Biologische Vielfalt beginnt im eigenen Garten

Gemüsegarten
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Rund fünf Millionen Menschen in Deutschland nutzen einen Kleingarten. Ob großer Nutz- oder kleiner Stadtgarten: Gärten sind für Viele nicht nur Entspannungsorte oder Lebensmittellieferanten, sondern haben großes Potenzial, biologische Vielfalt aufzubauen und seltene Kulturpflanzen zu bewahren.

Welche Möglichkeiten es gibt, den eigenen Garten oder sogar die Stadt entsprechend zu gestalten und sich für gelebte Nachhaltigkeit einzusetzen, diskutierten rund 90 Gartenexperten und –interessierte auf der BLE-Tagung „Altes Gemüse für neues Gärtnern“.

In einer repräsentativen Studie unter bayerischen Freizeitgärtnern kam Dr. Andreas Becker von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau zu dem Schluss: „Egal ob extravaganter Gestalter, Nutzgärtner oder Entspannungssuchender: Für fast alle bedeutet ein Garten Wohlfühloase und Rückzugsort. Welche Automarke kann das schon behaupten?“

Gerade jüngere Menschen interessierten sich heute wieder für Nutzgärten. Die Menschen für mehr biologische Vielfalt im eigenen Garten zu begeistern, ist Ziel der Bayerischen Gartenakademie. Mit der Gartenzertifizierung „Naturgarten – Bayern blüht“ soll eine eigene Plakette für Gärten vergeben werden, die sich besonders für den Erhalt biologischer Vielfalt einsetzen.

Alte und seltene Sorten bewahren

„Berliner Aal“-Gurke, „Teltower Rübchen“ oder „Wiener Maidivi“-Salat: Um seltene Pflanzen vor dem Verschwinden zu bewahren, bedarf es Menschen, die sie anbauen. Seltenen Kultursorten widmet sich Dr. Cornelia Lehmann von der Humboldt Universität zu Berlin und Vorsitzende im Verein zur Erhaltung und Kultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg (VERN).

Im eigenen Saatgutarchiv hat der Verein etwa 2.000 verschiedenen Herkünfte von Nutz- und Zierpflanzen erfasst. Der Verein arbeitet mit Saatgut-Erhaltungsinitiativen und Kleingärtnern zusammen und fordert alle Interessierten auf, seltene Sorten als Bereicherung im Garten und in der Küche schätzen zu lernen und so zu ihrem Erhalt beizutragen.

Pilze auf Kaffeesatz züchten?

Auf Kaffeesatz und Sägespänen, Baumstümpfen oder Stroh lassen sich schmackhafte Pilze züchten. Diese Anbauform auf kleinen Flächen sieht Andrea Muno-Lindenau vom Wissenschaftsladen Bonn (WILA) auch als gesellschaftliche Aufgabe, denn Menschen leben vermehrt in Städten. Weltweit werden laut Welternährungsorganisation (FAO) nur fünf Prozent der in der Stadt konsumierten Lebensmittel auch in der Stadt produziert, was vor allem Obst und Gemüse betrifft.

Um das Wissen engagierter Bürgerinnen und Bürgern zu bündeln und die städtische Agrikultur und Nahrungsmittelproduktion zu fördern, wurde das Bürgerforschungsprojekt SAIN „Städtische Agrikultur – Innovation entwickeln“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, den städtischen Selbstversorgungsgrad zu erhöhen.

„Deine Ernte“ rettet Obst

Wer nicht weiß, wohin mit der eigenen Ernte oder sich für regionale Gartenprodukte interessiert, kann Erntegut auf der Internetplattform „Deine Ernte“ anbieten oder dort einkaufen. Die 17-jährige Annalina Landsberg gründete die Austauschplattform 2016, da die sechs Apfelbäume auf dem Familiengrundstück zu viel hergaben und die Äpfel nicht verfaulen sollten.

Mit „Deine Ernte“ will sie nicht nur eine Angebotsplattform bieten, sondern auch Naturerlebnisse und die Wertschätzung natürlicher Lebensmittel fördern. Ihr Projekt wurde bereits mit dem BMEL-Bundespreis für Engagement gegen Lebensmittelverschwendung ausgezeichnet. Momentan ist das Einzugsgebiet noch auf Berlin beschränkt, eine bundesweite Vernetzung kann sie sich jedoch in einigen Jahren vorstellen.

BLE-Präsident Dr. Eiden für Wertschätzung und Vielfalt

„Wer einmal selbst erfahren hat, wieviel Arbeit es ist, ein Radieschen großzuziehen, sieht dies mit anderen Augen als der Konsument im Supermarkt, der keinen direkten Bezug mehr zur Produktion von Lebensmitteln hat“, ist sich auch BLE-Präsident Dr. Hanns-Christoph Eiden sicher.

Um Konsum nachhaltiger zu gestalten, hat die Bundesregierung 2016 das „Nationale Programm für nachhaltigen Konsum“ verabschiedet. Bei dem Programm setzen die Bundesministerien sogenannte Leuchtturm-Initiativen um. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und die BLE starten im nächsten Jahr mit dem Leuchtturm „Nachhaltiger Konsum für Biologische Vielfalt in Landwirtschaft und Ernährung“. Ziel ist es, durch vermehrten Anbau, verstärkte Vermarktung und einen gesteigerten Genuss von traditionellen und vernachlässigten Obst- und Gemüsesorten die biologische Vielfalt zu fördern. Dabei soll es aber nicht nur um Pflanzensorten, sondern auch um die Vielfalt der Nutztierrassen gehen.

Quelle: BLE