Glyphosat: neue, wissenschaftliche Publikation zu Behördenversagen

Europäische Behörden verletzten ihre eigenen Regeln, um Glyphosat als nicht krebserregend einzustufen.

Die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) konnten nur deshalb schlussfolgern, dass der Pestizidwirkstoff Glyphosat nicht krebserregend sei, weil sie die geltenden Regeln und Leitlinien für die Bewertung von Krebsstudien widersprüchlich angewendet oder direkt verletzt haben.

Eine regelkonforme Auswertung und Gewichtung der Beweise hätte unweigerlich zu der Schlussfolgerung geführt, dass Glyphosat im Tierexperiment krebserregend ist und daher in der EU nicht zugelassen werden darf. Das ist das Ergebnis einer heute im Journal of Epidemiology and Community Health veröffentlichten Analyse des Toxikologen Peter Clausing und seiner Co-Autoren. Wie alle Publikationen in diesem Fachjournal unterlag das Manuskript einer externen wissenschaftlichen Prüfung (Peer-Review).(1)

Seit 2015 ist bekannt, dass die von den Glyphosat-Herstellern bei der Behörde eingereichten Krebsstudien in elf (!) Fällen eine statistisch signifikante erhöhte Tumorrate aufweisen. Mit anderen Worten: Jene Versuchstiere, die Glyphosat im Futter hatten, entwickelten häufiger Krebs als jene Tiere, denen das Pestizid nicht verabreicht wurde. Doch die EFSA verwarf sämtliche signifikante Tumorbefunde als nicht aussagekräftig.(2)

„Laut geltenden Gesetzen genügen zwei Tierexperimente mit signifikanten Krebsbefunden, um ein Pestizid als wahrscheinlich karzinogen beim Menschen einzustufen – die EFSA hatte sieben. Um behaupten zu können, dass keine Beweise für eine krebserregende Wirkung vorliegen, mussten die Behörden diese Befunde mit multiplen Verstößen gegen geltende Richt- und Leitlinien herunterspielen. Andernfalls wäre ein Glyphosatverbot unvermeidbar gewesen“, sagt der Erstautor der Studie, Dr. Peter Clausing: „Dieses Herunterspielen haben wir wissenschaftlich analysiert.“

Als relevanteste Regelwidrigkeiten der EU-Behörden identifizieren die Studienautoren in ihrer Analyse:

  • Multiple Verstöße gegen die einschlägigen OECD- und ECHA-Empfehlungen zur Anwendung historischer Kontrollen
  • Fälschliche Behauptung einer (fiktiven) „Limit Dose“ für Krebsstudien von 1.000 Milligramm pro Kilogramm Futter, deren Überschreitung die Zuverlässigkeit der Ergebnisse kompromittieren würde
  • Tatsachenwidrige Behauptung einer fehlenden Reproduzierbarkeit
  • Nichtbeachtung existierender Dosisabhängigkeit bestimmter Krebseffekte

„Ab April wird ein Sonderausschuss des EU-Parlaments das Zulassungsverfahren für Pestizide ins Visier nehmen und dabei untersuchen, ob die relevanten Leitlinien und Gesetze bei der Bewertung von Glyphosat beachtet wurden“ (3), sagt der Biochemiker Dr. Helmut Burtscher-Schaden und fährt fort: „Eine sorgfältige Aufarbeitung dieser Frage ist deshalb wichtig, da nur so die Schwächen im Zulassungssystem, die zu unnötigen Gesundheitsrisiken führen, eliminiert werden können.“

Claire Robinson ergänzt: „Diese Publikation entlarvt die Unrichtigkeit der Behauptungen von EFSA -Direkter Bernhard Url (4). Dieser hatte den Kritikern der EFSA-Bewertung unterstellt, sie würden starke Beweise für die Harmlosigkeit von Glyphosat ignorieren und stattdessen mit ‚wissenschaftlich schwache Studien, die das Gegenteil zeigten, hausieren gehen‘.

Unsere Analyse zeigt, dass die Beweise aus den Tierstudien der Hersteller – also genau jene Beweise, denen die EFSA zu folgen behauptet – eindeutig zeigen, dass Glyphosat krebserregend ist. Wir fordern die europäischen Behörden auf, zu den wissenschaftlichen Fakten zu stehen und den geltenden Regeln zu folgen. Entsprechend den gefahrenbasierten Kriterien der EU-Pestizid-Verordnung 1107/2009 hätte das unweigerlich zu einem Glyphosatverbot führen müssen.“

Der Erstaustor der Studie, Dr. Peter Clausing, ist Toxikologe beim Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany). Seine Co-Autoren Claire Robinson und Dr. Helmut Burtscher-Schaden, arbeiten für die Umweltorganisationen GMWatch in Großbritannien bzw. GLOBAL 2000 in Österreich.

Kontakt:
Dr Peter Clausing peter.clausing@pan-germany.org; Tel: +49-176 4379 5932

Gemeinsame Presseinformation von PAN Germany, GLOBAL2000 und GMWatch.
(1) Clausing, P., Robinson, C., and Burtscher-Schaden, H. Pesticides and public health: An analysis of the regulatory approach to assessing the carcinogenicity of glyphosate in the European Union. Journal of Epidemiology and Community Health, 2018, doi:
(2) Die 11 signifikanten Anstiege wurden im Addendum des Bundesinstituts für Risiko Bewertung (BfR) vom August 2015 beschrieben (verfügbar unter: http://gmwatch.org/files/Renewal_Assessment_Report_Glyphosate_Addendum1_RAR.pdf),während nur ein Tumoranstieg in der EFSA-Conclusion vom 30.10.2015 erwähnt wurde (EFSA. Conclusion on the peer review of the pesticide risk assessment of the active substance glyphosate, EFSA Journal 2015;13(11):4302. http://doi.wiley.com/10.2903/j.efsa.2015.4302).
(3) https://www.global2000.at/sites/global/files/Mandat615773-REV_EN.PDF
(4) https://www.nature.com/magazine-assets/d41586-018-01071-9/d41586-018-01071-9.pdf

Quelle: Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany)