foodwatch fordert Subventions-Stopp für gezuckerte Schulmilch

  • Bundesländer begünstigen mit Steuergeldern Fehlernährung bei Kindern.
  • EU will aus gesundheitlichen Gründen keine gezuckerte Schulmilch mehr fördern.
  • Berlin, Brandenburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen haben Ausnahmeregelungen geschaffen und subventionieren weiterhin gezuckerte Produkte wie Kakao.
  • foodwatch kritisiert Lobbyeinfluss der Milchwirtschaft

Die Verbraucherorganisation foodwatch hat die Bundesländer aufgefordert, nicht länger gezuckerte Milchgetränke an Schulen zu subventionieren. Das Vorgehen von Berlin, Brandenburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen widerspreche den Ernährungsempfehlungen für Kinder und untergrabe die Absichten des neuen EU- Schulprogramms. Die Europäische Union möchte aus gesundheitlichen Gründen nur noch Produkte ohne Zuckerzusatz fördern – foodwatch-Recherchen zufolge haben die vier Bundesländer jedoch Ausnahmeregelungen geschaffen, damit weiterhin auch gezuckerte Produkte subventioniert werden können.

„Mit Ihrer Politik leisten Sie der Fehlernährung von Kindern Vorschub, anstatt sie zu verhindern“, kritisierte foodwatch in einem Offenen Brief an die zuständigen Ministerinnen und Minister. Die Verbraucherorganisation hat unter www.aktion-schulmilch.foodwatch.de eine E-Mail-Aktion an die vier entsprechenden Landesregierungen gestartet mit der Forderung, die Schulmilchprogramme schnellstmöglich zu korrigieren und den Zusatz von Zucker auszuschließen.

„Der Zuckerkonsum von Kindern ist zu hoch und hat fatale gesundheitliche Auswirkungen. Mehrere Bundesländer tragen selbst dazu bei: Sie fördern die Abgabe gezuckerter Milchprodukte – auf Kosten des Steuerzahlers und auf Kosten der Kindergesundheit. Eine solche Politik ist verantwortungslos und widerspricht den Empfehlungen der Ernährungsfachleute“, kritisierte Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch.

15 Prozent der Kinder und Jugendlichen gelten als übergewichtig – ein wesentlicher Grund dafür ist eine unausgewogene Ernährung. Besonders der zu hohe Konsum gezuckerter Lebensmittel wird von Ernährungswissenschaftlern, der Ärzteschaft und der Weltgesundheitsorganisation gleichermaßen bemängelt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sieht in ihren offiziellen Empfehlungen für die Verpflegung in Schulen keine Abgabe von Milchprodukten mit Zuckerzusatz vor.

Zu Beginn des Schuljahres 2017/2018 hat die EU ihr Förderprogramm für das Schul- und Kitaessen überarbeitet. Im Rahmen dieses Programms fördert die EU die vergünstigte oder kostenlose Abgabe von Obst, Gemüse und Milchprodukten in Schulen und vorschulischen Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten. Die in Deutschland zuständigen Bundesländer können die Mittel dafür bei der EU beantragen, wovon die meisten auch Gebrauch machen. Seit der Reform dürfen die subventionierten Lebensmittel keine Zusätze von Zucker, Salz, Fett oder Süßungsmitteln enthalten. In der Begründung für diese Änderungen verweist die EU ausdrücklich auf die Zunahme der Zahl fettleibiger Kinder. Allerdings lässt die EU-Verordnung es zu, dass Mitgliedstaaten Ausnahmen von dieser Regelung schaffen.

Recherchen von foodwatch haben nun ergeben, dass die meisten Bundesländer eine Förderung gezuckerter Milchprodukte ausschließen. Berlin, Brandenburg, Hessen und NRW haben jedoch entsprechende Ausnahmegenehmigungen zur Förderung gezuckerter Milchprodukte geschaffen. Es handelt sich dabei um jene vier Länder, in denen FrieslandCampina als Schulmilchlieferant auftritt. Das Unternehmen – einer der größten Molkereien Deutschlands – beliefert insgesamt rund 5.000 Schulen.

Ein Großteil der geförderten Milchgetränke an Schulen in den vier Bundesländern ist gezuckert. Die Angaben der zuständigen Behörden umfassen auch Kindertagesstätten. Dort ist der Anteil von Kakao deutlich geringer. Das zuständige Ministerium in Hessen erklärte gegenüber foodwatch, dass die Subvention von Kakao als erforderlich angesehen werde, „um das Angebot insbesondere für Schulen und Lieferanten attraktiv zu halten“. Das Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung in Brandenburg (LELF), das das Programm für die Bundesländer Berlin und Brandenburg umsetzt, argumentierte ähnlich.

Die „Überlegung“ sei, dass bei „Ausschluss der Milchmischgetränke“ von der Förderung „noch weniger Schulmilchprodukte nachgefragt“ würden. Zudem würden „alternativ wohl eher andere Produkte, mit höherem Zuckergehalt als Milchmischgetränke“ gewählt. Das LELF verwies auf eine Studie, wonach Kakao ein Beitrag zur gesunden Ernährung leiste. Als Beleg nannte die Behörde einen PR-Newsletter des „Informationsbüro Schulmilch“ mit zahlreichen Verweisen auf das „Netzwerk Schulmilch“ – hinter beiden Initiativen steht die Landliebe Molkereiprodukte GmbH, ein Tochterunternehmen von FrieslandCampina.

Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen erklärte, dass „viele Kinder keine Milch, sondern Kakao“ trinken würden. „Insbesondere diese Kinder sollen mit dem weiterhin bestehenden Angebot von Kakao unterstützt werden“, so das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz.

„Mehrere Bundesländer folgen offenbar der Logik: Besser Zucker-Milch als keine Milch. Das ist hanebüchen. Wenn Kinder kein Obst essen möchten, gibt man ihnen doch auch keine Obsttorte als Ersatz. Offensichtlich haben die Landesregierungen vor allem die Absatzförderung für die Milchwirtschaft im Blick und nicht die Gesundheit der Kinder. Damit muss Schluss sein“, forderte Oliver Huizinga.

Neben einer Korrektur der Schulmilchprogramme forderte foodwatch alle Bundesländer auf, Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für das Schul- und Kitaessen verpflichtend einzuführen. Die meisten Bundesländer lehnten das bislang aus Kostengründen ab. Zudem müssten Werbe- und Sponsoringaktivitäten der Lebensmittelindustrie in den Schulgesetzen verboten werden.