Nanopartikel: Auch Lebensmittel trotz gesetzlicher Pflicht nicht gekennzeichnet

NanopartikelDer Einsatz von Nanomaterialien in Lebensmitteln, Lebensmittelverpackungen, Küchenutensilien und in der Landwirtschaft hat innerhalb des zurückliegenden Jahrzehnts deutlich zugenommen, informiert Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) anlässlich der vollständigen Überarbeitung des BUND-Berichts „Aus dem Labor auf den Teller – Die Nutzung der Nanotechnologie im Lebensmittelsektor“.

Nach der Überarbeitung der BUND-Nanoproduktdatenbank www.nanowatch.de sind nun 47 Produkte in Deutschland verzeichnet, die laut Hersteller Nanopartikel enthalten. Bei Erstveröffentlichung des BUND-Nanoberichts im Jahr 2008 waren es noch etwa 26 Produkte. Dabei handelt es sich neben Lebensmitteln vor allem um Nahrungsergänzungsmittel, Küchenartikel, Verpackungen und Agrochemikalien.

Der BUND-Chemikalienexperte Rolf Buschmann weist darauf hin, dass die Dunkelziffer nicht bekannt ist, da die meisten Produkte mit synthetischen Nanomaterialien nicht gekennzeichnet oder gemeldet werden müssen. Und selbst bei kennzeichnungspflichtigen Produkten wie bei Lebensmitteln, Kosmetik und Bioziden handeln manche Hersteller ungesetzlich, indem sie Nanomaterialien nicht auf der Verpackung aufführen.

So hat der BUND bei Stichproben-Analysen in Cappuccino-Pulver der Firma Jacobs und in Kaugummi von Wrigleys Nano-Primärpartikel identifiziert, die jedoch nicht auf der Verpackung genannt sind. Das Cappuccino-Pulver enthielt zu 100 Prozent Siliziumdioxid-Nanopartikel, im Kaugummi fanden sich immerhin noch zu acht Prozent Titandioxid Nanopartikel.

„Die Lebensmittel-, Futtermittel- und Pestizidindustrie macht nach wie vor ein großes Geheimnis um den Einsatz von Nanomaterialien. Die im Dezember 2014 in Kraft getretene Kennzeichnungspflicht für Nano-Lebensmittel enthält zu viele Schlupflöcher, so dass Lebensmittel mit Nanomaterialien weiterhin ungekennzeichnet bleiben“, kritisierte Buschmann. Auch gebe es in Deutschland derzeit keine einzige auf Nanomaterialien spezialisierte Prüfeinrichtung bei der Lebensmittelüberwachung. Entsprechende Tests im Ausland seien sehr teuer. „Gesetzlich vorgeschrieben sind Tests auf Nanomaterialien nicht, obwohl dies aus Umwelt- und Verbrauchersicht unbedingt erforderlich wäre“, so der BUND-Chemikalienexperte.

Nanopartikel messen nur wenige hundert Nanometer und sind damit etwa 50.000 Mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Sie wirken chemisch und physikalisch zumeist stärker als größere Teilchen des gleichen Stoffes und können leichter in Zellen, Gewebe und Organe eindringen. Ihre stärkere biologische Reaktionsfähigkeit kann auch zur höheren Toxizität führen.

Inzwischen gebe es zahlreiche wissenschaftliche Belege für mögliche Gesundheits- und Umweltgefahren von Nanopartikeln, so Buschmann. Mit der Nahrung aufgenommene Titandioxid- oder Siliziumdioxid-Nanopartikel werden beispielsweise mit Entzündungsreaktionen im Magen-Darm-Bereich in Verbindung gebracht und sind zumindest für entsprechend vorbelastete Personen problematisch.

„Die Lebensmittelindustrie bagatellisiert die Risiken von Nanomaterialien in ihren Produkten. Ohne Kennzeichnung haben Verbraucher so gut wie keine Chance, Nanopartikel über die Lebensmittel zu vermeiden“, sagte Buschmann. Weil die Industrie bisher keine Transparenz bei Nanomaterialen geschaffen habe, sei das Einschreiten des Gesetzgebers nun umso dringender.

„Für alle Technologien muss das Vorsorgeprinzip gelten. Das gilt besonders für Anwendungen, bei welchen die Gefahren nicht abgeschätzt werden können wie bei der Nanotechnologie. Bevor solche Nanoprodukte in den Handel kommen, müssen Risiken gründlich untersucht und ausgeschlossen werden“, sagte Buschmann. Für die Kosten von verpflichtenden Tests müssten die Hersteller aufkommen.

Vom Gesetzgeber fordert der BUND außerdem, das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verpackungen, Küchenartikeln oder Agrochemikalien zu untersagen, die freisetzbare Nanomaterialien enthalten, sowie eine flächendeckende Kennzeichnungspflicht für alle Produktgruppen einzuführen.

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Quelle: BUND