Aktualisierte Mitteilung Nr. 022/2017 des BfR vom 21. August 2017
Pflanzenschutzmittel durchlaufen ein gesetzlich vorgegebenes Zulassungsverfahren. Sie müssen wirksam sein und dürfen bei sachgemäßem und bestimmungsgemäßem Einsatz weder den Anwender, unbeteiligte Dritte, noch die Umwelt schädigen. Ebenso wenig dürfen die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln, einschließlich im Trinkwasser, die Gesundheit der Verbraucher gefährden.
Im Folgenden stellt das BfR dar, wie gesundheitlich begründete Trinkwasser-Leitwerte für die einzelnen Pestizid-Wirkstoffe abgeleitet werden können.
Die in der Europäischen Union zugelassenen Pflanzenschutzmittel und Biozid-Produkte dürfen bei sachgerechter und bestimmungsgemäßer Verwendung keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder von Tieren und auf das Grundwasser haben. Um diesen Anforderungen zu genügen, müssen die in den Pflanzenschutzmitteln und Biozid-Produkten eingesetzten Pestizid-Wirkstoffe ein gemeinschaftliches Bewertungsverfahren durchlaufen und die in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 bzw. der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 festgelegten Genehmigungskriterien erfüllen.
Ableitung der gesundheitlich begründeten Trinkwasser-Leitwerte für Pestizide In dem Bewertungsverfahren werden auch gesundheitlich begründete Referenzwerte, wie z. B. ADI-Werte, für Pestizid-Wirkstoffe abgeleitet. Der ADI (acceptable daily intake; erlaubte Tagesdosis) bezeichnet die höchste Menge eines Stoffes auf der Basis des Körpergewichts, die jeder Verbraucher bzw. jede Verbraucherin täglich lebenslang aufnehmen kann, ohne mit einer gesundheitlichen Schädigung rechnen zu müssen. Die ADI-Werte und weitere relevante Ergebnisse des gemeinschaftlichen Bewertungsverfahrens werden von der Europäischen Kommission in der EU-Datenbank für Pestizide veröffentlicht:
European Commission, Plants, EU Pesticides database
Auf Basis des ADI können gesundheitlich begründete Trinkwasser-Leitwerte für die einzelnen Pestizid-Wirkstoffe abgeleitet werden. Der Trinkwasser-Leitwert gibt die Höchstkonzentration des betreffenden Stoffes im Trinkwasser an, die lebenslang ohne gesundheitliche Besorgnis aufgenommen werden kann.
Das BfR empfiehlt für Pestizid-Wirkstoffe, die überwiegend über Rückstände in Lebensmitteln aufgenommen werden, dass die Aufnahme über das Trinkwasser höchstens der Menge entsprechen soll, die 10 % des ADI ausschöpft: Streloke et. al, 2007 (1); Schellschmidt et. al, 2004 (2). Als Standardannahmen für die Berechnung des Trinkwasser-Leitwerts werden für Erwachsene eine tägliche Wasseraufnahme von 2 Litern und ein Körpergewicht von 60 Kilogramm verwendet. Für Kinder und Säuglinge werden von der WHO weitere Standardannahmen aufgeführt (WHO, 2011 (3)).
Berechnung
Leitwert = ADI * Anteil des ADI * Körpergewicht / tägliche Wasseraufnahme
Der gesundheitlich begründete Trinkwasser-Leitwert sollte unter Berücksichtigung der veröffentlichten ADI-Werte und der oben genannten Empfehlungen abgeleitet werden. Als Obergrenze für einen Trinkwasser-Leitwert werden vom BfR 1000 μg/l vorgeschlagen.
Im Falle der Nichteinhaltung der in der Trinkwasserverordnung festgelegten Grenzwerte für den chemischen Parameter „Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe und Biozidprodukt-Wirkstoffe“ obliegt es dem Gesundheitsamt festzulegen, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum von dem betreffenden Grenzwert abgewichen werden kann.
Die Ableitung der Trinkwasser- Leitwerte kann wie oben beschrieben unter Verwendung der in der EU-Datenbank für Pestizide aufgeführten ADI-Werte vorgenommen werden. Das BfR wird daher keine Aktualisierung der am 1. September 2015 bereitgestellten Liste der ADI-Werte und der gesundheitlich begründeten Trinkwasser-Leitwerte mehr vornehmen.
Weitere Informationen auf der BfR-Website zum Thema Pflanzenschutzmittelrückstände
*) Die aktualisierte Fassung ersetzt die Information Nr. 036/2015 des BfR vom 1. September 2015
1) Streloke, M., Erdtmann-Vourliotis, M., Nolting, H.-G., Dieter, H., Klein, A.-W., Pfeil, R., und Stein, B. (2007) Bewertung von Grund- und Trinkwassermetaboliten von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen in verschiedenen regulatorischen Verfahren, J. Verbr. Lebensm. 2(2007): 379-382
2) Schellschmidt B., Dieter H. H. und Lingk, W. (2004) Pflanzenschutz im Trinkwasser; Nachdruck aus: Gesunde Pflanzen – Gesunde Nahrung. Pflanzenschutz ist Verbraucherschutz. Band 7 der Schriftenreihe der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft (Heitefuss, R. und Klingauf, F., Hrsg.) Seiten 113–128. Stuttgart Eugen Ulmer, Seiten 113–128.
3) WHO (2011): Guidelines for drinking-water quality, 4th edition, WHO Press, Geneva
Über das BfR
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.