Mars steigt aus Industrieprojekt für eigene Nährwert-Ampel aus und will gesetzliche Regelung

foodwatch fordert: Nestlé, Coca-Cola und Co. müssen „Industrie-Ampel“ stoppen.

Mars ist aus einem gemeinsamen Projekt von sechs großen Lebensmittelunternehmen zur Einführung einer eigenen Ampel-Kennzeichnung ausgestiegen. Der Konzern sprach sich stattdessen für eine EU-weite gesetzliche Regelung zu Nährwertangaben in Ampelfarben aus. Das vorgeschlagene freiwillige Modell der Lebensmittelindustrie hätte selbst bei ungesunden Produkten wie Nutella oder Tuc-Crackern keine rote Ampel gezeigt, wie ein Vergleichstest von foodwatch gezeigt hatte. Die Verbraucherorganisation begrüßte die Entscheidung von Mars und forderte Nestlé, Coca-Cola, Pepsi, Unilever und Mondelez auf, ihre Pläne für ein eigenes Kennzeichnungssystem zu stoppen.

„Glückwunsch, Mars ist zur Vernunft gekommen! Wir brauchen keine irreführende Industrie-Ampel, die Zuckerbomben gesünder darstellt als sie wirklich sind. Wir brauchen eine verbraucherfreundliche Ampelkennzeichnung, die EU-weit verbindlich ist und von unabhängigen Experten entwickelt wird“, sagte Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch. Vorbild könne etwa die französische NutriScore-Kennzeichnung sein oder die britische Ampel, wie sie die Lebensmittelbehörde FSA schon 2007 vorgeschlagen hatte.

„Nestlé, Coca-Cola, Pepsi, Unilever und Mondelez sollten sich ein Beispiel an Mars nehmen und ihre geplante Fake-Ampel beerdigen.“

Die Lebensmittelkonzerne Mars, Coca-Cola, Mondelez, Nestlé, PepsiCo und Unilever hatten Ende 2017 ihre genauen Pläne für eine eigene Nährwert-Ampel vorgestellt. Im Gegensatz zu dem erstmals 2007 von der britischen FSA konzipierten Original-Ampelsystem würde das Modell der „Big Six“ allerdings deutlich weniger rote Ampeln zeigen – selbst bei Süßigkeiten oder salzig-fettigen Snacks. Nach foodwatch-Informationen hat Mars sich jetzt aus dem Projekt zurückgezogen und die EU aufgefordert, auf europäischer Ebene eine gesetzliche Regelung für Nährwertangaben in Ampelfarben zu erlassen. Zuerst hatte Politico heute über die Entscheidung des Lebensmittelkonzerns berichtet.

Ein Vergleichstest von foodwatch hatte im Januar 2018 gezeigt, wie Verbraucherinnen und Verbraucher mit der geplanten Ampel der Industrie in die Irre geführt würden. Selbst eine Süßigkeit wie Nutella von Ferrero würde keine rote Ampel erhalten. Mit dem System der FSA bekäme Nutella hingegen drei rote Ampeln, die auf einen hohen Gehalt an Fett, gesättigten Fettsäuren und Zucker hinweisen.

Auch Tuc-Cracker des Herstellers Mondelez hätten mit dem Industrie-Modell statt zwei überhaupt keine rote Ampel. Ähnlich bei den Nesquik-Frühstücksflocken von Nestlé: Auch hier würde durch das Modell der großen Lebensmittelkonzerne die rote Ampel für den hohen Zuckergehalt verschwinden. (Weitere Produktbeispiele wie Chips und Schokoriegel zeigt foodwatch in einer Fotostrecke.)

Grund für die geringere Anzahl roter Ampeln ist ein Trick: Bei der Originalampel der FSA richtet sich die Ampelfarbe nach den Nährwertgehalten auf Grundlage von einheitlich 100 Gramm. Sie springt zum Beispiel beim Zuckergehalt auf Rot, sobald ein Produkt mehr als 15 Prozent Zucker enthält. Im Gegensatz dazu berechnet die Industrie-Ampel die Farbgebung auf Basis von kleineren Portionsgrößen.

Bei Portionen bis 60 Gramm zeigt die Industrie-Ampel erst Rot, wenn mehr als 13,5 Gramm Zucker enthalten sind. Bei Frühstücksflocken mit einer 40-Gramm-Portion ist dies erst bei einem Zuckergehalt von mehr als 33,7 Prozent der Fall. Bei dem Industriemodell muss also in Frühstücksflocken mehr als doppelt so viel Zucker enthalten sein wie beim Originalmodell, bevor die Ampel auf Rot springt. Bei süßen Brotaufstrichen wie Nutella mit einer vorgesehenen Portion von 15 Gramm müsste mehr als 90 Prozent Zucker enthalten sein, damit die Ampel Rot zeigt.

Ärzteverbände, Krankenkassen und Verbraucherorganisationen fordern schon lange eine verständliche Nährwertkennzeichnung, etwa nach dem Modell der britischen FSA: Für jedes Produkt sollte der Gehalt an den wichtigsten Nährwerten (Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz) in absoluten Grammzahlen angegeben werden – und zwar einheitlich pro 100 Gramm bzw. 100 Milliliter. Zur Orientierung sollte jeder dieser vier Werte mit einer der bekannten Signalfarben Rot, Gelb und Grün hinterlegt werden.

Seit Ende 2016 gilt für alle verpackten Lebensmittel in der EU eine Pflicht zur Kennzeichnung der Nährwerte Fett, gesättigte Fette, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz. Außerdem muss über den Energiegehalt informiert werden. Die Angaben müssen sich jeweils auf 100 Gramm bzw. Milliliter beziehen. Diese Angabe darf allerdings im Kleingedruckten auf der Rückseite der Verpackung erfolgen. Mittlerweile haben jedoch zwei EU-Länder, Frankreich und Großbritannien, eine farbige Nährwertkennzeichnung auf freiwilliger Basis eingeführt.

Quelle und Pressekontakt foodwatch

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