Nahrungsergänzungsmittel auf Märkten innerhalb und außerhalb Europa

Hersteller brauchen Transparenz in der Lieferkette und im Risikomanagement. Fresenius-Fachtagung mit zahlreichen informativen Vorträgen und Besucherrekord.

Am 26. und 27. September trafen sich in Mainz Lebensmittel- und Pharmaexperten auf einer Fresenius-Fachtagung speziell zu Nahrungsergänzungsmitteln. Die Referentinnen und Referenten beleuchteten Trends im Produktdesign, aktuelle Rechtsfragen und neue Auflagen für Kennzeichnung und Marketing.

Die Verbraucher greifen immer öfter zu Zusatzpräparaten, um sich zusätzlich zu Frühstück, Mittag- und Abendessen ausreichend Vitamine und Nährstoffen zuzuführen: in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten oder auch als Pulver oder Saft. Etwa jeder dritte Erwachsene in Deutschland hilft mit einer Extraportion Mineralien oder Vitamine nach. Laut der Verbraucherzentrale Bundesverband setzte der Handel in Deutschland 2015 rund 1,1 Milliarden Euro mit Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) um, die frei verkäuflich in Apotheken, Drogerien und vielen Supermärkten erhältlich sind. Allerdings sehen sich die Hersteller immer mehr Kritik von Verbraucherschutzverbänden und immer strengeren Anforderungen ausgesetzt.

Peter Loosen, Geschäftsführer und Leiter des Brüsseler Büros des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) gab den Teilnehmern einen Überblick über aktuelle Gesetzesinitiativen und Diskussionen in der Europäischen Union.

Überarbeitung der EU-Lebensmittel-Basis-Verordnung: Wirtschaft und Verbraucherschützer fordern mehr Transparenz

Die Europäische Union möchte einfacher, transparenter und flexibler werden und hat sich mit ihrem „Programm zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung“ (REFIT) ein großes Aufgabenpaket geschnürt. Im Rahmen des REFIT-Prozesses hat die Europäische Kommission am 11. April 2018 ihren Vorschlag zur Überarbeitung der EU-Lebensmittel-Basis-Verordnung (EG) 178/2002 vorgelegt.

Der Verordnungsvorschlag der Kommission möchte die Transparenz der Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erhöhen und zur Stärkung der Risikokommunikation beitragen. Allerdings erntet dieser Vorschlag, wie Loosen berichtete, Kritik von allen Seiten – sowohl von der Lebensmittelwirtschaft wie von Verbraucherschutzorganisationen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs).

Interessanterweise fordern sowohl NGOs wie Wirtschaftsvertreter mehr Transparenz. Die NGOs wünschen sich früheren Zugang zu Zulassungsanträgen. Wirtschaftsvertreter wünschen sich Verbesserung der Transparenz „nicht nur für Risikobewertung, sondern auch und insbesondere für Risikomanagement und Risikokommunikation“, lehnen aber die allzu frühe Veröffentlichung aller Anträge, Studien und weiteren Informationen vor Abschluss der wissenschaftlichen Bewertung ab.

Botanicals: Entscheidung zu Werbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen nicht mehr von der Juncker-Kommission

Mit Spannung erwartet die Lebensmittelindustrie die Veröffentlichung der Ergebnisse eines Evaluationsprozesses („Evaluation and Fitness Check (FC) Roadmap“), den die Kommission 2017 durchgeführt hat. Dieser Bericht soll auch Klarheit zur Bewerbung von Botanicals (Nahrungsergänzungsmittel aus Pflanzen, Algen, Pilzen oder Flechten) bringen.

Die Evaluation ist abgeschlossen, der Bericht wurde für Ende dieses Jahres angekündigt. Peter Loosen rechnet damit, dass Schlussfolgerungen und Gesetzesinitiativen, die diesem Bericht folgen werden, erst von der kommenden EU Kommission ergriffen werden – nach der Europawahl im Mai kommenden Jahres.

Globalisierung auf botanisch: Superfood Chia enthält oft nicht das, was auf der Packung steht

Unter den botanischen Lebensmitteln haben insbesondere Chiasamen oder Goji-Beeren eine große Nachfrage nach „superchaotischen pflanzlichen Superfoods“ erzeugt, wie Peter Nick, Leiter der Molekularen Zellbiologie am Karlsruher Institut für Technologie, beobachtet. Das Problem: Die große Nachfrage sorgt für leere Felder in den Anbaugebieten in Mittelamerika. Deshalb wird viel ver- und eingekauft, was vielleicht Chia heiße, mit unserer Vorstellung von Chia aber nicht viel zu tun habe.

Bewusster Betrug („Food Fraud“) sei eine, aber nicht die einzige Ursache. Während Europa eine wissenschaftliche Nomenklatur mit eindeutigen Begriffen gewohnt sei, sind die traditionellen Namen in den Herkunftsländern oft mehrdeutig und veränderbar. Deshalb beobachtet Nick seit etwa zwei Jahren, dass Smoothies mit Samen verschiedener Basilikumarten als „Basilikum wie Chia“ oder eben einfach als „Chia“ verkauft werden.

Eine gute Möglichkeit zur Überprüfung bietet Nick zufolge das „Genetic Barcoding“, das die biologische Identität anhand der Gene bestimmen kann. Voraussetzung zur Anwendung dieser und anderer Methoden sei aber vor allem ein Problembewusstsein der Unternehmen und Verbraucher. Importeure müssten ihre Waren besser prüfen. „Gemeinsam müssen wir definieren, was für uns Qualität bei ‚Superfoods‘ heißt“, so Nick.

Lieferanten- und Qualitätsmanagement für NEM-Hersteller: Mit einer Firewall Bedrohungen rechtzeitig erkennen

Das Beispiel der vermeintlichen Chia-Samen zeigt, welchen Herausforderungen sich Qualitätsmanager für Nahrungsergänzungsmittel im Spannungsfeld zwischen Marketing, Produktentwicklung, Einkauf und Vertrieb stellen müssen. Markus Zell vom Bioanalytik-Dienstleister Eurofins zeigte in seinem Vortrag die Risiken entlang der Lieferketten auf.

Die Rückverfolgung zugekaufter Produkte bis zu deren Ursprung erweise sich oft als schwierig. Kreuz-Kontaminationen führen zu einem hohen Risiko und werden oft durch die ganze Lieferkette weitergereicht. Um so wichtiger sei die Einrichtung eines Frühwarn-Systems, um Bedrohungen frühzeitig zu erkennen.

Die Unternehmen müssen zum Aufbau einer „Firewall“ genau kontrollieren, an welchen Stellen der Wertschöpfungskette ihre Rohwaren, Produkte und Prozesse bereits ausreichend gesichert sind und wo noch nachjustiert werden muss. Eine so gewonnene Firewall schirme vor Risiken und Gefahren von außen ab und gebe Planungssicherheit: „Eine sichere Firewall ermöglicht es Anwendern, Erkenntnisse aus Forschung und Praxis zu nutzen, um den Gehalt an Rückständen und Kontaminanten in ihren Produkten entsprechend zu senken“, ist Markus Zell überzeugt.

Nahrungsergänzungsmittel-Tagung 2019 in Wiesbaden

Der Termin für die Fresenius-Tagung Nahrungsergänzungsmittel im nächsten Jahr steht bereits fest: 2019 findet die Veranstaltung vom 26. bis 27. September in Wiesbaden statt (Anmeldung: www.akdademie-fresenius.de/2660).

Die Tagungsunterlagen mit den Skripten aller Vorträge der Fresenius-Konferenz können zum Preis von 295,- EUR zzgl. MwSt. bei der Akademie Fresenius bezogen werden.

Die Akademie Fresenius in Dortmund gehört zur internationalen SGS Institut Fresenius Gruppe und organisiert mit hochrangigen Referenten nationale und internationale Tagungen, Konferenzen und Seminare rund um die Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln, Konsumgütern und chemischen Erzeugnissen.

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Quelle: Akademie Fresenius