Frauen im gebärfähigen Alter fehlt es an Folat

Folat
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Größeres Wissen über gute Versorgung und Nutzen nötig.

Das B-Vitamin Folat, auch als Folsäure* bekannt, spielt eine wichtige Rolle, wann immer sich Zellen im menschlichen Körper neu bilden. Besonders für Frauen im gebärfähigen Alter ist deshalb eine gute Versorgung mit dem Vitamin wichtig: Denn dadurch können im Falle einer Schwangerschaft schwere Fehlbildungen, sogenannte Neuralrohrdefekte, beim Embryo vermieden werden.

Doch gerade bei jüngeren Frauen gibt es hierzulande eine generelle Unterversorgung mit Folat, wie die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) erneut gezeigt hat: Demnach nahmen rund 95 Prozent der untersuchten 18 bis 49-jährigen Frauen für den Fall, dass sie schwanger werden, zu wenig Folat zu sich (1, 2).

„Leider ist vielen Frauen, die schwanger werden wollen oder können, noch immer nicht genügend bewusst, wie wichtig eine gute Folatversorgung ist – und wie diese erreicht werden kann“, sagt Professor Berthold Koletzko, LMU-Universität München. Eine gesunde Ernährung allein reiche dafür erfahrungsgemäß meist nicht aus.

Zusätzlich notwendig, so der Sprecher des Arbeitskreises Folsäure & Gesundheit (AK Folsäure), sei die Einnahme von Folsäure-Präparaten. Auch sollten mit Folsäure angereicherte Nahrungsmittel, in Deutschland etwa bestimmte Speisesalze oder Backwaren, verwendet werden. Mit jährlich bis zu 1.000 Fällen liegt die Zahl für Neuralrohrdefekte in Deutschland nach wie vor hoch (3). Wenigstens die Hälfte dieser Fehlbildungen ließe sich, so Koletzko, durch eine gute Folatversorgung einfach und wirksam vermeiden.

Folatstatus jüngerer Frauen mangelhaft

Für die DEGS1-Studie ermittelten Wissenschaftler repräsentativ für die erwachsene Bevölkerung unter anderem die Folatkonzentration in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Um Neuralrohrdefekte zu vermeiden empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO einen Wert von mindestens 400 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml). Tatsächlich erreichten aber nur ganze 3 Prozent der 18 bis 29-jährigen Frauen und 4 Prozent der 30 bis 49-jährigen diesen Wert (1). „Damit ist der Folatstatus der allermeisten Frauen im reproduktionsfähigen Alter in Deutschland höchst kritisch“, so Koletzko.

Zu einem ähnlichen Ergebnis war zuvor schon die Nationale Verzehrsstudie II gekommen: die tägliche Zufuhr an Folat bzw. Folsäure lag bei jüngeren Frauen durchschnittlich bei nur 200 Mikrogramm (1). Die Zufuhr lag damit deutlich unterhalb der 300 Mikrogramm, die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung generell allen Erwachsenen empfiehlt und weit entfernt von den 550 bzw. 450 Mikrogramm, die Schwangere und Stillende zu sich nehmen sollten.

Zu den angeborenen Neuralrohrdefekten zählen die oft als „offener Rücken“ bezeichnete Spina bifida und die Anenzephalie, bei der das embryonale Gehirn nicht richtig ausgebildet wird. Einer der Gründe, warum solche Fehlbildungen in Deutschland und Europa schon seit Jahren unverändert häufig auftreten, ist der frühe Zeitpunkt des Neuralrohrschlusses: Dieser erfolgt bis zum 28. Tag einer Schwangerschaft, von der aber die Frauen dann noch gar nichts wissen.

„Um für diese kritische Phase gerüstet zu sein empfehlen Experten, dass Frauen schon beginnend mit dem Kinderwunsch Präparate mit Folsäure zu sich nehmen“, betont Koletzko. Allerdings werde dieser Rat noch immer oft zu spät oder gar nicht umgesetzt. Hinzu komme der hohe Anteil von an die 50 Prozent ungeplanter Schwangerschaften, bei denen erst recht nicht an eine präventive Vorsorge mit Folsäure/Folat gedacht werde.

Empfehlungen für eine bessere Versorgung

Um ihre Bevölkerung und besonders jüngere Frauen besser mit dem B-Vitamin zu versorgen, reichern bereits rund 80 Länder weltweit bestimmte Grundnahrungsmittel generell mit Folsäure an – aber bisher noch kein Land in Europa. In den USA zum Beispiel betrifft diese Maßnahme seit 1998 ausgewählte Mehlsorten. Mit gutem Ergebnis: Seitdem werden dort Neuralrohrdefekte nur noch etwa halb so oft wie vor dem Start der Anreicherung beobachtet (4).

In Deutschland können Verbraucher gezielt auf solche Nahrungsmittel achten, denen die Hersteller freiwillig Folsäure zugeben, wie etwa bestimmte Speisesalze, Backmischungen oder Frühstücksflocken. Um ausreichend mit dem B-Vitamin versorgt zu sein, sollten auch möglichst häufig Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte auf dem Speiseplan stehen.

Im Alltag ist die Umsetzung aber oft schwierig. Besonders wichtig ist es deshalb auch, dass schon Frauen mit Kinderwunsch täglich ein Folsäure-Präparat mit mindestens 400 Mikrogramm Folsäure einnehmen. Werden diese Tipps beherzigt, so Koletzko, lasse sich gut ein gegenüber Neuralrohrdefekten präventiv wirksamer Folatspiegel aufbauen.

*) Folat und Folsäure: Die verschiedenen folatwirksamen Verbindungen in Lebensmitteln bezeichnen Experten mit dem Sammelbegriff Folat(e). Folsäure ist die Bezeichnung für die Vitaminform, die bei der Anreicherung von Lebensmitteln zugesetzt wird oder in Supplementen enthalten ist.

Quellen:

1) Mensink GBM, Weißenborn A, Richter A (2016): Folat. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): 13. Ernährungsbericht. Bonn, 47-51

2) Mensink GBM, Weißenborn A, Richter A (2016) Folatversorgung in Deutschland. Journal of Health Monitoring 1 (2):26-30 DOI 10.17886/RKI-GBE-2016-034.2

3) Obeid R, Oexle K, Rißmann A, Pietrzik K, Koletzko B. (2016): Folate status and health: challenges and opportunities. J Perinat Med. Apr 1;44(3):261-8. doi: 10.1515/jpm-2014-0346.

4) Obeid R, Pietrzik K, Oakley GP Jr, Kancherla V, Holzgreve W, Wieser S. (2015): Preventable Spina Bifida and Anencephaly in Europe. Birth Defects Research (Part A): Clinical and Molecular Teratology. 2015 Birth Defects Res A Clin Mol Teratol. Sep;103(9):763-71.

Quelle: Arbeitskreis Folsäure & Gesundheit