Zu groß, zu klein, zu knubbelig? Firma will Lebensmittel retten

Berliner Start-up-Unternehmen will mit Online-Plattform Verschwendung Riegel vorschieben.

Bis 2009 regelte die „Gurkenverordnung“ der Europäischen Gemeinschaft u.a., dass eine Gurke der Handelsklasse „Extra“ auf zehn Zentimeter Länge maximal zehn Millimeter gekrümmt sein darf. Als interne Normung soll sie den wichtigsten Großhändlern noch heute dienen. Das Start-up-Unternehmen „Querfeld“ (Berlin) will nun dem Verschwenden von Lebensmitteln einen Riegel vorschieben, indem schrittweise immer größer werdende Tonnagen von nicht normgerechtem Obst und Gemüse logistisch verteilt und verzehrt werden können.

Mit einer neuen digitalen Online-Plattform sollen zunächst in Berlin und München Einrichtungen der Außer-Haus-Verpflegung versorgt werden, später der Ausbau des Netzwerkes bundesweit erfolgen. Alexander Bonde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die das Projekt fachlich und finanziell mit rund 266.000 Euro fördert: „Während des Projektes sollen 200 Tonnen Obst und Gemüse gerettet werden, davon mindestens 90 Tonnen über die Plattform.“

Aussortieren führt zu enormer Ressourcenverschwendung

Schätzungen zufolge bleibe fast ein Drittel einer Obst- und Gemüseproduktion auf dem Feld liegen, obwohl es sich rein qualitativ betrachtet um einwandfreie Ware handele, so Bonde: „Zu groß, zu klein, zu knubbelig – des Aussehens wegen wird nicht normgerechtes Obst und Gemüse aussortiert und liegengelassen oder gar weggeworfen. Das Aussortieren beispielsweise nach Unter-/Übergröße, Vernarbung, Verformungen oder Hagelschäden führt zu einer enormen Ressourcenverschwendung. Qualitativ handelt es sich um einwandfreie Ware, die bisher entsorgt statt konsumiert wird.“

Wöchentlich zweieinhalb Tonnen Obst und Gemüse in Berlin und München gerettet

Bereits seit zwei Jahren bestünden bei „Querfeld“ Erfahrungen hinsichtlich des Belieferns von etwa Kantinen, Caterern und Mensen in Berlin und München, wobei die Bestellungen bisher telefonisch oder per E-Mail eingingen, erläutert Frederic Goldkorn, Mitgründer des Start-ups. Schon über 70 Tonnen nicht normgerechtes („queres“) Obst und Gemüse hätten unter Einbezug von 30 deutschen, mindestens nach dem Standard der EU-Bio-Richtlinien zertifizierten Betrieben, und 80 Kunden ausgeliefert werden können.

Aktuell würden wöchentlich an den Standorten Berlin und München zusammen durchschnittlich zweieinhalb Tonnen Obst und Gemüse „gerettet“. Für diese bisherige Arbeit sei Querfeld 2016 mit dem „Bundespreis für Engagement gegen Lebensmittelverschwendung“ des Bundesernährungsministeriums ausgezeichnet worden, erwähnt DBU-Expertin Verena Exner.

Bio-Landwirte sollen international „quere“ Produkte anbieten können

Querfeld wolle seine Arbeit durch die digitale Plattform professionalisieren und weitere Standorte gewinnen, so Goldkorn. Große Dienstleistungsunternehmen in Catering, Gastronomie und Servicemanagement, wie das zweitgrößte Catering-Unternehmen in Deutschland, Aramark (Neu-Isenburg), wollten immer mehr Betriebsrestaurants anbinden.

Angestrebt sei, dass Bio-Landwirte aus ganz Deutschland sowie perspektivisch auch in Frankreich, den Niederlanden, in Italien, Österreich, Polen und Spanien ihre überschüssigen oder „queren“ Produkte in Echtzeit den Nachfragern anbieten können. Durch die bereits etablierten Netzwerke an Spediteuren sollen die Bestellungen über die Plattform innerhalb von 48 Stunden (national) bzw. 72 bis 96 Stunden (international) abgewickelt werden. Die Plattform werde zunächst für Kunden in München und Berlin freigeschaltet. Nach erfolgreicher Einführung sollen Kommunen in Hessen und Nordrhein-Westfalen sowie Hamburg folgen.

„Nur einwandfreie Ware wird an Kunden weiterverkauft“

Um Preisdumping entgegenzuwirken, sollen Mindestpreise festgelegt werden. Eine Qualitätskontrolle erfolge durch Logistikdienstleister nach von Querfeld definierten Anforderungen. Diese beinhalteten beispielsweise, dass jegliche Ware sauber sowie frei von Schädlingen und Fäulnis sein müsse. Das Querfeld-Team schule „seine“ Logistikdienstleister nach seinen Standards. Goldkorn: „Nur einwandfreie Ware, die unseren Kriterien entspricht, wird angenommen und an die Kunden weiterverkauft.“

„Wertschätzung von Lebensmitteln und ihren Erzeugern gestärkt“

Bonde: „Wir begrüßen, dass die Start-up-Firma als klein- und mittelständisches Unternehmen die Professionalisierung ihres zurzeit noch überwiegend analogen Geschäftsmodells zum Vermeiden von Lebensmittelverlusten durch Digitalisierung weiterentwickelt. Das Vorhaben trägt zu nachhaltigerem und ressourcenschonenderem Konsum bei.

Außerdem wird die Wertschätzung von Lebensmitteln und ihren Erzeugern bei gleichzeitig neuen Marktchancen gestärkt. So könnten bei steigender Nachfrage Ansätze einer ökologischeren Landwirtschaft, die auch die Produktion von nicht normgerechtem Obst und Gemüse zulässt, gestärkt werden.“

Weitere Informationen

Quelle: Franz-Georg Elpers Pressestelle
Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)