Wege zu einem standardisierten Stillmonitoring für Deutschland

Stillmonitoring
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Mitteilung Nr. 035/2017 des BfR vom 13. Dezember 2017.

Die Nationale Stillkommission am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat am 20. November 2017 eine interdisziplinäre Konferenz mit Teilnehmenden aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens sowie aus Forschung und Politik veranstaltet, um sich über den Stand der Erhebung von Stilldaten in Deutschland auszutauschen und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie ein standardisiertes Stillmonitoring für Deutschland etabliert werden kann.

Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich darüber einig, dass Stillen positive Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Kind und Mutter hat. Ausschließliches Stillen in den ersten 6 Monaten ist für die Mehrzahl der Säuglinge die ausreichende Ernährung. Beikost sollte – in Abhängigkeit von Wachstum und Entwicklung – nicht später als zu Beginn des 7. Lebensmonats und nicht vor Beginn des 5. Monats gegeben werden. Auch nach Einführung der Beikostfütterung sollte weiter gestillt werden. Um Stillen effektiv fördern zu können, werden zuverlässige Daten über das Stillverhalten in Deutschland benötigt. Hierzu gehören Informationen zum Stillbeginn, zu Stillquoten und -dauer sowie zu zeitlichen Trends und Einflussfaktoren auf das Stillverhalten. Sie sollten sich auf die gesamte Bevölkerung beziehen, also auch auf die Gruppen, die ein erhöhtes Risiko für geringe Stillquoten haben.

Bereits 2008 wurde auf europäischer Ebene gefordert, dass alle EU-Länder ein nationales Stillmonitoring etablieren, um internationale Vergleiche vornehmen und auf nationaler Ebene bedarfsorientierte Maßnahmen zur Stillförderung begründen zu können. Deutschland besitzt bisher dennoch kein standardisiertes Stillmonitoring. Mit der aktuellen Datenlage ist es nicht möglich, die Entwicklung des Stillverhaltens in Deutschland zeitnah und zuverlässig einzuschätzen. Stillhäufigkeiten und -dauer werden überwiegend lokal sowie mit verschiedenen Zielsetzungen und Methoden erhoben. Die Nationale Stillkommission am BfR setzt sich deshalb seit Jahren für die Einrichtung eines standardisierten nationalen Monitorings ein. Erst auf dieser Basis wird es möglich sein zu analysieren, welche Maßnahmen eine hohe Stilldauer und -frequenz in der Gesellschaft effizient und nachhaltig fördern.

Neben der regelmäßigen Erhebung von Stilldaten in der kinderärztlichen Praxis und in epidemiologischen Studien könnten Fragen zum Stillen während der Schuleingangsuntersuchung zukünftig einen Beitrag leisten. Dieses Thema wurde deshalb nach der Konferenz am 21. November 2017 in dem Workshop „Stillmonitoring während der Schuleingangsuntersuchung“ mit Expertinnen und Experten aus dem öffentlichen Gesundheitswesen vertiefend diskutiert.

Die Teilnehmenden der Konferenz erörterten verschiedene Ansätze, die ein standardisiertes Stillmonitoring in Deutschland gewährleisten könnten. Idealerweise sollte die Datenerhebung möglichst repräsentativ mit standardisierter Methodik und in regelmäßigen Abständen erfolgen sowie zeitnah Ergebnisse liefern. Prospektive multizentrische Studien zum Stillen können diese Kriterien erfüllen. Aktuell führt die Universitätskinderklinik Bochum die bundesweite Studie SuSe II („Stillen und Säuglingsernährung II“) durch. Diese Studie rekrutiert Mutter- Kind-Paare in Geburtskliniken und erhebt prospektiv im 1. Lebensjahr umfassende Daten zur Stillhäufigkeit und –dauer sowie zu Einflussfaktoren auf das Stillverhalten.

Unter weiteren Studien, die sich ebenfalls der Kindergesundheit widmen, wurde die „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS)“ vorgestellt. Sie ist die bekannteste und größte Studie in Deutschland, die regelmäßig Daten zur Kindergesundheit und zum Stillen erhebt. Risikogruppen sind in dieser Studie unterrepräsentiert, die Da- tenerhebung erfolgt retrospektiv und das Studiendesign bedingt zudem einen erheblichen Zeitverzug, bis die Daten zur Verfügung stehen. Die KIGGS-Studie kann aber einen Baustein im nationalen Stillmonitoring darstellen.

Studien, die auf regionalen Geburtskohorten basieren, wie beispielsweise die auf der Konferenz vorgestellten Ulmer Geburtskohorten, können ergänzend wichtige Daten zur Methodik selbst und zu Einflussfaktoren liefern.

Die Datenerhebung aus Studien erfolgt in der Regel nicht kontinuierlich oder in sehr großen Abständen. Deshalb wäre der Einschluss von Routinedaten in ein Stillmonitoring anzustreben. Die Stillbeginnraten könnten dementsprechend kontinuierlich über die Geburts- und Kinderkliniken erhoben werden. Dies wurde am Beispiel der nach den Kriterien der Initiative „Babyfreundlich“ von WHO und UNICEF arbeitenden Kliniken vorgestellt, die durchgängig eine ausführliche Statistik führen.

Ein regelmäßiges Stillmonitoring in Deutschland wäre zu einem großen Teil über die kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen möglich. Die Erhebung der Daten in diesem Rahmen hätte den Vorteil, dass die Daten regelmäßig zeitnah erhoben werden und im ärztlichen Gespräch Fragen zur Stillförderung geklärt und Hindernisse beseitigt werden könnten. Aufgrund des geschätzten Zeitaufwandes haben Berufsverbände und Krankenkassen bisher jedoch ein Monitoring über die Praxen abgelehnt, wenngleich etliche Kinderärztinnen und -ärzte diese Daten für eine optimierte Betreuungsleistung ihrer Patienten bereits regulär erheben.

Als Alternative wurde diskutiert, das Monitoring mit der Schuleingangsuntersuchung des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes zu verbinden. Dieser Ansatz hätte den Vorteil, dass alle Kinder systematisch erfasst würden. Ein Nachteil wäre, dass die Erhebungen meist 3-5 Jahre nach der Stillzeit erfolgten. Die Expertinnen und Experten stellten allerdings im Workshop dar, dass sich Eltern an die Stillperiode im Allgemeinen gut erinnern und auch gern darüber Auskunft geben. Zusammenhänge zwischen Stilldauer und gesellschaftsrelevanten Einflussfaktoren könnten aus den Daten der Schuleingangsuntersuchung ebenfalls gut abgebildet werden. Daher sprachen sich die anwesenden Expertinnen und Experten dafür aus, diesen Ansatz weiter zu verfolgen und einheitliche Fragen zum Stillen zu entwickeln.

Die Nationale Stillkommission sieht auch zukünftig einen Schwerpunkt ihrer Arbeit darin, ein standardisiertes Stillmonitoring für Deutschland nachhaltig zu etablieren. Um diese Ziele zu erreichen, ist der Einsatz vieler Akteure im Bereich der Kindergesundheit erforderlich, aber auch die Unterstützung von politischer Seite unabdingbar.

Weitere Informationen auf der BfR-Website zum Thema Stillen

  • A-Z-Index Stillen
  • Stillmonitoring in Deutschland, Konzept der Nationalen Stillkommission vom 21.12.2009
  • Positive Botschaften für ein ungestörtes Stillen in der Öffentlichkeit, Stellungnahme der Nationalen Stillkommission vom 29. Juni 2017
  • Stillempfehlungen für die Säuglingszeit in deutscher Sprache, vom 14. August 2015

Über die Nationale Stillkommission am BfR

Die Nationale Stillkommission wurde 1994 mit dem Ziel gegründet, die Entwicklung einer neuen Stillkultur in der Bundesrepublik Deutschland zu unterstützen und dazu beizutragen, dass Stillen zur normalen Ernährung für Säuglinge wird. Der Kommission gehören Mitglieder aus medizinischen Berufsverbänden und Organisationen an, die sich für die Förderung des Stillens in Deutschland einsetzen.

Weitere Informationen zur Arbeit der Nationalen Stillkommission

Über das BfR

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eine wissenschaftlich unabhängige Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es berät die Bundesregierung und die Bundesländer zu Fragen der Lebensmittel-, Chemikalien- und Produktsicherheit. Das BfR betreibt eigene Forschung zu Themen, die in engem Zusammenhang mit seinen Bewertungsaufgaben stehen.

Quelle und Pressekontakt BfR