Ernährungs- und Verbraucherbildung in Schulen

Stiefkind mehr denn je.

Ja, es gibt sie, die Leuchtturmprojekte im Bereich Ernährungs- und Verbraucherbildung an Schulen, bei denen engagierte Lehrerinnen und Lehrer Bemerkenswertes eigenständig oder in Kooperation mit außerschulischen Partnern auf die Beine stellen. Auf den ersten Blick beeindrucken schulische Unterrichtskonzepte ebenso wie Länder-Bildungskonzepte zur Ernährungs- und Verbraucherbildung. Beispiele wurden kürzlich bei einem so genannten runden Tisch zur Digitalisierung in der Verbraucherbildung in Düsseldorf vorgestellt.

Das nordrhein-westfälische Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hatte die amtierende NRW-Landwirtschafts- und die Bildungsministerin, den Vorsitzenden der Verbraucherschutzministerkonferenz, den Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und einen Vertreter des Schulausschusses der Kultusministerkonferenz sowie Vortragende aus den Länderfach- und Bildungsministerien und den Bildungswissenschaften eingeladen zu einem Austausch unter dem Motto „#Verbraucherbildung – Orientierung in der digitalen Welt“.

Zur Stärkung der Ernährungs- und Verbraucherbildung in der Schule gab die Kultusministerkonferenz 2013 eine gleichnamige Richtlinie heraus, Ende 2016 verabschiedete sie die Strategie Bildung in der digitalen Welt mit dem Ziel, Digitalisierung von der Primarstufe bis zur beruflichen Bildung in der Sekundarstufe II verstärkt im Unterricht zu verankern.

Was vordergründig erfolgsversprechend klingt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen in der Unterrichtspraxis jedoch als hehres Ziel, das weitgehend unerreichbar bleibt. In der Grundschule gelingt es den Lehrern in der Regel noch, Verbraucherbildungsthemen im Sachunterricht umzusetzen. Beispiele sind Unterrichtsprojekte wie der Weg vom Getreide zum Brot, der Ernährungsführerschein oder ein Bauernhofbesuch.

In den Sekundarstufen I und II -vor allem am Gymnasium und damit in der Schulform, die die überwiegende Mehrheit der deutschen Kinder eines Jahrgangs besucht – wird Ernährungs- und Verbraucherbildung aber, wenn überhaupt, nur marginal berücksichtigt. So erhalten baden-württembergische Kinder zum Beispiel als Aufgabe im Geschichtsunterricht in der 5. Klasse, die Alltagskultur in griechisch-römische Antike mit der heutigen zu vergleichen.

Im Fach Mathematik lernen beispielsweise bayerische Schülerinnen und Schüler in Klasse 8 Zins- und Zinseszinsrechnungen durchzuführen. Natürlich hat das auch einen Bezug zur Verbraucherbildung, aber ob Schüler diesen als solchen wahrnehmen, erscheint mehr als fraglich.

Auch durch die Rückkehr von G8 zu G9 in vielen Bundesländern sehen Politiker weder Anlass noch Spielraum dafür, der Vermittlung von Ernährungs- und Verbraucherbildung mehr Raum oder einen festen Platz im Curriculum zuzuweisen.

Wer das Kompetenzraster zur Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung (REVIS) vor Augen hat, vermisst sowohl die dort genannten Themen als auch Kompetenzen. Weder wird so die eigene Alltagskultur reflektiert, noch lernen Schüler anhand von Zinsrechenwegen, was beispielsweise ein Ratenkreditvertrag ist. Ganz zu schweigen von zum Beispiel praktischen Kulturtechniken in der Nahrungszubereitung. Diese zu erlernen bleibt lediglich Realschülern oder Schülern an Haupt- Real- und Gemeinschaftsschulen vorbehalten, die zum Beispiel in Baden-Württemberg das Schulfach „Alltagskultur, Ernährung, Soziales“ oder in Nordrhein-Westfalen an Gesamtschulen das Fach „Wirtschaft, Arbeit, Technik“ wählen.

Seit diesem Schuljahr wurde in Baden-Württemberg das genannte Fach umbenannt und von einem Pflichtfach zu einem Wahlfach heruntergestuft. So hat es an Bedeutung eingebüßt. Das Ankerfach, in dem laut KMK-Leitlinie Ernährungs- und Verbraucherbildung verortet ist, wählen immer weniger Schüler.

In den anderen Bundesländern verhält es sich ähnlich. Lediglich in Schleswig-Holstein ist Verbraucherbildung als eigenes Fach in Gemeinschaftsschulen und Förderschulen seit 2009 im Bildungsplan für die Sekundarstufe I verankert. Das Ziel, Ernährungs- und Verbraucherbildung in der Schule zu verorten, scheint damit ferner und unerreichbarer zu werden denn je. Es wird wohl noch viele runde Tische brauchen, bis Ernährungs- und Verbraucherbildung flächendeckend alle Schüler erreicht.

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Quelle: Ute Gomm, www.bzfe.de