Zurück zur Ess-Intuition

Babys wissen genau, was ihnen guttut. Sie folgen ganz einfach ihrer (noch) funktionierenden Intuition. Haben sie Hunger, fordern sie Nahrung. Sind sie satt, hören sie auf zu essen. Man kann jedoch – häufig auch an sich selbst – beobachten, dass die Entscheidungen, je älter wir werden, zunehmend mit dem Kopf und immer seltener aus dem Bauch heraus getroffen werden.

Wann verlernen wir, unserer Intuition zu folgen? Wie beeinflussen die Erziehung der Eltern und anderer Institutionen unser rationales Denken, welches im Erwachsenenalter maßgeblich unser Essverhalten bestimmt?

Drei Komponenten, die uns steuern

Die Lebensmittelauswahl hängt nach dem Drei-Komponenten-Modell der Ernährung von der Innensteuerung, der Außensteuerung und der kognitiven Steuerung ab. Offensichtlich bestimmen Hunger und Sättigung, die sog. Innensteuerung, unser Essverhalten vor allem in jungen Jahren. Mit zunehmendem Alter wirken Außenreize auf die Auswahl der Lebensmittel. Wer damit aufwächst, dass frisch gekocht und gemeinsam gegessen wird, wählt seine Lebensmittel vermutlich auch als Erwachsener anders als jemand, der es gewohnt ist, mittags vor dem Fernseher eine Fertigpizza zu essen.

Im Laufe des Lebens hat jedoch die kognitive Steuerung vermutlich den größten Einfluss auf unser Essverhalten. In einer Zeit, in der wir uns vor Tipps, Hinweisen und Ratschlägen hinsichtlich einer vermeintlich gesunden Ernährung kaum retten können, spielen gesellschaftliche Normen eine große Rolle für die Lebensmittelauswahl. Fragen wie „Was denken die anderen, wenn ich das jetzt esse?“ oder „Wenn ich dieses Stück Schokotorte esse, muss ich mindestens eine Stunde Sport machen, ist es mir das wirklich wert?“ kommen auf, da in Zeiten von Übergewicht und Schlankheitswahn Essen scheinbar nicht mehr ohne Kalorienzählen denkbar ist.

Der Mensch als soziales Wesen möchte zur Gesellschaft dazu gehören und ordnet seine inneren Bedürfnisse den gesellschaftlichen Normen unter – in vielen Bereichen, aber vor allem beim Essen.

Körpereigenen Signalen vertrauen und sie ernst nehmen

Kinder, deren Eltern ihnen nicht zutrauen, selbst zu wissen, wann es genug ist, verlieren den Zugang zu ihren inneren Signalen. Die körpereigenen Bedürfnisse werden unterschlagen, sodass die Kinder irgendwann selbst nicht mehr wissen, was sie brauchen und was nicht.
Darüber hinaus kann ein schlechtes Gewissen antrainiert werden. Verbotene Lebensmittel haben einen besonderen Reiz – nicht nur für Kinder.

Aus dem inneren Konflikt zwischen Sehnsucht und Vernunft kann ein negatives Gefühl gegenüber bestimmten Lebensmitteln entstehen. Dieses schlechte Gewissen ist die beste Voraussetzung für ein gestörtes Essverhalten, welches häufig bis ins Erwachsenenalter bestehen bleibt. Auch in einer angespannten Atmosphäre beim Essen verlieren die Kinder den Zugang zu ihren inneren Signalen. Die Selbstregulation des Körpers kann schlichtweg abtrainiert werden.

Essen ist mehr als den Hunger stillen

Der Mensch ist ein soziales Wesen mit einem angeborenen Sinn für Verbundenheit. Wer sich von seinen Mitmenschen angenommen fühlt, entwickelt ein Zugehörigkeitsgefühl. Essen in Gemeinschaft ist eine Art der zwischenmenschlichen Kommunikation, bei der eine Beziehung aufgebaut werden kann. Das Essen bei besonderen Anlässen bleibt oft ewig im Gedächtnis.
Wenn die Gemeinschaft stimmt und die Eltern dem intuitiven Essverhalten ihrer Kinder vertrauen, können diese ein gesundes Körpergewicht und ein normales Essverhalten entwickeln unabhängig von äußeren Einflussfaktoren.

Selbstbestimmt zurück zur eigenen Ess-Intuition

Die gute Nachricht: Jeder kann die antrainierten Verknüpfungen wieder entkoppeln. Hierbei geht es nicht darum, möglichst streng mit sich selbst zu sein, sondern vielmehr darum, zu seiner eigenen Intuition zurückzufinden und dieser wieder zu vertrauen.
Um zu einem intuitiven, selbstbestimmten Essverhalten zurück zu gelangen ist es wichtig, die Widersprüche im Alltag rund um Essen und Trinken zu erkennen, die Verbindungen zur Esskultur zu analysieren und seinen physiologischen Bedürfnissen zu folgen. Es geht darum, wieder bewusst Wohlbefinden – sprich Genuss – Gemeinschaft, Kommunikation, Gesundheit und soziale Bindung wahrzunehmen und zu erleben.

Autorin: Lea Appenzeller

Quelle:
LEL Schwäbisch Gmünd, Infodienst Landwirtschaft – Ernährung – Ländlicher Raum
http://www.ernaehrung-bw.info