Nahrungsmittelallergene: Verstärkte Anstrengungen der Lebensmittelindustrie in Risikomanagement und -kommunikation erforderlich

Internationale Fresenius-Konferenz diskutierte neue Verfahren und Grenzwerte.

Am 12. und 13. November fand in Wiesbaden die 7. Internationale Fresenius-Konferenz „Food Allergens“ statt: gut vier Monate nach Vorlage des Entwurfs für einen Verhaltenscodex für Allergenmanagement durch das europäische Codex Komitee für Lebensmittelhygiene (CCFH). Dieser Codex stand ebenso im Mittelpunkt der internationalen Fachtagung wie die Grenzen der Allergenquantifizierung und neue Ansätze des Risikomanagements und der Risikokommunikation.

Das VITAL 2.0-Konzept im Effektivitätstest

Das VITAL-Konzept („Voluntary Incidental Trace Allergen Labelling“) bietet ein standardisiertes Vorgehen zur Bewertung und schließlich freiwilligen Deklaration unbeabsichtigter Einträge (sogenannte Kreuzkontaminationen) von Allergenen in Lebensmitteln auf der Basis von klinischen Schwellenwerten. Es wurde 2007 von internationalen Lebensmittelherstellern und dem Australian Food and Grocery Council (AFGC) entwickelt. VITAL 2.0, die überarbeitete Version, kombiniert die Verwendung von Referenzdosen mit der Portionsgröße.

Als Referenzdosis wird die absolute Proteinmenge eines allergenen Lebensmittels zugrunde gelegt, unterhalb derer die überwiegende Mehrheit (95-99 %) unter den Allergikern keine Reaktion zeigen. Thomas Holzhauser vom Paul-Ehrlich-Institut, Tagungsleiter der Fresenius-Konferenz, ist Chairman einer Expertengruppe des International Life Sciences Institute Europe, die die Möglichkeiten der analytischen Methoden zum Nachweis allergener Bestandteile untersucht hat. Er verglich die Nachweisgrenzen der Methoden mit den klinischen Referenzdosen in unterschiedlichen Portionsgrößen. Neben der nötigen Sensitivität sei vor allem die vergleichbare Quantifizierung aufgrund verschiedener Unsicherheitsfaktoren, wie beispielsweise die richtige Wahl der nachzuweisenden Markerstoffe eine Herausforderung, so Holzhauser.

Zuverlässige Tests zum genauen Nachweis von potenziell allergenen Kontaminationen sind längst zu einer unverzichtbaren Notwendigkeit in der Lebensmittelproduktion geworden. Verschiedene Tests sind auf dem Markt. Simon Flanagan von Reading Scientific Services (Großbritannien) stellte aktuelle Evaluationsergebnisse für die ELISA-Test-Kits vor. Der weit verbreiteten Festphasen gekoppelte Enzymimmunoassay (Enzyme-Linked Immuno-Sorbent Assay, ELISA) ist eine antikörperbasierte Testmethode. Er gilt als sensitiv, schnell und zuverlässig.

Aber auch ELISA Test Kits weisen wie andere analytische Methoden Unsicherheitsfaktoren auf. Robuste Analysemethoden bildeten immer noch die „entscheidende Lücke“ bei der Festsetzung von Auslösewerten. Die Forschung sei dringend auf ‚reale‘ Referenzmaterialien angewiesen, um die Ergebnisse verschiedener Analyse-Kits vergleichen zu können. Für gute Ergebnisse der Analyse Kits seien sowohl die Kompetenz des Kit-Herstellers auch als die sorgfältige Validierung durch das Labor unbedingt erforderlich.

Unterschiedliche Allergiemuster in Europa

Clare Mills von der Universität Manchester (Großbritannien) wies darauf hin, wie wichtig die Auswahl der Studienpopulation zur Festlegung von Schwellenwerten sei. Berücksichtigt werden müssten nicht nur Faktoren wie Geschlecht und Alter sondern auch die geographische Lage, da die Reaktivität auf Lebensmittel in ganz Europa unterschiedlich ist. So sei die Sensibilisierung gegen Lipidtransferproteine vor allem im Mittelmeerraum bekannt. Dort rufe sie teilweise schwere allergische Symptome hervor.

Kreuz-Kontamination: Immer eine Frage der richtigen oder falschen Reinigung

Peter Littleton, technischer Direktor des Hygiene-Chemikalien-Herstellers Christeyns Food Hygiene, beleuchtete die Bedeutung der Reinigungs- und Hygienefaktoren bei der Verhinderung von Kreuzkontaminationen. Er empfahl, bei Reinigungsfragen in der Lebensmittelproduktion eine ganzheitliche Perspektive einzunehmen und die Faktoren „Zeit, Sorgfalt, Reinigungsmittel und Ausrüstung“ gleichermaßen in den Blick zu nehmen.

Da allergene Proteine durch die Wirkung von Desinfektionsmitteln nicht beeinflusst werden (als Folge davon, dass sie nicht lebendig sind), ist der eigentliche Reinigungsprozess für das Management dieses Bestandteils der Lebensmittelsicherheit von entscheidender Bedeutung, so Littleton: „Kreuz-Kontamination ist oft eine Gefahr für die Qualität der Reinigung!“ Und während des Reinigungsprozesses ist die Entfernung von Proteinen von Oberflächen mit Lebensmittelkontakt kritisch.

„Frei von“-Kennzeichnungen nicht frei von Missverständnissen

Viele Lebensmittelhersteller in Europa werben damit, dass ihre Produkte frei von Gluten, Palmöl, Laktose oder anderen Zutaten sind. Auf der Fresenius-Tagung berichteten Ylva Sjögren Bolin von der National Food Agency in Schweden und Andrea Martinez-Inchausti vom British Retail Consortium (BRC) über Erfahrungen mit „Frei von“-Kennzeichnungen in ihren Ländern. In Großbritannien hat sich der Umsatz mit Lebensmitteln mit „Frei von“-Kennzeichnung zwischen 2010 und 2015 verdoppelt. Er betrug 2015 470 Millionen Pfund. Bis 2020 rechnen Experten mit einem Anstieg auf 673 Millionen Pfund.

Lebensmittel mit „Frei von“-Kennzeichnung werden nicht nur von Menschen, die unter Allergien leiden, bevorzugt. Auch besorgte Verbraucher, die Misstrauen gegen ‚normale Lebensmittel‘ entwickeln, greifen zu diesen Produkten. Der klassische britische Käufer von glutenfreien Produkten sei entweder zwischen 50 und 65 Jahre alt oder ein Mitglied der technikaffinen Generation der „Millennials“ und zwischen 25 und 35 Jahre alt. Beide Kundengruppen müssten auf den gleichen Standard vertrauen können, so Andrea Martinez-Inchausti.

Das BRC hat einen Leitfaden zur richtigen Kennzeichnung herausgegeben. „Der Claim ‚Frei von‘ sollte nur nach strenger Überprüfung von Inhaltsstoffen und Verarbeitungsprozessen erfolgen. Basis dafür ist eine umfassende Risikoanalyse, die von strengen Kontrollen, die analytische Testverfahren anwenden, begleitet wird“, so Andrea Martinez-Inchausti.

Die Tagungsunterlagen mit den Skripten aller Vorträge der Fresenius-Konferenz können zum Preis von 295,- EUR zzgl. MwSt. bei der Akademie Fresenius bezogen werden.

Die Akademie Fresenius in Dortmund gehört zur internationalen SGS Institut Fresenius Gruppe und organisiert mit hochrangigen Referenten nationale und internationale Tagungen, Konferenzen und Seminare rund um die Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln, Konsumgütern und chemischen Erzeugnissen.

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Quelle: Akademie Fresenius