Vegetarische und vegane Ernährung funktioniert: erste Ergebnisse der VeChi-Studie

VeChi-Studie
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In einer Pressekonferenz stellte die Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz gemeinsam mit Forschern der Fachhochschule des Mittelstands (FHM), der Universität Bonn und des Instituts für alternative und nachhaltige Ernährung (IFANE) die ersten Ergebnisse der VeChi Diet-Studie (Vegetarian and vegan Children Study) vor.

Die zentrale Fragestellung lautete: Was essen vegetarisch, vegan und mit Mischkost ernährte Kleinkinder in Deutschland und wie ist ihre Nährstoffzufuhr zu bewerten? Zur Pressekonferenz lud die Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz ein, die die weltweit einzigartige Studie fördert.

Rechtsanwalt Hans-Georg Kluge, stellvertretender Vorsitzender der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz, erläutert die Motive für das umfangreiche Engagement der Stiftung: „Vegane und vegetarische Ernährung nehmen in unserer Gesellschaft zu, aber deren Auswirkungen besonders auf die Jüngsten sind bisher wenig erforscht. Mit dieser Studie, die wir als Stiftung finanziell unterstützen, helfen wir verantwortungsvollen Eltern, sich auf Grundlage von Wissen statt Spekulationen für die beste Ernährung ihres Kindes zu entscheiden.“

Und so gingen die Forscher vor: Für die Studie wurden zwischen Oktober 2016 und April 2018 Eltern von Kindern im Alter von ein bis drei Jahren rekrutiert. Über drei Tage wogen und protokollierten die teilnehmenden Familien alle Lebensmittel, Getränke und Nahrungsergänzungsmittel, die das Kind gegessen und getrunken hat. Außerdem wurden Körpergröße und Körpergewicht des Kindes sowie Daten zur Gesundheit erfragt. Die ersten Ergebnisse schließen die Daten von 364 von insgesamt etwa 420 Kindern ein.

„Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass sowohl die vegetarisch und vegan ernährten Kinder als auch die Mischköstler eine vergleichbare und normale Entwicklung von Körpergewicht und Körpergröße zeigen. Dies ist ein erster Hinweis darauf, dass eine vegetarische und auch eine vegane Ernährung im Kleinkindalter bedarfsdeckend sein kann“, erklärte Dr. Markus Keller, Studienleiter und Hochschullehrer der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) sowie wissenschaftlicher Studiengangsleiter des Bachelor-Studiengangs Vegan Food Management.

Etwa 90 % der vegetarisch und vegan ernährten Kleinkinder zeigten im Durchschnitt eine normale Entwicklung von Körpergewicht und Körpergröße. Allerdings lagen etwa 10 % der veganen und 6 % der vegetarischen Kinder unterhalb der WHO-Referenzstandards und waren damit zu klein für ihr Alter. Dies könne ein Anzeichen für eine nicht optimale Ernährung sein, so Keller weiter. Bei den Mischkostkindern waren hingegen 3 % übergewichtig.

Die mittlere Energiezufuhr unterschied sich nicht zwischen den Ernährungsgruppen, lag jedoch bei allen geringfügig unter den Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Bei den Hauptnährstoffen Kohlenhydrate, Fett und Protein lagen alle drei Gruppen im Bereich der Referenzwerte. Einige Unterschiede zeigten sich jedoch bei den Vitaminen und Mineralstoffen. Bei Eisen und Folat (Folsäure) erreichten nur die veganen Kinder im Durchschnitt die Referenzwerte und lagen durchschnittlich 45-50 % höher als die Mischköstler.

Alle drei Studiengruppen erreichten im Durchschnitt die Referenzwerte für Zink und Vitamin C. Die höchste Vitamin-C-Zufuhr hatten die veganen Kinder, sie lagen circa 30 % höher als Kinder mit Mischkost. Kritisch war die durchschnittliche Kalzium-, Jod- und Vitamin-B2-Zufuhr bei allen drei Studiengruppen. Die veganen Kinder hatten dabei die niedrigsten Zufuhren und erreichten beispielweise nur etwas mehr als die Hälfte der empfohlenen Kalziumzufuhr, während die Mischköstler bei etwa drei Viertel der Empfehlung lagen.

„Positiv zu bewerten ist, dass fast alle veganen Kinder (94 %) ein Vitamin-B12-Präparat einnehmen. Dies ist generell bei veganer Ernährung und besonders im Kindesalter unabdingbar. Das Vitamin ist unter anderem relevant für die Entwicklung von Gehirn und Nervensystem“, ergänzte die Studienleiterin Dr. Ute Alexy von der Universität Bonn. „Klares Ziel muss aber sein, dass alle veganen Kinder eine Vitamin-B12-Supplementierung erhalten, um potenziell schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden vorzubeugen“. Aber auch Vegetarier sollten auf ihre Vitamin-B12-Zufuhr achten. Denn obwohl Vitamin B12 in Milch und Milchprodukten enthalten ist, hatte fast die Hälfte der vegetarisch ernährten Kinder eine Zufuhr unterhalb des Referenzwertes.

Abschließend kamen die Autoren der Studie zu dem Schluss, dass auch eine vegane oder vegetarische Ernährung im Kleinkindalter bedarfsdeckend sein kann, wenn auf eine ausreichende Zufuhr von Nahrungsenergie und kritischen Nährstoffen, insbesondere Vitamin B12, geachtet wird. Die Daten zeigen jedoch auch, dass bei einem Teil der Familien Bedarf für eine qualifizierte Ernährungsberatung besteht.

Aktuell werden die restlichen Ernährungsprotokolle ausgewertet und weitere Einflussfaktoren, wie das Alter, Geschlecht und der sozioökonomische Status in die Analysen einbezogen. Die Ergebnisse der VeChi Diet-Studie sollen auch dazu dienen, konkrete Ernährungsempfehlungen für vegetarisch, vegan und mit Mischkost ernährte Kleinkinder zu entwickeln. Die finalen Ergebnisse werden für Ende 2018/Anfang 2019 erwartet und können dann unter www.vechi-studie.de abgerufen werden.

Kernaussagen

Etwa 90% der vegetarisch und vegan ernährten Kleinkinder zeigten im Durchschnitt eine normale Entwicklung von Körpergewicht und Körpergröße, ein Teil der veganen und der vegetarischen Kinder waren zu klein für ihr Alter.
Die Zufuhr von Kalzium, Jod und Vitamin B2 war bei allen drei Gruppen kritisch, vegane Kinder erreichten nur etwa die Hälfte der empfohlenen Kalziumzufuhr.
Nur vegane Kinder erreichten im Durchschnitt die Referenzwerte für die Zufuhr von Eisen und Folat (Folsäure) und liegen um 45-50 % über den Zufuhren der Mischkostkinder.

Fast alle veganen Kinder nehmen ein Vitamin-B12-Präparat, während ca. 50 % der vegetarischen Kinder nicht die Zufuhrempfehlung für Vitamin B12 erreichen.
Ergänzende Informationen:

Aktuell führen die Forscher eine weitere Studie mit vegan, vegetarisch und mit Mischkost ernährten Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 18 Jahren durch. Hier werden noch weitere Teilnehmer gesucht (www.vechi-youth-studie.de).

Über die ERNA-GRAFF-STIFTUNG FÜR TIERSCHUTZ

Die ERNA-GRAFF-STIFTUNG für Tierschutz wurde 1983 von Erna Graff in Berlin gegründet. Die Berlinerin engagierte sich seit Ende des Zweiten Weltkriegs für das Tierwohl und verstand es auch durch ungewöhnliche Aktionen Geld für den Tierschutz zu sammeln. Ein wichtiges Ziel der ERNA-GRAFF-STIFTUNG ist seit jeher der Kampf gegen Tierversuche. Von Anfang an war es Erna Graffs Vision, das grausame Leid der Tiere als Versuchsobjekte durch die Suche nach Alternativmethoden zu beenden. 1984 stiftete sie den damals höchsten deutschen Forschungspreis gegen Tierversuche mit einem Budget von 100 000 DM, für den sich Forscher und Studenten mit Ideen für alternative Verfahren bewerben konnten.

Das letztendliche Ziel Erna Graffs bestand darin, die Lage vieler leidender Tiere in Deutschland zu verbessern. Der ERNA-GRAFF-STIFTUNG ist es unter dem Aspekt einer Leidensverminderung für Tiere ebenfalls ein besonderes Anliegen, durch eine Werbung für eine vegane Ernährung die tierschutzfeindliche Massentierhaltung immer mehr zurückzudrängen.

Vor diesem Hintergrund engagiert sich die Stiftung seit Oktober 2016 im Rahmen einer Stiftungsprofessur für vegane Ernährung an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM). Ziel der über drei Jahre durch die ERNA-GRAFF-STIFTUNG kofinanzierten Professur ist der weitere Aufbau des inzwischen erfolgreich etablierten Bachelor-Studiengangs B.A. Vegan Food Management sowie die Durchführung weiterer Forschungsprojekte.

www.erna-graff-stiftung.de

Quelle: FHM