. Punkte werden in den drei Kategorien „(Auf)Stehen!“, „Bring Schwung rein!“ und „Beweg dich!“ gesammelt. Unter www.familienaufstand.de stehen alle Spielmaterialien als Download zur Verfügung.

Untersuchungsdesign: Interviews und Messung des Sitzverhaltens

Insgesamt 21 Testfamilien haben die Interventionsmaterialien über einen Zeitraum von drei Wochen erprobt. Es folgten leitfadengestützte Interviews, in denen die befragten Eltern die praktische Anwendbarkeit beurteilt und Erfahrungen während des Spielverlaufs schilderten (Prozessevaluation). Auf Basis der Interviewauswertung erfolgte eine kritische Überarbeitung der Spielmaterialien.

Der Erfolg der Intervention zur Reduzierung und Unterbrechung langer Sitzzeiten sowie Zusammenhänge mit potenziellen Einflussfaktoren auf eine Veränderung der Sitzzeit wurden explorativ im Prä-Post-Design untersucht (Ergebnisevaluation). Daten liegen für n=20 Familien vor (Eltern: n=30; Kinder: n=31). Mittels einer Fragebogenerhebung sowie der objektiven Messung des Sitzverhaltens in einer Teilstichprobe der Kinder (n=16) wurde untersucht, ob sich die Gesamtsitzzeit sowie die Häufigkeit von Sitzunterbrechungen verändert haben.

Ergebnisse: Sensibilisierung und mehr Sitzunterbrechungen

Die Eltern gaben für die Kinder mehrheitlich an, dass das Spiel „Familienaufstand!“ Spaß gemacht habe und dass sie die Spielregeln gut verstanden hätten. Zudem zeichnete sich eine Sensibilisierung für das Thema Sitzen ab. Auf Basis der Elternangaben ist die Tendenz zu erkennen, dass Kinder und Eltern verschiedene sitzende Tätigkeiten nach der Intervention häufiger unterbrechen bzw. zeitweise im Stehen durchführen als vor der Intervention.

Zudem gibt es Hinweise, dass Wege im Alltag der Eltern häufiger zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden und die berichteten Sitzzeiten bei ihnen zurückgehen. Das objektiv gemessene Sitzverhalten der Kinder blieb im Wesentlichen unverändert mit der Tendenz, dass längere Sitzeinheiten nach der Intervention einen geringeren Anteil an der Gesamtsitzzeit der Kinder ausmachten. Die von den Eltern wahrgenommene Wirksamkeit des Spiels hinsichtlich der Reduzierung von Sitzzeiten brachte ein gemischtes Bild hervor, das zusammen mit weiteren Ergebnissen auf die Relevanz des Spiels für bestimmte Zielgruppen (z. B. Kinder mit Übergewicht) hindeutet.

Fazit / Schlussfolgerungen

Der Ansatz, auf spielerische Weise für das Thema Sitzen zu sensibilisieren und eine Veränderung sitzender Verhaltensweisen anzuregen, ist grundsätzlich vielversprechend, auch wenn aufgrund der methodischen Ein- schränkungen keine abschließenden Aussagen getroffen werden können. Daher wird angestrebt, das Spiel mit einer größeren Stichprobe sowie einer Kontrollgruppe im experimentellen Studiendesign zu evaluieren.

Die Suche nach effektiven und innovativen Ansätzen der Sitzzeitreduzierung ist weiterhin angezeigt, um dem sich rasant und tiefgreifend verändernden Lebensstil entgegenzuwirken. Die Praxis der Gesundheitsförderung ist somit bereits heute gefordert, im Wechselspiel von theoretischer Erkenntnis und praktischer Realisierung aktiv zu werden.

Pressekontakt:
Mirko Eichner, Stellvertretender Geschäftsführer
Kommunikation & Projektentwicklung
Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb)
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Telefon 030 27 87 97 – 62
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Quelle: peb

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