Kommt mir nicht in die Tüte?! – Fraunhofer UMSICHT nimmt Stellung

Der internationale plastiktütenfreie Tag macht jedes Jahr am 3. Juli auf die negativen Seiten von Kunststofftaschen aufmerksam. Als Konsequenz auf die schon länger vorherrschende Kritik am weltweiten Plastiktütenverbrauch setzen einige deutsche Initiativen mittlerweile auf einen teilweisen oder vollständigen Verzicht auf diese Produkte. Doch lohnt sich das auch aus ökobilanzieller Sicht? Und schonen Papiertüten die Umwelt mehr als solche aus Kunststoff? Im neuen Positionspapier »Plastiktüten« schätzen Experten von Fraunhofer UMSICHT das Thema aus wissenschaftlicher Perspektive ein und zeichnen Lösungswege für Wissenschaft und Gesellschaft auf.

Plastiktüte, Papiertasche oder Jutebeutel? Diese Entscheidung wird Verbrauchern seit dem 1. Juli 2016 zumindest aus finanzieller Sicht ein Stück weit erleichtert: In einer freiwilligen Vereinbarung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit BMUB und dem Handelsverband Deutschland e. V. verpflichten sich die teilnehmenden Unternehmen, für Kunststofftragetaschen ein angemessenes Entgelt zu erheben. Einige Einzelhandelsunternehmen setzen sogar ausschließlich auf Alternativen aus Jute oder Papier. Diese Aktivitäten der jüngeren Zeit machen sich deutlich bemerkbar. Während in Deutschland von 2010 mit einem Verbrauch von 71 Tüten pro Person und Jahr bis 2015 mit 68 kaum ein Rückgang zu verzeichnen war, sank die Zahl innerhalb eines Jahres auf 45 Tüten im Jahr 2016, wie neue Ergebnisse der Gesellschaft für Verpackungsforschung zeigen.

Die Vereinbarung versteht sich nicht nur als Konsequenz auf den Plastiktütenverbrauch in Deutschland, sie will auch ein Zeichen gegen die Vermüllung der Weltmeere mit Plastik setzen. Denn seit vielen Jahren gehören Plastiktüten zu den Top 10 der meist gefundenen Müllobjekte bei Müllsammelaktionen an Stränden und stehen seitdem verstärkt in der öffentlichen Kritik. Im neuen Positionspapier »Plastiktüten« greifen Experten von Fraunhofer UMSICHT das Thema auf und schätzen vor allem aus wissenschaftlicher Perspektive Fragen ein wie: Lohnt sich der Verzicht auf Gratisplastiktüten aus ökobilanzieller Sicht? Und schonen Papiertüten die Umwelt wirklich mehr als Plastiktüten?

Papiertüten sind nicht zwangsläufig besser

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Fraunhofer UMSICHT stellen klar, dass Plastiktüten einen hohen symbolischen Wert in den Umweltdebatten erlangt haben, was eine sachbezogene Diskussion schwierig macht. Gleichwohl konnten Ökobilanzierungen (Analysen der Umweltwirkungen von Produkten während des gesamten Lebenszyklus) des britischen Umweltamtes zeigen, dass Papier- und Baumwolltüten keine spezifischen Vorteile gegenüber Tüten aus konventionellem Kunststoff oder Biokunststoff bieten. Für alle Materialien gilt, dass sich die Mehrfachnutzung günstig auf die Ökobilanz auswirkt.

Bezüglich der Materialfrage sind sich die Mitwirkenden am Positionspapier »Plastiktüten« einig: Kunststofftüten aus Polyethylen (PE) mit katalytischen Zusätzen, die eine oxidative Fragmentierung auslösen, sind grundsätzlich abzulehnen. Denn dies führt gezielt zur Erzeugung von Mikroplastik, das auf den unteren Ebenen der Nahrungskette (Plankton, Muscheln, Würmer etc.) schwerwiegende Folgen haben kann. Die Verwendung von biologisch abbaubaren Materialien für Plastiktüten könnte hier eine Alternative bieten: Deren Wirkung auf die Umwelt muss allerdings noch eingehender untersucht werden. Doch selbst, wenn der Abbau sich über einige Jahre hinziehe, bringe das immer noch eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den viel länger haltbaren Standardplastiktüten mit sich, die meist aus den Polyolefinen PE oder PP gefertigt sind.

Ein generelles Verbot von Plastiktüten lehnen die Autoren des Positionspapiers »Plastiktüten« ab. Stattdessen sollten vielmehr Wege gefunden werden, die einen sorgsamen und verantwortungsvollen Umgang mit dem mehr oder weniger alltäglichen Produkt und dessen effizientes Recycling begünstigen.

Die Reihe

Mit der Reihe »Fraunhofer UMSICHT nimmt Stellung« greifen wir Themen auf, die Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft aktuell beschäftigen. Neben unserer Forschungstätigkeit möchten wir so in emotionalen Debatten zur Versachlichung beitragen und aufzeigen, ob und wo wir einen Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen sehen und darüber hinaus leisten können.

Unsere Stellungnahmen erarbeiten wir zusammen mit den Mitarbeitenden von Fraunhofer UMSICHT: Hinter einem Positionspapier steht somit auch immer ein Meinungsbildungsprozess am Institut – in diesem Fall der Arbeitsgruppe Mikroplastik, die von der Nachhaltigkeitsgruppe unterstützt wurde. Bei kontroversen Themen bilden die Mitarbeitenden oft auch die Vielfalt der Meinungen innerhalb der Gesellschaft ab. Falls wir keine einheitliche Position beziehen können, werden unterschiedliche Meinungen offen dargestellt.

Weitere Informationen:

Quelle: Dipl.-Chem. Iris Kumpmann Abteilung Public Relations
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT