Kinder brauchen Bewegung! Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung

Prof. Dr. Ulrike Ungerer-Röhrich, Institut für Sportwissenschaft der Universität Bayreuth, Dr. Andrea Lambeck, ehemals Plattform Ernährung und Bewegung e.V., Berlin

Kurzfassung

Bislang gab es für Deutschland keine fundierten Empfehlungen, wie viel Bewegung Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene und Senioren brauchen, und wie man Maßnahmen der Bewegungsförderung auf der Grundlage evidenzbasierter Ergebnisse gestaltet.

Nun liegen diese Empfehlungen vor, und es werden in diesem Beitrag die für Kinder und Jugendliche vorgestellt. Sie sind wissenschaftlich fundierte Antworten auf die Fragen „Wie viel Bewegung ist nötig, um gesundheitswirksame Effekte zu erzielen?“ und „Welche Erkenntnisse aus der Anwendungsforschung zeigen, wie man Menschen dabei unterstützt, sich mehr zu bewegen?“. Die Empfehlungen sind zunächst für Akteure und Organisationen im Handlungsfeld Bewegung(sförderung) geschrieben.

Empfehlungen für Bewegung

Für Säuglinge und Kleinkinder gilt, dass sie sich so viel wie möglich bewegen und so wenig wie möglich in ihrem Bewegungsdrang gehindert werden sollten. Kindergartenkinder sollten eine Bewegungszeit von 180 Minuten/Tag und mehr erreichen. Für Kinder ab 6 Jahren und Jugendliche wird empfohlen, dass sie sich täglich 90 Minuten und mehr in moderater bis hoher Intensität bewegen.

Die neuesten Ergebnisse der Welle 2 der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) zeigen, dass wir von der Erreichung dieser Empfehlungen noch weit entfernt sind. Knapp die Hälfte der Kinder im Alter zwischen 3 und 6 Jahren sind eine Stunde am Tag körperlich aktiv. Nur noch 7,5 % der jungen Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren erreichen eine Stunde Bewegungsaktivität täglich, wie sie von der WHO empfohlen wird. Die neuen Empfehlungen werden noch deutlicher unterschritten. Es besteht dringender Bedarf für Bewegungsförderung!

Empfehlungen für Bewegungsförderung

In den ersten Lebensjahren ist das häusliche Umfeld für Kinder der zentrale Ort für Bewegung. Wichtige Impulse kommen von den Eltern. Sie sind Vorbild, Bewegungsbegleiter und Impulsgeber und sollten bei Interventionen zur Bewegungsförderung aktiv einbezogen werden. Kindergärten und Kindertagesstätten sollten Kindern Raum und Zeit geben, vielfältige Bewegungserfahrungen zu machen. Damit stärken sie nicht nur die Fitness, sondern auch die Gesundheit und verschiedene Aspekte der Persönlichkeit der Kinder.

Dafür muss ein geeignetes Bewegungsumfeld geschaffen werden. Eine aktuelle Einzeluntersuchung zeigt, dass 90 % der Kitas zwei oder mehr Outdoor-Termine am Tag vorsehen, aber nur 40 % der Kinder entsprechend oft draußen waren. 32 % waren überhaupt nicht draußen. 83 % der Einrichtungen geben an, dass die Kinder mehr als 60 Minuten draußen zubrachten. Dabei waren die Kinder lediglich 2 Minuten pro Stunde intensiv in Bewegung. Hier ist noch viel Überzeugungsarbeit nötig, dass Outdoor-Aktivitäten wichtig sind und gut genutzt werden. Entscheidend ist, dass die Fachkräfte selbst Spaß an den Bewegungsaktivitäten haben, vor allem aber auch die notwendige Expertise mitbringen.

Die schulische Lebenswelt ist ebenfalls ein zentraler Ansatzpunkt für die Bewegungsförderung. Nach der vorliegenden Evidenzlage ist ein Schwerpunkt auf die Optimierung des Sportunterrichts zu legen. Auch für kurze Bewegungspausen, d. h. aktive Unterbrechungen des Unterrichts, bestehen nachgewiesene Wirksamkeiten. Aber leider, so muss man wohl nach der Publikation der aktuellen KiGGS- Daten feststellen, wird das Thema nicht hinreichend ernst genommen. Vor allem Ganztagsschulen sind gefordert. Gute Konzepte liegen in vielfältigen Variationen vor.

Ausblick

Neben Wissen und Information sind Verbreitungsstrategien nötig, wenn man in den Lebenswelten Veränderungen anstoßen möchte. Kommunale und politische Unterstützung ist hierfür unerlässlich, damit Bewegungsaktivitäten von Kindern und Jugendlichen als notwendige Investition in die Zukunft gesehen und auch gefördert werden.

Langfassung

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Moderne Ernährung heute
Herausgeber: Prof. Dr. R. Matissek
Lebensmittelchemisches Institut (LCI) des Bundesverbandes der deutschen Süßwarenindustrie e. V., Köln

Quelle: Wissenschaftlicher Pressedienst „Moderne Ernährung heute“ (WPD 1/2018)